Der Silvesterlauf auf die Teck ist ein Halbmarathon mit Hürden. Der Weg ist steil, und es ist rutschig. Der härteste Gegner aber ist der innere Schweinehund. Gerade auch die familiäre Atmosphäre hilft, ihn am Ende zu überwinden.

Kirchheim - Knapp 18 Kilometer, 464 Höhenmeter, und das in zwei Stunden – das ist der Silvesterlauf von Kirchheim auf die Burg Teck und wieder zurück in Zahlen. Der Quasi-Halbmarathon ist indessen auch ein Hürdenlauf. Bereits zehn Minuten nach dem Startschuss am Samstag um 15 Uhr am Rathaus sinkt eine rot-weiße Schranke herab. Diese erste Hürde am Bahnübergang kann nicht übersprungen werden, hier hilft nur warten. Der zweite Teil des Läuferfelds tänzelt ungeduldig auf der Stelle, die Teckbahn, die bei der Trennung von Spreu und Weizen gerade ihren Teil leistet, rollt endlich vorbei.

 

Fans entlang der Strecke feuern die Läufer unermüdlich an

Eskortiert von Polizeiautos joggen 603 Männer, Frauen, Mädchen und Jungen – diese Rekordzahl an Teilnehmern zählen die Helfer des Veranstalters vom Lauftreff Kirchheim an diesem Sonntag – die lang gezogene Strecke nach Dettingen.

Die Bedingungen sind mit Temperaturen von 13 Grad Celsius und Sonnenschein optimal. „Ein perfekter Tag“, sagt einer der Läufer. Wegen des guten Wetters haben sich noch mehr Fans entlang der Strecke postiert als sonst. „Auf geht’s!“, „Super!“, „Ihr packt das!“ Deren Enthusiasmus trägt die Läuferinnen und Läufer gefühlt über die komplette Distanz hin und zurück. Immer wieder klatscht jemand ab, und es gibt aufmunternde Worte.

Einigen geht am Berg die Puste aus

Die sind auch bitter nötig, denn der Silvesterlauf verlangt den Läufern einiges ab. Kurz vor dem Eintritt in den Wald wird es steiler, vereinzelt deutet sich jetzt schon an, was zahlreichen Teck-Pilgern auf ihrem weiteren Weg bis zur Burg widerfahren soll: Ihnen geht die Puste aus, und von leichtfüßigem Trab verfallen sie in einen schleppenden Schritt. Zu Konditionsmängeln gesellt sich kurz nach Eintritt in den Wald schon die nächste Hürde hinzu. Der berüchtigte „Ho-Chi-Minh-Pfad“ ist bei fast frühlingshaften Temperaturen zwar nicht vereist, durch den Regen der vergangenen Tage aber ganz schön matschig.

Überholen geht nicht, im Gänsemarsch und vorsichtig balancierend geht es circa hundert Meter hinauf. „Mist, die ganze Zeit ist am Arsch“, schnauft ein Läufer von hinten, der sich ungeachtet der Strapazen seinen Humor bewahrt hat. Dann ist der Parkplatz Hörnle erreicht. Hier hat der Lauftreff eine Verpflegungsstation mit 100 Liter Tee eingerichtet. Dieser Menge, die nicht ganz reichen wird, stehen mehr als 1000 Liter Schweiß entgegen, die die Läufer an diesem Tag vergießen werden. Die Versorgungsstation ist für viele ein Segen, sie ist gleichzeitig aber auch eine weitere Hürde in Form einer Versuchung. Bloß nicht stehen bleiben, sonst springt der „Motor“ vielleicht nicht mehr an!

Rutschpartie auf dem Ho-Chi-Minh-Pfad

Nach weiteren fünf Minuten ist es nicht mehr weit bis zur Burg und damit zum Wendepunkt des Silvesterlaufs. Die Schnellsten sind bereits oben gewesen und stürmen auf ihrem Rückweg den Berg schon wieder hinunter. Nicht drüber nachdenken, einfach weiterlaufen – auch wenn der Laufapparat ächzt. Dann geht es in den Burghof. Läufer treffen auf Freunde und Verwandte, die oben gewartet haben. Hier und da gibt es ein „Hallo, rutsch gut rüber und alles Gute für 2018“.

Zunächst einmal aber rutschen die Silvesterläufer über den Ho-Chi-Minh-Pfad wieder talwärts. Nach der Rutschpartie sollte es doch leichter gehen. Tut es zwar, aber eben auch wieder nicht. Die Knie schmerzen, und spätestens am Ortsschild von Kirchheim wäre es nun eigentlich genug. Doch jetzt, kurz vor dem Ziel, aufzugeben ist dann doch keine Option. Schließlich ist der Rewe-Parkplatz erreicht. Dort sammeln sich alle, um gemeinsam um 17 Uhr die Ziellinie vor dem Rathaus zu überqueren.

Nach Banane und Ritter jetzt als Leopard auf die Teck

Denn beim Tecklauf steht der olympische Gedanke des Dabeisein-ist-alles im Mittelpunkt. Es gibt kein Klassement. Was zählt, ist der Spaß. Das Symbolbild dafür ist Christopher Greenaway. Seit fünf Jahren ist er mit Begeisterung dabei. Erst als Banane, dann als Ritter und jetzt als Ur-Mensch im Leopardenkostüm verkleidet, hat der Stuttgarter zuvor als Dritter den Burghof erreicht. Jetzt wartet er bestens gelaunt mit einem Plastikknochen in der Hand auf die Ankunft der Mitstreiter. „Jetzt freue ich mich auf einen Glühwein und ein Stück Zopf“, sagt Christopher Greenaway, denn er weiß, dass der Lauftreff auch im Ziel für das leibliche Wohl gesorgt hat.

Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – die Schlagworte der Französischen Revolution charakterisieren den Silvesterlauf. Von etwa 20 Fackelläufern des Lauftreffs angeführt, geht es die letzten Meter durch ein Spalier von klatschenden Menschen ins Ziel beim Kirchheimer Rathaus. „We are the Champions“, schallt es passend aus den Lautsprechern, und in der Tat sind an diesem Tag alle Sieger. Nur einen Verlierer gibt es zum Jahreswechsel: den inneren Schweinehund.