Zwei 19-Jährige müssen sich vor dem Landgericht Stuttgart wegen mehrerer Sexualstraftaten verantworten. Unter anderem sollen sie im vergangenen August in Kirchheim eine 21-Jährige vergewaltigt haben.

Kirchheim - Die beiden 19 Jahre alten Männer auf der Anklagebank geben vor der 20. Großen Jugendkammer des Landgerichts Stuttgart zu, zwei jungen Frauen in Kirchheim Schreckliches angetan zu haben. Die beiden Afghanen I. Ansary und R. Habib (Namen geändert) räumen die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft Stuttgart weitgehend ein, wonach sie am frühen Morgen des 17. August vergangenen Jahres eine damals 21-Jährige mehrfach abwechselnd vergewaltigt haben sollen. Habib soll gut eine halbe Stunde zuvor schon versucht haben, sich an einer 19 Jahre alten Frau zu vergehen, während sein Komplize Ansary Schmiere stand. Diese Tat scheiterte offenbar an der heftigen Gegenwehr des Opfers, obwohl Habib es mit einem Messer bedroht hatte. Außerdem ist Habib angeklagt, sich sechs Tage später zweimal vor jungen Frauen entblößt und onaniert zu haben.

 

Die Taten hatten im vergangenen Sommer in Kirchheim Bestürzung verursacht und Angst verbreitet. Die 21-Jährige war laut der Anklage an jenem Sonntag gegen 2 Uhr auf dem Nachhauseweg, als sie nahe des Alten Friedhofs in der Notzinger Straße auf die beiden Angeklagten traf. Ansary soll sie um Feuer gebeten haben, da wurde sie laut dem Staatsanwalt schon von Habib gepackt, zwischen zwei parkende Autos gezerrt und zu Boden gerissen. Dort zog der Peiniger seinem Opfer die Hose herunter, vergewaltigte es und zwang es zu weiteren sexuellen Handlungen. Ansary soll die junge Frau sogar zweimal vergewaltigt haben.

Eine 19-Jährige wehrt sich erfolgreich gegen den Täter

In einer Erklärung spricht Ansarys Verteidiger von einer „Verwechslung der Handlungen“ in der Anklageschrift. Sein Mandant gebe zu, an der Vergewaltigung beteiligt gewesen zu sein, aber er bezichtige Habib, die treibende Kraft gewesen zu sein. Gut gekannt habe er ihn nicht, es sei das zweite Mal gewesen, dass er mit dem Mitbewohner aus dem Asylbewerberheim um die Häuser gezogen sei. Ansary gibt zu, die junge Frau vergewaltigt zu haben, doch angestiftet worden sei er von seinem rund acht Monate jüngeren Komplizen. Dieser habe ihm erklärt, „Mädchen auf dem Heimweg von Partys sind am besten geeignet, vor allem, wenn sie betrunken sind“. Habib habe geprahlt, sich auf diese Weise „schon einmal ein Mädchen genommen“ zu haben.

Beim ersten Vergewaltigungsversuch in dieser Nacht, bei dem eine 19-Jährige im Hof des Mehrgenerationenhauses Linde zum Sex gezwungen werden sollte, sei er überhaupt nicht in Erscheinung getreten, lässt Ansary durch seinen Anwalt wissen. Doch wenig später beimAlten Friedhof habe ihn die Tat Habibs so erregt, dass auch er die 21-Jährige vergewaltigt habe. Sein Komplize aber habe sich mehrfach an ihr vergangen, er sei es auch gewesen, der sie zu weiteren sexuellen Handlungen gezwungen habe.

Den Angeklagten ist es in der Heimat nicht gut ergangen

Ansary erklärt, er bereue es zutiefst, dass er sich von Habib in die Sache habe „hinein ziehen lassen“. Es tue ihm leid, was er der Frau angetan habe, er könne sich die Tat nicht erklären. Habib, der – nur durch den Übersetzer getrennt – neben Ansary auf der Anklagebank sitzt, hört sich das regungslos an. Auch sein Verteidiger gibt für ihn eine Erklärung ab, „ich hätte aber vorher gerne gewusst, was der Mitangeklagte zur Tat zu sagen hat“. So könne er zum Verhandlungsauftakt nicht auf dessen belastenden Vorwürfe gegen seinen Mandanten reagieren. Doch er erklärt im Namen von Habib, dieser räume die in der Anklage vorgeworfene Vergewaltigung und die versuchte Vergewaltigung ein, sage aber nichts zu den ihm vorgeworfenen exhibitionistischen Handlungen am frühen Morgen des 23. August.

Die beiden Angeklagten haben sich in der Kirchheimer Flüchtlingsunterkunft kennengelernt. Beiden ist es in ihrem Heimatland nicht gut ergangen. Ansarys Vater habe die Familie früh verlassen, seine Mutter sei kurz darauf gestorben – „aus Kummer“, erzählt er. Seine ältere Schwester – sie arbeite in der Hauptstadt Kabul als Englischlehrerin – habe ihm vor zwei Jahren mit 5000 US-Dollar die Flucht über den Iran und die Türkei nach Deutschland ermöglicht. Dass er in Haft sitze, wisse sie nicht: „Das wäre eine große Schande.“

Der gleichaltrige Habib ist auf dem Land aufgewachsen, sein Vater habe Mohnfelder bewirtschaftet und das Geld für die Familie als Drogenhändler verdient, lässt Habib den Dolmetscher übersetzen. Auch er rauche Haschisch und Opium. Er sei schließlich aus dem Dorf abgehauen und habe in der Stadt Bibeln an Schüler verkauft, weshalb ein islamischer Geistlicher ihn habe steinigen lassen wollen. Daraufhin habe er flüchten müssen. Habib befindet sich zurzeit in einem Gefängniskrankenhaus, weil er das Essen verweigert und Selbstmordgedanken hegt: „Nicht weil ich im Gefängnis bin, sondern weil ich diese Taten begangen habe.“ Die Verhandlung wird fortgesetzt.