Kirchheim hat alle Hände voll zu tun, den anerkannten Flüchtingen eine Bleibe zu bieten. Verschärfend kommt hinzu, dass auch die Zahl der Obdachlosen in der Stadt steigt.

Kirchheim - Der Handlungsdruck steigt. Inzwischen ist es nicht nur die Aufnahme und die Integration von anerkannten Asylbewerbern, die die Stadt Kirchheim vor eine große Herausforderung stellen. Auch die Zahl der Obdachlosen in der rund 40 000 Einwohner zählenden Stadt nimmt zu. Zusätzlich zu den in diesem Jahr bereits untergebrachten 40 Personen umfasst die Liste der noch dringend zur Unterbringung anstehenden Menschen weitere 58 Namen.

 

„Wir sind immer weniger in der Lage, diesen Bedarf zeitnah zu befriedigen“, sagt die Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker. Ihren Worten zufolge hat die Zunahme der Obdachlosigkeit in der Teckstadt vor allem zwei Ursachen. „Kommt es zu einer Trennung, dann gerät die verbleibende Partei schnell in Rückstand mit der Miete, und die Kündigung steht im Raum“, sagt sie. Häufig würde auch günstiger Wohnraum aufgekauft und in der Folge die darin wohnenden Mieter mit einer Eigenbedarfskündigung konfrontiert. Und dann gebe es noch Notfälle wie die beiden Familien, deren Häuser im Winter zum Raub der Flammen geworden waren.

Stadt an der Belastungsgrenze

„Unser städtischer Wohnungsbestand befindet sich an der Belastungsgrenze, auch weil sich die eingewiesenen Personen selten aus eigener Kraft helfen können“, sagt die Oberbürgermeisterin, die sich immerhin ein Stück weit auf die Solidarität der Kirchheimer verlassen kann. Rund 100 Personen, weit mehr als nach schleppendem Beginn zu erwarten war, sind in den vergangenen Jahren in Wohnungen untergebracht worden, die der Stadt von Privatleuten zur Anmietung angeboten worden sind. „Die Leute wollen meist, dass Flüchtlingsfamilien ein Dach über dem Kopf bekommen“, sagt die Stadtchefin.

Flüchtlinge als Nachbarn sind dagegen in der Stadt nicht immer wohlgelitten. Im laufenden Jahr muss die Stadt knapp 200 anerkannte Asylbewerber unterbringen. Wo auch immer Standorte für die Anschlussunterbringung ausgewiesen werden, regt sich der Widerstand der Anlieger. Aktuell begehrt eine Bürgerinitiative mit gleich zwei Petitionen gegen die Teilbebauung der Klosterwiese auf, am Ginsterweg in Ötlingen formiert sich der Widerstand, und auf dem Dreschplatz im Teilort Lindorf steht ein Rechtsverfahren einer zügigen Bebauung im Weg.

Warten auf das Geld vom Land

Immerhin werden in diesem Jahr noch die ersten Menschen in die Häuser auf dem Festplatz in Kirchheim-Jesingen und im Gebiet Am Hafenkäs einziehen. Wird die Kapazität dort ausgeschöpft, dann hätten 136 Menschen eine dauerhafte Unterkunft.

Ist das Schaffen von Wohnraum allein schon ein mühsames Geschäft, so ist die Finanzierung der neuen Häuser ein Wagnis mit offenem Ausgang. „Das Land hat in seinem Pakt für Integration insgesamt 150 Millionen Euro für die Jahre 2017 und 2018 in Aussicht gestellt. Es gibt aber bislang noch keine Verwaltungsvorschrift, die festlegt, wie das Geld abfließen soll“, klagt Angelika Matt-Heidecker. Für den Bau der rund ein Dutzend geplanten Anschluss- und Obdachlosenunterkünfte rechnet man im Kirchheimer Rathaus, verteilt auf fünf Jahre, mit Kosten in Höhe von rund 21,5 Millionen Euro.