Die Oberbürgermeisterwahl war der Höhepunkt des kommunalpolitischen Jahres in Kirchheim. Die Wählerinnen und Wähler haben für den Wechsel gestimmt.

Kirchheim - Die Rückschau auf das kommunalpolitische Jahr in Kirchheim beginnt mit einem Blick in die Zukunft. Am Freitag, 21. Februar 2020, wird die Stadthalle der Teckstadt aus den Nähten platzen. Das zu prophezeien muss man keine übersinnlichen Fähigkeiten besitzen. An diesem Tag wird Angelika Matt-Heidecker nach 16 Jahren an der Spitze der Stadt als Oberbürgermeisterin verabschiedet. Die Redner, auch dazu braucht es keinen Blick in die Glaskugel, werden die scheidende Amtschefin in den höchsten Tönen loben. Und – selten genug bei solchen Anlässen – sie werden alle recht haben.

 

Kirchheim ist finanziell gut aufgestellt, im Stadtbild verbreiten zahlreiche Baukräne eine Aufbruchstimmung, die Schullandschaft ist für künftige Herausforderungen gerüstet und der Gemeinderat hat, im Schulterschluss mit der Oberbürgermeisterin, alle wichtigen Projekte der vergangenen Jahre mit großer Mehrheit auf den Weg gebracht.

Oberbürgermeisterin muss den Kopf hinhalten

Trotzdem haben die Wählerinnen und Wähler der 40 000 Einwohner zählenden Großen Kreisstadt die Weichen neu gestellt. Sie haben ihre Ratschefin am 1. Dezember dieses Jahres ausrangiert und stattdessen den bislang unbekannten Referatsleiter im baden-württembergischen Umweltministerium, Pascal Bader, für die kommenden acht Jahre aufs Schild gehoben.

Der Wahlausgang und vor allem seine Deutlichkeit – 70,9 Prozent für den parteilosen Pascal Bader, 28,9 Prozent für die der SPD angehörenden Angelika Matt-Heidecker – haben weit über die Stadtgrenzen hinaus für Aufmerksamkeit gesorgt. Dass der 49 Jahre alte Herausforderer seine Bewerbungsunterlagen erst eine halbe Stunde vor Torschluss im Rathaus abgegeben hatte und er seinen Erfolg einer nur dreiwöchige Kampagne vor allem in den sozialen Medien verdankte, gibt dem Ergebnis zusätzliche Brisanz. „Ich kann das Votum der Wähler nicht mit der Politik in Kirchheim verbinden“, so die spontane Reaktion des Kirchheimer Landtagsabgeordneten und langjährigen Stadtrats, Andreas Kenner. Andersherum wird allerdings ein Schuh draus. Dass ein kommunalpolitisch unbedarfter Kandidat aus dem Nichts heraus derart am Gemeinderat vorbei ins Rathaus stürmt, ist kein Ruhmesblatt für das Gremium. Hans Kiefer, Stadtrat der Christlichen Initiative Kirchheim (CIK) hat es in seiner Stellungnahme für die Lokalzeitung auf den Punkt gebracht: „Der Gemeinderat ist eigentlich mit abgewählt worden. Wir haben die Dinge 16 Jahre lang gemeinsam entschieden, aber die Oberbürgermeisterin musste jetzt den Kopf dafür hinhalten.“

Nachdenklichkeit im Kollegenkreis

Und doch ist auch Andreas Kenner mit seiner Einschätzung nicht alleine. „Im Kreis der Oberbürgermeister haben wir uns gewundert“, formuliert es der Esslinger Oberbürgermeister, Jürgen Zieger (SPD), noch sehr zurückhaltend. Man nehme zur Kenntnis, dass es offensichtlich gelinge, mit sehr geringem Aufwand auch erfolgreiche Amtsinhaber aus dem Amt zu kippen. Das sorge für Diskussionen und Nachdenklichkeit im Kollegenkreis. Nachdenklich bis verbittert hatte auch die abgewählte Oberbürgermeisterin das unterirdische Ergebnis kommentiert. „Eine Zeit, in der so offensichtlich Populismus angesagt ist, ist nicht mehr meine Zeit", hat die 66 Jahre alte Kommunalpolitikerin noch am Wahlabend festgestellt. Sie werde sich jetzt wieder mehr der Familie widmen.

Kleine Pikanterie am Rande: Im März trifft sich der Gemeinderat zu einem Klausurwochenende, an dem die Leitplanken für die Schwerpunkte der Lokalpolitik in den nächsten Jahren gesetzt werden sollen. Die Leitung der Sitzung hat Pascal Bader. Die Tagesordnung aufzustellen und die Themen vorzubereiten, dass allerdings gehörte zu den letzten Amtshandlungen seiner Vorgängerin.

Nicht aus dem Handgelenk geschüttelt, sondern von langer Hand geplant ist eine weitere Zäsur in der Kirchheimer Politiklandschaft. Der CDU-Landtagsabgeordnete Karl Zimmermann hat im Juli bekannt gegeben, nicht mehr zur nächsten Wahl im Jahr 2021 antreten zu wollen. Er wolle frühzeitig eine faire und offene Nominierung für seine Nachfolge ermöglichen, so der ehemalige Kriminalhauptkommissar, der seit dem Jahr 2001 im Landtag sitzt.