Die Stadt hat eine Publikation herausgegeben, basierend auf den Zitaten des Mahnmals für die zivilen Opfer der Nazi-Herrschaft. Das Heft gibt den auf den Mahnmal-Spruchbändern angerissenen Schicksalen Namen und Gesicht.

Kirchheim - Die Zitate auf den Spruchbändern des Kirchheimer Mahnmals für die zivilen Opfer des Nationalsozialismus in Kirchheim erzählen von Tod, Leid und Ausgrenzung. Ergreifend, aber anonym. Diese zwischen namenslosem Schrecken und persönlichem Schicksal klaffende Lücke hat die Stadt jetzt geschlossen. Eine beeindruckende Publikation gibt den Opfern, an die die am Volkstrauertag 2017 eingeweihte Gedenkstätte auf dem Alten Friedhof erinnert, Namen und Gesicht.

 

„Erinnern.Wissen.Verantwortung“ist das Buch überschrieben, in dem die zum größten Teil von den Nationalsozialisten in ihrem Rassenwahn abgeschnittenen Lebenslinien der Opfer detailliert geschildert werden. Die individuellen Leidensgeschichten lassen den Leser innehalten auf dem Weg, den das von der Bildhauerin Monika Majer geschaffenen Mahnmal weist. Wenn das Mahnmal, wie es die Künstlerin beabsichtigt hat, einen Raum schafft, in dem die Opfer eine Stimme bekommen, so ist das Buch der Lautsprecher, der diese Stimmen auch zu Gehör bringt.

Euthanasieopfer, psychisch und physisch Kranke, Juden, Zigeuner, Landstreicher, Zwangsarbeiter, politisch Verfolgte – sie alle waren in erster Linie Kirchheimerinnen und Kirchheimer. Die direkte Betroffenheit ist der Ansatz, der der Publikation zugrunde liegt. Das betont auch die Kirchheimer Oberbürgermeisterin, Angelika Matt-Heidecker.

Zeichen der Trauer, aber auch Symbol des Widerstands

„Diese Menschen waren keine Fremden, es waren Freunde, Kollegen und Nachbarn unserer Eltern und Großeltern. Sie lernten in unseren Schulen arbeiteten in unseren Fabriken und engagierten sich in unseren Vereinen“, erinnert sie in ihrem Vorwort, um dann den gedanklichen Bogen in die Gegenwart zu schlagen. „Wir müssen widersprechen, wenn Menschen im Kollektiv verurteilt werden. Wir müssen gegen den Hass auf Andersdenkende aufstehen, damit dieser sich nicht weiter ausbreiten kann und erneut die Köpfe unserer Mitmenschen benebelt“, so die Rathauschefin, die das Mahnmal auf dem Friedhof nicht nur als Zeichen der Trauer und Würdigung, sondern auch als ein Symbol des Widerstands gegen Gleichgültigkeit, Unterdrückung und Gewalt einordnet

„Wir Kinder aus Kirchheim wurden in Konzentrationslagern ermordet“ – so lautet eines der ergreifendsten Spruchbänder des Mahnmals. Die Publikation erinnert an das kurze Leben der sechs Kinder, deren Todesurteil besiegelt war, als ihre Eltern – zwar deutsche Staatsangehörige, aber Juden oder Zigeuner – von den Nazis zu „Schädlingen für das deutsche Volk“ erklärt worden waren.

Jeanne Bernstein wurde 17 Jahre alt, die Zwillinge Gerd und Rolf Reutlinger wurden im Alter von vier Jahren erschossen. Brunhilde Rheinhardt starb im Alter von drei Jahren, ihr Bruder Siegfried einjährig. Für ein im Vernichtungslager Auschwitz geborenes Geschwisterchen reichte es nicht einmal zu einem Namen. Der Säugling mit der ins Beinchen tätowierten Nummer z-7940 überlebte nur wenige Tage. . .

Präsentation im Spitalkeller

Die begleitend zum Mahnmal für die zivilen Opfer des Nationalsozialismus in Kirchheim erschienene Publikation ist von der Stadt Kirchheim herausgegeben worden. Sie erzählt in 21 Kapiteln die Geschichten hinter den Schicksalen, auf die die an dem Mahnmal angebrachten Spruchbändern hinweisen. Das Heft ist, wie das Mahnmal selbst, zur Hälfte über Spenden aus der Bürgerschaft finanziert worden. Es ist zum Preis von zwölf Euro in den Kirchheimer Buchhandlungen, in der Stadtinfo und im Stadtarchiv Kirchheim erhältlich.


Am Dienstag, 26. Juni, stellen das Stadtarchiv Kirchheim und der Kirchheimer Literaturbeirat um 18.30 Uhr im Spitalkeller der Volkshochschule Kirchheim, Max-Eyth-Straße 18, die Dokumentation vor. Bei der Präsentation wird es neben einer Lesung mit Mareike Schmidts unter anderem eine Theateraufführung der Klasse 9d des Ludwig-Uhland-Gymnasiums geben.