Der Kirchheimer Naturforscher und Ornithologe Wulf Gatter ist von Liberias Staatschefin Ellen Johnson Sirleaf für seine Verdienste um die Wissenschaft mit dem Orden „Light in Darkness“ ausgezeichnet worden.
Kirchheim/Monrovia - Die Ordensverleihung an verdiente in- und ausländische Bürger ist ein traditioneller Programmpunkt am alljährlichen liberianischen Unabhängigkeitstag im Juli. Wulf Gatter war diesmal unter den Geehrten der einzige Europäer. Mit der Auszeichnung „Light in Darkness“, Licht in der Dunkelheit, wird Gatters Einsatz beim Aufbau der „University of Liberia“ in Monrovia, deren Ausstattung mit Forschungseinrichtungen und bei der Förderung der Jugend des Landes mit naturwissenschaftlichem und speziell ökologischem Grundwissen gewürdigt. Bei der Feierstunde im Außenministerium standen weitere Wissenschaftler und Diplomaten im Mittelpunkt, auch wurden posthum Ebola-Opfer geehrt. Über die Ordensvergabe durch Staatspräsidentin Ellen Johnson Sirleaf berichteten die Medien des Landes im großen Stil.
Der 73-jährige Kirchheimer kennt sich aus in dem westafrikanischen Land, unter dessen Bevölkerung viele Nachkommen einstiger Sklaven in den USA sind, deren Befreiung sich auch im Namen Liberia wiederfindet. Bereits 1981 brach Gatter mit seiner Frau Dorothea, einer Grund- und Hauptschullehrerin, und den beiden damals acht- und zwölfjährigen Kindern nach Afrika auf, um im Auftrag der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (damals GTZ, heute GIZ) im liberianischen Hinterland ein Aufforstungsprojekt im Regenwald zu begleiten. Für das vier Jahre währende Engagement war Wulf Gatter seinerzeit von der baden-württembergischen Forstverwaltung freigestellt worden. 1986 nahm er Sonderurlaub, um für die Weltnaturschutzorganisation IUCN in gut einem Vierteljahr einen bereits ausgewiesenen Nationalpark nach nachhaltigen Prinzipien zu organisieren.
Parallel zu seinem forstwirtschaftlichen Einsatz hat der Initiator der Vogelzugstation Randecker Maar und Verfasser eines wissenschaftlichen Standardwerks zum Vogelzug seine ornithologischen Studien auch in Afrika vorangetrieben. Daraus entstand in englischer Sprache eine grundlegende Arbeit über die Vogelwelt Liberias („Birds of Liberia“). Auch die Entdeckung einer Bülbül-Art (Phylastrephus leucolepis), verwandt mit der Nachtigall, geht auf Gatter zurück. 2003 hat der Kirchheimer bereits die Ehrendoktorwürde der University of Liberia erhalten.
Wulf Gatter, der über seine Zeit als Lenninger Forstamtsleiter hinaus ein ökologisches Lehrrevier auf der Alb betreut, hatte in Liberia in all den Jahren so manches Abenteuer zu bestehen. Das beginnt schon damit, dass während der Regenzeit von April bis Oktober die sechs- bis achtfache Niederschlagsmenge unserer Breiten fällt. Mit der Folge, dass Wege und Straßen grundlos werden und ein Fortkommen sich überaus mühsam gestaltet.
Auch warteten auf den Kirchheimer etliche Bewährungsproben für die weniger Widrigkeiten der Natur ursächlich waren, als vielmehr menschliche Gegenspieler auf den Plan traten. Einmal, so vermutet Gatter, hatte er sogar einem hochmögenden Staatsrepräsentanten eine Nacht im Gefängnis zu verdanken. Jedenfalls, so erinnert er sich, habe ihn die Polizei unverhofft festgenommen und erst am nächsten Morgen wieder laufen lassen. Eine mögliche Erklärung: Der Anonymus hatte ein begehrliches Auge auf den Lastwagen geworfen, mit dem normalerweise die Waldarbeiter transportiert werden – und konnte das Gefährt dank des Coups kurzerhand für seine Zwecke konfiszieren lassen.
Im Jahr 2003 geriet Wulf Gatter in Turbulenzen ganz anderer Dimension in dem von Unruhen und Bürgerkriegen heimgesuchten Staat. Damals waren Europäer und Amerikaner gewarnt worden, dass sich wieder Umstürzlerisches anbahnt – und man möglichst das Land verlassen solle. Auch Machthaber Charles Taylor, der sich später wegen seiner zwielichtigen Rolle in Sierra Leone vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag verantworten musste, soll damals das Land fluchtartig verlassen haben.
Wulf Gatter fühlt sich in Liberia zwei Naturschutzorganisationen verpflichtet und unterstützt sie mit Geld, das eine NABU-Bundesarbeitsgruppe verteilt; hinzu kommen Sponsorengelder. Nach seiner Beobachtung wird der afrikanische Staat derzeit „von Chinesen überrannt“. Wie sich das auf den Schutz des verbliebenen Rests des Regenwaldes längerfristig auswirkt, sei schwer zu sagen. Immerhin sei auf Anregung der UN und auf der Basis von Entschädigungszahlungen der Export von Tropenhölzern zumindest eingeschränkt worden.