Auf dem Alten Friedhof in Kirchheim soll künftig ein Mahnmal an die zivilen Opfer der Nazi-Herrschaft und des II. Weltkrieges erinnern. Die zugehörige Skulptur nimmt derzeit in der Werkstatt von Monika Majer Gestalt an.

Kirchheim - Auf nahezu jedem deutschen Friedhof gibt es ein Mahnmal, das an die im Krieg gefallenen Soldaten erinnert. Eine Gedenkstätte für die zivilen Opfer von Krieg und Willkürherrschaft sucht man meist vergebens. Nicht so in Kirchheim: Auf dem Alten Friedhof wird eine Skulptur künftig auch der Menschen gedenken, die in den Jahren zwischen 1933 und 1945 ihr Leben abseits der Schlachtfelder gelassen haben.

 

Juden, Euthanasieopfer, Zigeuner, Kriegsgefangene, Menschen auf der Flucht, Kommunisten, Homosexuelle, zivile Opfer von Luftangriffen – sie alle haben unter der Diktatur der Nationalsozialisten einen hohen Preis gezahlt. Um ihr vieltausendfaches Elend nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, haben die Stadtverwaltung und der Gemeinderat die Künstlerin Monika Majer beauftragt, ein Mahnmal zu gestalten. In ihrem Atelier in Weilheim-Hepsisau hat die freischaffende Bildhauerin ihrer Idee Gestalt verliehen. Der Feinschliff schließlich ist in einem gemeinsamen Prozess mit Jugendlichen im Kirchheimer Mehrgenerationenhaus Linde erarbeitet worden. Das kürzlich im Gemeinderat vorgestellte Ergebnis ist auf ungeteilte Zustimmung gestoßen.

Betrachter wird mit der ungeschminkten Wahrheit konfrontiert

Das Denkmal ist zusammengesetzt aus drei versetzt angeordneten Elementen, die ihrerseits aus eisernen, zwischen senkrechten Stangen gespannten Spruchbändern bestehen. Jedes der Bänder benennt ein Einzelschicksal, das in direktem Bezug zur Teckstadt steht. Beim Lesen der Spruchbänder wird der Betrachter mit ungeschminkten Wahrheiten konfrontiert. Auf rostfarbenem Untergrund stehen Sätze wie „Wegen meiner Behinderung hat man mich in Grafeneck vergast“, „Man hat uns als russische Kriegsgefangene in Kirchheim erschossen“, „Der Krieg holte unsere Männer und Söhne und ließ uns alleine zurück“ oder „Mich hat man als junge deutsche Frau auf der Flucht aus dem Osten zu Tode vergewaltigt“.

„Ich wollte nichts aus Stein Gemeißeltes hinstellen, sondern ein Denkmal, das zum Nachfühlen auffordert“, sagt Monika Majer. Mit der Vorstellung im Kopf habe sie sich auf den vorgesehenen Standort unter einer Blutbuche gestellt und gefragt: „Wie fühlt sich das an?“ Es hat sich gut angefühlt. Die Idee, die Schicksale in der Ich-Form zu personalisieren, hat ein junges Mädchen beigesteuert.

Monika Majers Ursprungsentwurf sieht 15 dieser Spruchbänder vor. Auf Anregung aus den Reihen des Gemeinderats könnten noch weitere Opfergruppen aufgenommen werden: psychisch kranke Menschen, Prostituierte, Landfahrer, Obdachlose. „Mir ist auch wichtig, dass auch unbeschriebene Bänder angebracht werden“, sagt die Künstlerin. Die Leerstellen sollen den Betrachter anregen, über sein eigenes Schicksal und seine Betroffenheit nachzudenken.

Spendenaktion beginnt am Tag des Gedenkens im Januar

Um das inklusive Bodenplatte und Material 43 000 Euro teure Kunstwerk zu finanzieren, wird, beginnend mit dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar, eine von den Kirchen unterstützte Spendenkampagne ins Leben gerufen. 11 000 Euro, so die Kalkulation, sollten über diesen Weg aufgebracht werden. Der Verschönerungsverein Kirchheim hat die Übernahme von 5000 Euro zugesagt und weitere 5000 Euro in Aussicht gestellt. Die noch fehlenden 22 000 Euro fließen aus der Stadtkasse. Am Totensonntag 2017 soll das Mahnmal eingeweiht werden.