Der Kirchheimer Club Bastion feiert am Wochenende 50. Geburtstag mit viel Musik den ganzen Samstag über. Die große Politik drückt allerdings auf die Stimmung.

Kirchheim - Die sieben Gründerväter haben seinerzeit ihr Kind in die begrifflichen Präzisierungen „kulturell, literarisch und politisch“ gewickelt und gebettet, wohl ahnend, dass auf den ehrenamtlich konzipierten Verein einiges an Aufgaben zukommen kann. Und sondiert man in diesem jubiläumsschwangeren Jahr 2018 die Beweggründe der Achtundsechziger zur Schaffung soziokultureller Zentren, dann eröffnet sich ein weites Feld: Das verbreitete Schweigen der Älteren zu den kollektiv-traumatischen Erfahrungen der NS-Zeit, Tendenzen zu Restauration und Autoritätsgläubigkeit, Notstandsgesetzgebung bei uns und den auch ökologisch geführten Krieg der Amerikaner in Vietnam, die Attentate auf Benno Ohnesorg und Rudi Dutschke. Andere wieder hatten ganz andere Präferenzen, etwa bei Musik, Literatur und Kleinkunst, oder aber sie mutierten schlicht zu ideologischen Kostgängern von Karl Marx bis Mao Tsetung.

 

Nacktauftritt zieht Rechtsstreitigkeiten nach sich

In der Kleinstadt Kirchheim waren es vornehmlich die heimischen Amateurjazzer und ihr Fananhang, die bei Festivals etwa auf Burg Waldeck mit Künstlern unterschiedlicher Stilrichtungen zusammenkamen – und so etwa die Liedermacher Reinhard Mey und Hannes Wader oder den Kabarettisten Hanns Dieter Hüsch in die Teckstadt einluden. Das anfängliche Domizil, ein kalter und feuchter Apfelkeller in Ötlingen, war freilich keine Empfehlung; erst der durch die Stadt ermöglichte Umzug in die Bastionsgruft brachte das Kulturprogramm auf Trab. Nicht gleich, denn der Nacktauftritt eines Otto Mühl verzögerte samt einem Schwanz von Rechtsstreitigkeiten den Start.

Zählte es bei früheren Jubiläen fest zur Chronistenpflicht, den Mühl Otto und seine Exerzitien aufs Neue zu bemühen, so ließ diesmal Clubmitglied Gerold Straub in der von ihm verfassten Jubiläumsbroschüre entschlossen die Finger von dem Thema. Denn es gäbe Wichtigeres: Durch den „politischen Populismus, gepaart mit der Denunzierung der öffentlichen Medien durch gezielte Desinformation“, schreibt Straub, „erfährt die Geschichte Europas eine gefährliche Kehrtwende“. Offensichtliches Ziel solcher Bestrebungen sei „die Rückkehr zu autoritären Staatssystemen“. Und: „Die Verhältnisse verlangen es wohl, dass der etwas angegraute Untertitel ‚politisch’ im Clubleben wieder an Bedeutung gewinnt.“

Kurdischer Asylbewerber sitzt neben CDU-Bundestagskandidat

Ähnlich hatte sich schon zum Vierzigjährigen das Gründungsmitglied Otwin Schierle geäußert. Neben einem ansprechenden Kulturprogramm sei es „wichtig, die gesellschaftlichen Veränderungen stets im Auge zu behalten“. Und bereits vor nunmehr 25 Jahren brachte der rührige Bastionike Gundhard Racki die Existenzberechtigung des Clubs auf diese Formel: „Wo sonst säßen der kurdische Asylant und der CDU-MdB an einem Tisch ?“

Um Jubiläen rankt sich Legendäres, aber es können sich auch Legenden einschleichen. Waren jetzt Led Zeppelin und Black Sabbath da, oder wie war das? Bei 70 bis 80 Konzerten im Jahr kann da schon mal was durcheinander kommen, vor allem, wenn man gleich ein halbes Jahrhundert Revue passieren lässt. Der Werbefachmann Gerold Straub hat sich als eine Art clubeigener Historienwahrer der Fleißarbeit unterzogen, auf sieben Plakaten die wichtigsten Punkte zu 50 Jahren Bastionsgeschehen aufzulisten – und parallel dazu die jeweils bedeutenden nationalen und internationalen Entwicklungen festzuhalten. Die Wandtafeln werden beim Jubiläumsfest erstmals in der Bastion und im Oktober in der oberen Max-Eyth-Straße auf Ständern gezeigt.

Musik ist in der Teckstadt – wie anderswo auch – schon immer gemacht und gepflegt worden. Aber als der Rock’n’Roll in den späten Fünfzigern aus den USA herüberschwappte, da hat sich zwischen den Jazzern und den Rock’n’Rollern unter sozialem Vorzeichen eine Kluft aufgetan. Daran erinnert Otwin Schierle, der bei der Jazzformation „Warm Six“ am Schlagzeug saß. Und Schierle spricht im Rückblick von zwei „Fraktionen“: Hier die Akademiker und Intellektuellen von der jazzigen Innung, dort die angeblich schlichteren Gemüter vom vermeintlichen rockigen Proletariat, wobei sich via Dixieland durchaus rhythmische Berührungspunkte ergaben.

Brückenschlag zwischen den Welten von Jazz und Rock’n’Roll

Drei „K“, die für Kaffeekranz Kirchheim standen, wiesen zehn Jahre vor der Bastionsgründung in einen verwinkelten Keller an der Schlachthausstraße. Das Verlies gehörte einem Fotografen namens Wiethüchter und der hatte es für 20 Deutsche Mark pro Monat den Rock’n’Rollern Dieter Höschle, Peter Kirschner, Wolfgang „Gaule“ Sing und Wolfgang Stocker überlassen. Das Quartett firmierte unter Sliders und war in der Stadt und der Umgebung bestens eingeführt.

Einerseits war die Nähe des Kaffeekränzles zum Hauswirtschaftlichen Seminar mit seiner rein weiblichen Schülerschaft ein großer Standortvorteil. Andererseits förderte dieser Umstand aber auch ganz offenbar unter den Musikern den Trend zur Familiengründung mit ihren so ganz anderen Prioritäten. Kurzum: Bei der Bastionseröffnung zehn Jahre später waren die Sliders als Band bereits so gut wie ein Stück Kirchheimer Vergangenheit.

In einem Punkt freilich – und diesmal runde 50 Jahre später – ist es zu einer Art musikalischem Brückenschlag zwischen den Welten von Jazz und Rock’n’Roll gekommen: Otwin Schierle an der Bluesharp und Wolfgang Sing, Gitarre und Gesang, bilden das Duo Vintage Bluesmen. Und natürlich sind die beiden auch beim Jubiläumsfest am Samstag mit von der Partie.

Ein Geburtstagsständchen für einen ganzen Tag

Reverenz
Die Bastion ist Fünfzig – und viele Musiker aus Stadt und Region erweisen ihr am Samstag, 29. September, mit einem fast ganztägigen Ständchen ihre Reverenz. Dazu ist der Eintritt jeweils frei.

Auftakt
Los geht’s so gegen 10.30 Uhr vor dem Rathaus mit dem Blues- und Rockmusiker Werner Dannemann. Er spielt mit einer eigens arrangierten Band, zu der auch Bläser gehören. Es folgen der Mundart-Barde Günther Wölfle, die Gruppe AcouPack mit Coversongs und die Musikschulband mit Hans-Peter Weyhmüller bietet Surf-Sound. Dazwischen taucht immer mal wieder der Clown Cicirelli auf.

Nachmittag
Um 16 Uhr folgt im Zelt vor der Bastion der zweite Teil des Musikaufgebots. Dazu werden Fred Osen mit dem Urban Folk Project, Otwin Schierle und Wolfgang Sing mit Folk-Blues, Hannes Spieth und Wet chicks mit Bluesrock, Georg Kobler mit Band und einem 50-Jahre-Potpourri, Paul Lawall und Alex Schultz schließlich mit „Bluesdelikatessen“ erwartet. Und gegen 20.30 Uhr heizen die Musiker von Lagerfeuer in der Bastion ein.

Programm
Zum Jubiläumsprogramm zählen noch sieben besondere Konzerte. Dabei sollen Künstler, die schon lange der Bastion verbunden sind, mit ihrem aktuellen Programm auftreten.