Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Abendmahlspraxis

Doch so sehr Franziskus auch die Gemeinsamkeiten betont, die Gründe für die Trennung wiegen schwer. Da sind zum einen die unterschiedlichen Lehren zum Abendmahl: Der Streit um die Abendmahlspraxis war einer der Hauptgründe für die Spaltung der abendländischen Christenheit.

 

Für Kathoiken werden in der Eucharistiefeier Brot und Wein in den Leib und in das Blut Christi gewandelt – was wortwörtlich zu verstehen ist. Sie sind dann real Leib und Blut Jesu Christi. Auch für Luther ist Christus wirklich präsent, aber nicht so, dass er in der Hostie aufbewahrt, angebetet und herumgetragen werden kann. Der Genfer Reformator Jean Calvin wiederum sieht die Besonderheit der Abendmahlsfeier im Glauben der Teilnehmer begründet. Für Huldrych Zwingli, ist die Feier lediglich ein Gedächtnisfest.

Erst 1973 – fast 500 Jahre nach Beginn der Kirchenspaltung – einigten sich die reformatorischen Kirchen in Europa auf eine Abendmahlsgemeinschaft. Bis dahin gingen Lutheraner und Reformierte getrennte Wege zum Abendmahl. 1975 lud schließlich die EKD alle Katholiken zur Teilnahme am Abendmahl ein – „weil Christus selbst dazu einlädt“, wie es in einer „Orientierungshilfe“ der EKD zum Abendmahl heißt.

Kirchliches Amtsverständnis

Auch beim Amtsverständnis tun sich tiefe Gräben auf: Nach katholischer Lehre sind evangelische Pfarrer nicht gültig geweiht – das sind nur Priester. Folglich können Protestanten die Eucharistie nicht rechtmäßig spenden. In der Evangelischen Kirche darf jeder Christ das Abendmahl feiern und die biblischen Einsetzungsworte „Das ist mein Leib“ – „Das ist mein Blut“ sprechen. In der Katholischen Kirche wäre dies ein Sakrileg.

Ungeachtet der Lehrunterschiede ist eine Annäherung unverkennbar. So hat man gegenseitige Beschimpfungen und historische Vorurteile in die Mottenkiste verbannt. Protestanten verunglimpften die Eucharistie jahrhundertelang als „Götzendienst“. Katholiken revanchierten sich, indem sie das Abendmahl als „fromme Übung“ abtaten.

Das Zeitalter der Gegenreformation

Anscheinend sieht die römische Kirche den einst von ihr gebannten Wittenberger Theologen heute mit ganz anderen Augen. Franziskus forderte in einer Predigt „eine aufmerksame und ehrliche Neubewertung der Absichten der Reformation und der Person Martin Luthers“. Der Jesuitenorden, dem Jorge Mario Bergoglio angehört, hat sich in diese Arbeit hineingekniet. Dabei war es ausgerechnet die 1534 vom Spanier Ignatius von Loyola (1491-1556) gegründete „Societas Jesu“, die zur Sperrspitze der katholischen Gegenwehr wurde.

Bei einer Veranstaltung der Jesuitenzeitschrift „La Civiltà Cattolica“, zu der auch Pfarrer Kruse eingeladen war, lobte der Jesuit Giancarlo Pani die „Aufrichtigkeit“ und „Rechtschaffenheit“ Luthers. Dieser habe in seinen 95 Thesen gegen den Ablasshandel berechtigte Fragen an die Kirche gestellt, eine Reflexion über den Glauben von Rom erbeten und nie eine Antwort bekommen. „Mir erscheint es schwerwiegend, dass die Kirche nicht mit ihm gesprochen und ihm ihre Position erläutert hat“, betonte Pani.

„Der Weg in Richtung der vollen Einheit ist offen“

Schon zuvor hatte der britische Jesuit Philip Endean auf erstaunliche Gemeinsamkeiten zwischen Luther und Ignatius hingewiesen. So hätten beide eine Erneuerung der Kirche und Reform des Priestertums angestrebt und ähnliche Erweckungserlebnisse gehabt, schrieb Endean 2011. Ignatius werde heute zu Unrecht als Bannerträger der Gegenreformation gesehen.

Von einer wirklichen Einheit sind beide Kirchen indes noch weit entfernt. Immerhin habeLuther die Tür zu einer möglichen ökumenischen Verständigung offen stehen lassen, befand kürzlich der emeritierte Kurienkardinal und frühere Bischof von Rottenburg-Stuttgart, Walter Kasper. „Der Weg in Richtung der vollen Einheit ist offen, so sehr dieser auch lang und voller Hindernisse sein mag“, schrieb der langjährige Präsident des vatikanischen Einheitsrats in der Vatikan-Zeitung „L’Osservatore Romano“.

„Gerade Franziskus hat ein großes Interesse an einem sachgemäßen Umgang mit Martin Luther“, ist Pfarrer Kruse überzeugt. Er habe erkannt, dass die Christen noch sehr viel stärker mit einer Stimme sprechen müssten. Auf dem gemeinsamen Forum mit Pani hielt Kruse einen Vortrag, in dem er betonte, dass Luther keine neue Kirche gründen und das Papsttum nicht abschaffen wollte. Franziskus tue das, was Luther von einem erneuerten Papsttum erwartete.

Der Papst begeistert

Kruses Text las auch Franziskus. Antonio Spadaro, Chefredakteur von „La Civiltà Cattolica“ und enger Ratgeber des Papstes, hatte ihn sogleich weitergeleitet. Zwei Tage später begegnete der Pastor dem Pontifex in der Basilika Sankt Paul vor den Mauern. „Da kam der Papst ganz fröhlich auf mich zu und gratulierte mir zu diesem Vortrag, bedankte sich und sagte, das sei ganz genau seine Sicht der Dinge“, erinnert sich Kruse.

Was Katholiken und Protestanten trennt

Abendmahlspraxis

Doch so sehr Franziskus auch die Gemeinsamkeiten betont, die Gründe für die Trennung wiegen schwer. Da sind zum einen die unterschiedlichen Lehren zum Abendmahl: Der Streit um die Abendmahlspraxis war einer der Hauptgründe für die Spaltung der abendländischen Christenheit.

Für Kathoiken werden in der Eucharistiefeier Brot und Wein in den Leib und in das Blut Christi gewandelt – was wortwörtlich zu verstehen ist. Sie sind dann real Leib und Blut Jesu Christi. Auch für Luther ist Christus wirklich präsent, aber nicht so, dass er in der Hostie aufbewahrt, angebetet und herumgetragen werden kann. Der Genfer Reformator Jean Calvin wiederum sieht die Besonderheit der Abendmahlsfeier im Glauben der Teilnehmer begründet. Für Huldrych Zwingli, ist die Feier lediglich ein Gedächtnisfest.

Erst 1973 – fast 500 Jahre nach Beginn der Kirchenspaltung – einigten sich die reformatorischen Kirchen in Europa auf eine Abendmahlsgemeinschaft. Bis dahin gingen Lutheraner und Reformierte getrennte Wege zum Abendmahl. 1975 lud schließlich die EKD alle Katholiken zur Teilnahme am Abendmahl ein – „weil Christus selbst dazu einlädt“, wie es in einer „Orientierungshilfe“ der EKD zum Abendmahl heißt.

Kirchliches Amtsverständnis

Auch beim Amtsverständnis tun sich tiefe Gräben auf: Nach katholischer Lehre sind evangelische Pfarrer nicht gültig geweiht – das sind nur Priester. Folglich können Protestanten die Eucharistie nicht rechtmäßig spenden. In der Evangelischen Kirche darf jeder Christ das Abendmahl feiern und die biblischen Einsetzungsworte „Das ist mein Leib“ – „Das ist mein Blut“ sprechen. In der Katholischen Kirche wäre dies ein Sakrileg.

Ungeachtet der Lehrunterschiede ist eine Annäherung unverkennbar. So hat man gegenseitige Beschimpfungen und historische Vorurteile in die Mottenkiste verbannt. Protestanten verunglimpften die Eucharistie jahrhundertelang als „Götzendienst“. Katholiken revanchierten sich, indem sie das Abendmahl als „fromme Übung“ abtaten.

Einheit in Vielfalt

Während die Katholische Kirche – auch unter Franziskus – darauf besteht, erst die volle Kirchengemeinschaft in allen strittigen Punkten zu erreichen, bevor man gemeinsam zum Altar geht, gibt sich die Evangelische Kirche bescheidener. Für sie ist das gemeinsame Abendmahl bereits konkreter Ausdruck gelebter Ökumene.

Volle Gemeinschaft mit Rom ist für Protestanten jedoch nur schwer vorstellbar. Denn sie müssten die päpstliche Unfehlbarkeit in Glaubens- und Sittenfragen anerkennen. Dafür aber ist Martin Luther nicht auf die kirchlichen Barrikaden gegangen.

Luther und die Juden

Luthers Judenhass – „ein entsetzlicher Irrweg“

Am 31. Oktober 1517 soll Martin Luther eigenhändig seine 95 Thesen eigenhändig an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg genagelt haben. Auch wenn es mit der Historizität des Ereignisses nicht sonderlich weit her ist, ist dies doch ein wichtiger Teil der Luther-Legende und der reformatorischen Kirchengeschichte. Doch Luther war nicht nur ein großer Reformator, sondern auch ein Antisemit. Sein Judenhass belastet bis heute sein Erbe in den evangelischen Kirchen.

„Ich bewundere Martin Luther“, erklärt Margot Käßmann, Luther-Botschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für das Reformationsjubiläum 2017. Aber sein Antisemitismus und Judenhass seien ein „entsetzlicher Irrweg“ gewesen. „Wir dürfen ihn nicht zum makellosen Helden stilisieren, sondern können seine Schattenseiten benennen. Luthers Schrift „Von den Juden und ihren Lügen“ von 1543 ist furchtbar. Ich kann sie kaum lesen. Es ist unverantwortlich, was er dort geschrieben hat.“

„Von den Juden und ihren Lügen“

Im Jahr 1543 veröffentlichte der deutsche Reformator sein Pamphlet „Von den Juden und ihren Lügen“. Eine üble Hetzschrift, die Luthers theologisches und praktisches Verhältnis zum Judentum und dessen Wirkungsgeschichte zusammenfasst. Seit dem Holocaust am jüdischen Volk und der modernen Antisemitismusforschung sind Luthers Sudeleien ein besonderes Thema – auch der christlichen Theologie.

Die heutige Forschung ist sich einig, dass Luthers Aussagen nicht rassistisch, wohl aber eindeutig antijudaistisch waren. Die evangelischen Kirchen taten sich schwer, diese Schattenseite ihres Idols offen zu beleuchten. Erst seit 1950 distanzierte sie sich allmählich von Luthers Judenfeindlichkeit und ihren historischen Auswirkungen in der Geschichte des Protestantismus.

Luthers „dunkle Seiten“

In Luthers Schrift „Von den Juden und ihren Lügen“ finden sich Handlungsanweisungen zum Umgang mit Juden. So fordert er, „dass man ihre Synagogen oder Schulen mit Feuer anstecke und, was nicht verbrennen will, mit Erde überhäufe“ und „dass man ihre Häuser desgleichen zerbreche und zerstöre, denn sie treiben ebendasselbe darin, das sie in ihre Schulen treiben.“

Margot Käßmann lehnt es ab, diese „dunklen Seiten Luthers“ zu verschweigen. Seine Einstellungen gegenüber den Juden seien nicht nur „Schattenseiten“, sondern ein Grundzug seiner gesamten Theologie. „Das ist eine große Belastung und wir können das nicht schönreden.“

Die Reformation

Epochaler Einschnitt

Neben der Renaissance und Französischen Revolution gehört die Reformation zu den wichtigsten politischen und geistesgeschichtlichen Bewegungen Europas. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts beendete sie die Vorherrschaft des Papstes – Adel und katholische Kirche verloren an Macht, protestantische Kirchen entstanden. Die Reformation (lateinisch: Umgestaltung) und die sich anschließende Spaltung der Kirche gilt als Zäsur zwischen Mittelalter und Neuzeit, als wesentlicher Schritt hin zu einer neuen Kirchen- und Weltordnung. Zu ihren Grundlagen gehörten die 95 Thesen Martin Luthers (1483-1546), mit denen der Wittenberger Theologe seit 1517 gegen den Ablasshandel zu Felde zog, der in der katholischen Kirche blühte. Durch den um 1450 erfundenen Buchdruck fanden Luthers reformatorische Schriften schnell Verbreitung – in der jeweiligen Landessprache und nicht mehr in Latein. Nationalsprachen und -kulturen entwickelten sich, neue Schulsysteme trugen zur Bildung des breiten Volkes bei. Als christliche Erneuerungsbewegung beseitigte die Reformation auch religiös begründete Beschränkungen von Handel und Bankwesen und ebnete den Weg für die Entwicklung der modernen Wirtschaft.

500 Jahre Reformation

Offiziell ist erst der 31. Oktober 2017 der Gedenktag an die Reformation vor 500 Jahren. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die Landeskirchen beginnen schon ein Jahr vorher mit den Jubiläumsfeiern. Am 2. Oktober 2016 weihen Bundespräsident Joachim Gauck und Königin Margrethe II. von Dänemark nach langjähriger Renovierung die Schlosskirche zu Wittenberg wieder ein.

31. Oktober 2016: Eröffnungsgottesdienst zum Reformationsjubiläum in der Berliner Marienkirche. Im schwedischen Lund feiert Papst Franziskus einen ökumenischen Gottesdienst. Im Herbst gibt es eine Pilgerreise von Spitzenvertretern beider Kirchen nach Israel und Palästina.

9. Februar 2017: Ökumenischer Bibelkongress in Stuttgart.

11. März 2017: „Versöhnungsgottesdienst“ mit den Spitzen der evangelischen und der katholischen Kirche in Hildesheim.

24. bis 28. Mai: Deutscher Evangelischer Kirchentag in Berlin und Wittenberg. Abschluss-Gottesdienst in Wittenberg.

31. Oktober 2017: Gottesdienst in Wittenberg mit dem EKD-Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm.