Warum also gerade er? Seine Lebensgefährtin Ulrike Muhr ist eine bekannte Rechtsanwältin, spezialisiert auf kirchliches Arbeitsrecht. Sie hat vor ihm schon andere entlassene Kirchenmusiker verteidigt. Der Kampf für ihn war eine gute Werbung für ihre Kanzlei. Das verleiht der Geschichte eine gewisse Pikanterie. Bernhard Schüth will das nicht kommentieren. Er sagt: „Ich bin der erste Fall, dem gekündigt wurde, weil er privat sein neues Lebensglück gefunden hat.“

 

Der Organist klagte gegen seine Entlassung. In den ersten beiden Instanzen bekam er recht. Doch dann überwies das Bundesarbeitsgericht das Verfahren wegen einer Formalie zurück ans Landesarbeitsgericht Düsseldorf, und dieses Mal verlor Schüth. Er legte Verfassungsbeschwerde ein, doch ohne Erfolg.

Für die Kirche schien der Fall damit erledigt. Für Schüth und seine Anwältin fing er erst an. Ulrike Muhr ist eine quirlige Frau in den Fünfzigern, eine, die Klartext spricht. Wenn es um ihren Lebensgefährten geht, redet sie von „Herrn Schüth“. Das gebiete die professionelle Distanz. Doch natürlich ist sein Fall auch ihr Fall. Es geht um 320 000 Euro, um entgangenes Gehalt und entgangene Rentenansprüche. Aber das ist nicht alles. Da ist ihre Tochter Salomé, inzwischen 16 Jahre alt, eloquent wie ihre Mutter, musikalisch wie ihr Vater. „Voll krass“ findet Salomé, dass die Kirche ihre Zeugung zum Anlass genommen hat, ihren Vater vor die Tür zu setzen. Mit vierzehn ist sie aus der katholischen Kirche ausgetreten. Sie sagt, ihre Oma habe schon geschluckt, aber es musste sein. Ein Akt der Rebellion? „Ja, auch“, sagt sie.

Bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte

Ihre Eltern wären 2010 aber wohl nicht bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg gegangen, wenn es ihnen in diesem Prozess nicht auch um die Frage ginge, wie weit sich die Kirche in die Privatangelegenheiten ihrer Mitarbeiter einmischen darf. Die staatliche Rechtsprechung in Deutschland gilt immer noch als kirchenfreundlich. Die EU hat das moniert, als der Bundestag 2006 das Antidiskriminierungsgesetz verabschiedete. Danach darf niemand wegen seiner Religion benachteiligt werden. Die kirchliche Rechtsprechung berührt dieses Gesetz aber nicht. Beide Volkskirchen haben sich eine Sonderregel ausgehandelt.

Doch im Fall Schüth ging die katholische Kirche sogar noch einen Schritt weiter. Ob er bereit sei, sich von seiner schwangeren Freundin zu trennen? Schüth dachte, er hätte sich verhört. Ihm wurde gekündigt – wegen Ehebruchs, so lautet die offizielle Begründung. Schüth weigert sich, das zu akzeptieren. An seiner Arbeit hatte es bis dahin nie Kritik gegeben.

Die neue Frau an seiner Seite ist Rechtsanwältin

Warum also gerade er? Seine Lebensgefährtin Ulrike Muhr ist eine bekannte Rechtsanwältin, spezialisiert auf kirchliches Arbeitsrecht. Sie hat vor ihm schon andere entlassene Kirchenmusiker verteidigt. Der Kampf für ihn war eine gute Werbung für ihre Kanzlei. Das verleiht der Geschichte eine gewisse Pikanterie. Bernhard Schüth will das nicht kommentieren. Er sagt: „Ich bin der erste Fall, dem gekündigt wurde, weil er privat sein neues Lebensglück gefunden hat.“

Der Organist klagte gegen seine Entlassung. In den ersten beiden Instanzen bekam er recht. Doch dann überwies das Bundesarbeitsgericht das Verfahren wegen einer Formalie zurück ans Landesarbeitsgericht Düsseldorf, und dieses Mal verlor Schüth. Er legte Verfassungsbeschwerde ein, doch ohne Erfolg.

Für die Kirche schien der Fall damit erledigt. Für Schüth und seine Anwältin fing er erst an. Ulrike Muhr ist eine quirlige Frau in den Fünfzigern, eine, die Klartext spricht. Wenn es um ihren Lebensgefährten geht, redet sie von „Herrn Schüth“. Das gebiete die professionelle Distanz. Doch natürlich ist sein Fall auch ihr Fall. Es geht um 320 000 Euro, um entgangenes Gehalt und entgangene Rentenansprüche. Aber das ist nicht alles. Da ist ihre Tochter Salomé, inzwischen 16 Jahre alt, eloquent wie ihre Mutter, musikalisch wie ihr Vater. „Voll krass“ findet Salomé, dass die Kirche ihre Zeugung zum Anlass genommen hat, ihren Vater vor die Tür zu setzen. Mit vierzehn ist sie aus der katholischen Kirche ausgetreten. Sie sagt, ihre Oma habe schon geschluckt, aber es musste sein. Ein Akt der Rebellion? „Ja, auch“, sagt sie.

Bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte

Ihre Eltern wären 2010 aber wohl nicht bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg gegangen, wenn es ihnen in diesem Prozess nicht auch um die Frage ginge, wie weit sich die Kirche in die Privatangelegenheiten ihrer Mitarbeiter einmischen darf. Die staatliche Rechtsprechung in Deutschland gilt immer noch als kirchenfreundlich. Die EU hat das moniert, als der Bundestag 2006 das Antidiskriminierungsgesetz verabschiedete. Danach darf niemand wegen seiner Religion benachteiligt werden. Die kirchliche Rechtsprechung berührt dieses Gesetz aber nicht. Beide Volkskirchen haben sich eine Sonderregel ausgehandelt.

Im Fall Schüth erklärte der Gerichtshof in Straßburg 2010 die Kündigung zwar nicht explizit für rechtswidrig, aber das Urteil war ein Warnschuss in Richtung der Arbeitsgerichte. Die, so monierten die Straßburger Richter, hätten Schüths Recht auf Privatsphäre gegen die Interessen des Arbeitgebers abwägen müssen. Sein Job sei nicht so eng mit dem Verkündigungsauftrag verbunden, dass sein neuer Beziehungsstatus die Glaubwürdigkeit der Kirche erschüttern könne, entschieden die Richter. Das Verfahren müsse in Deutschland noch einmal neu aufgerollt werden.

Ein Urteil mit Signalwirkung

Das Urteil hatte Signalwirkung. Schließlich sind die Volkskirchen die größten Arbeitgeber in Deutschland. Allein die Caritas beschäftigt bundesweit 559 000 Mitarbeiter in 25 000 Einrichtungen, vom Kindergarten bis zum Seniorenheim. Die Einrichtungen gelten als das Aushängeschild der Kirchen. Deshalb haben sich diese lange das Recht vorbehalten, Stellen mit getauften Bewerbern zu besetzen. Angesichts des demografischen Wandels wird es jedoch immer schwieriger, Personal zu finden, das zum eigenen Profil passt. Bei der Caritas heißt es, besonders in der Pflege gäbe es Engpässe. Höchste Zeit für die Kirchen, auch das Arbeitsrecht an die neuen Anforderungen anzupassen, fordert Thomas Schüller, ein katholischer Kirchenrechtler an der Universität Münster. „Wenn die Normen nicht mehr mit der Realität übereinstimmen, muss man sich fragen, ob das Konstrukt noch taugt.“

Die katholische Kirche hat das Thema auf ihrer Agenda. Noch in diesem Jahr soll eine Arbeitsgruppe um den Essener Bischof Franz-Josef Overbeck der Bischofskonferenz Vorschläge vorlegen. Über Inhalte will der Bischof nichts sagen. Juristen gehen jedoch davon aus, dass die Kirche um Öffnungen nicht herumkommen wird.

Den Kirchenmusiker Schüth würde das freuen. In seiner Sache kam er nicht weiter. Gegen die jüngste Niederlage vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf geht er in Revision. Seine Hoffnung ruht auf dem Bundesverfassungsgericht. Vor dem höchsten Gericht will er eine komplette Neuaufnahme des Verfahrens erstreiten. Schüth sagt: „Wenn wir dort nicht weiterkommen, ziehen wir wieder vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.“

Es ist eine Sisyphosarbeit, doch Schüth lässt sich davon nicht abschrecken. Er hat jetzt eine halbe Stelle bei einer evangelischen Kirchengemeinde. Mehr Stunden darf er dort als Katholik nicht arbeiten. Noch so ein Fallstrick des kirchlichen Arbeitsrechts. Was ihm bleibt, ist viel Zeit für die Kinder. Fotos von Salomé und ihren Halbschwestern hängen im Wohnzimmer in einem Einfamilienhaus mit Schaukel im Garten. Schüth sagt, die Familie sei die Quelle seiner Kraft.