Kirchturmsanierung in Hildrizhausen Ein Fußboden voller Rätsel

Pfarrer Andreas Roß vor der vom losen Schutt befreiten Grube: Rechts die rötliche und die dunklere Schicht darunter sind von Menschen gemacht und unter der links sichtbaren Ascheschicht wurde eine Tonscherbe gefunden. Foto: Käthe Ruess

Auch kurz vor Abschluss der Sanierungsarbeiten ist der Kirchturm der Nikomedeskirche in Hildrizhausen noch für Überraschungen gut.

Normalerweise geht der Blick in der Turmkapelle der Hildrizhausener Nikomedeskirche gen Decke zu den Fresken aus dem 14. Jahrhundert mit denen das Deckengewölbe verziert ist. Aktuell jedoch liegt der Fokus auf dem Fußboden des Raums im Erdgeschoss des Turms.

 

Beim finalen Abschnitt der Kirchturmsanierung war dort nämlich der Fußboden entfernt worden, um im wahrsten Sinne des Wortes den in den letzten Jahrzehnten deutlich sichtbar gewordenen Schäden auf den Grund zu gehen, die Fachleute Versalzungsschäden nennen.

Die Feuchtigkeit kriecht die Wände hoch

Verursacht worden seien diese durch den in den 1970er-Jahren eingezogenen Spaltklinkerboden, der in Estrich verlegt worden sei, berichtet Andreas Roß, der Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Hildrizhausen. Der sei zwar bequemer zum Laufen gewesen, leider aber absolut undurchlässig für die im Boden vorhandene Feuchtigkeit. Stattdessen kroch diese dann in den Wänden nach oben und verursachte dort die sogenannten Salpeterausblühungen.

Um diesen Vorgang zu stoppen, musste der eingebaute Fußboden entfernt werden, erklärt Andreas Roß. Und wie so oft bei alten Gebäuden, wurden sie auch hier überrascht – dieses Mal sind es archäologische Funde, die gleich mehrere Fragen aufwerfen.

Vom südlichen Eingang der Turmkapelle aus betrachtet, fallen zuerst im rechten Bereich die verschieden großen Sandsteinplatten ins Auge, die rund zwei Drittel des Bodens bedecken. Darüber, wie alt diese seien und wo sie eventuell zuvor schon verbaut waren, lasse sich nichts sagen. Zudem bleibt die Frage, warum die Platten nicht im rechten Winkel an der Ostwand ausgerichtet sind, sondern schräg dazu verlegt wurden, unbeantwortet.

Interessant findet Roß in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass sich ältere Gemeindemitglieder an die Sandsteinplatten sogar noch erinnern können. „Da sind wir gestanden, als wir als Konfirmanden die Glocken geläutet haben“, hätten ihm einige berichtet. Das müsse dann vor den 1960er-Jahren gewesen sein, bevor das Glockengeläut automatisiert wurde.

Warum gibt es diesen hochwertigen Boden an dieser Stelle

Archäologisch viel bedeutsamer ist jedoch der Ziegelsplitt-Terrazzo, der den größten Teil der übrigen Fläche bedeckt, an den sich aber niemand mehr erinnern konnte. Als „extrem hochwertigen Boden aus dem Mittelalter“ hätten ihn die Archäologen beschrieben, die diesen in einem Abschnitt freigelegt haben.

Der Ziegelsplitterterrazzo-Boden im Detail Foto: Käthe Ruess

Auch über das Alter des Terrazzos ist nichts bekannt. Möglich wäre, dass zu dessen Herstellung alte Dachziegel verwendet wurden, die bei der Erneuerung des Dachstuhls abgeräumt worden waren. Stattgefunden haben diese Arbeiten anno 1368, wie dendrochronologische Untersuchungen gezeigt haben, also Untersuchungen, bei denen das Alter der Holzbalken mithilfe der Jahresringe ermittelt wird. Dann würde der Terrazzo aus der Erbauungszeit des Kirchturms stammen. Dieser wurde in den Jahren 1365 bis 1368 im gotischen Stil an die romanische Kirche angebaut, die wohl am Ende des elften Jahrhunderts errichtet wurde.

Der historische Boden wird unter einem neuen bewahrt

Neben den Bodenbelägen haben die Archäologen zudem eine kleine Grube nahe der westlichen Turmwand genauer untersucht, die mit losem Material wieder verfüllt worden war. Wer dort schon zuvor gegraben hat, und warum, ist auch nicht bekannt. An einer Seitenwand der Vertiefung lassen sich rechts eindeutig zwei Schichten – die obere rötlich, die untere dunkel – erkennen, die beide menschengemacht sind. Links davon ist zudem eine Ascheschicht. Diese und auch eine Tonscherbe, die Archäologen darunter entdeckt haben, werden nun mit wissenschaftlichen Methoden datiert. „Da warten wir sehnsüchtig auf die Ergebnisse.“

Um den historischen Boden zu bewahren, wird dieser in Absprache mit dem Denkmalschutz wieder unter einem neuen Fußboden verschwinden – dieses Mal in diffusionsoffener Ausführung. „Wenn der Boden drin ist, ist alles fertig“ sagt Andreas Roß, der sich darüber freut, dass die Kirchengemeinde nun bald einen Schlusspunkt hinter die Turmsanierung setzen kann.

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