Höchstinstanzlich gewinnen und weiter hohe Sanierungszuschüsse erhalten oder die alte Johanneskirche aufgeben. Das sind die beiden Alternativen, vor denen der Pfarrer seine Gingener Kirchengemeinde sieht.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Gingen/Leipzig - Der so genannte Kirchturmstreit von Gingen geht in eine neue Runde. Um sich auch künftig eine deutliche Beteiligung der Kommune an den Unterhaltskosten für Kirchturm, Uhr und Glocken der 550 Jahre alten Johanneskirche zu sichern, werde die evangelische Kirchengemeinde vor das Bundesverwaltungsgericht ziehen, erklärte der Gemeindepfarrer Matthias Krauter. Zwar hatte der Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim eine Revision gegen sein Urteil ausgeschlossen. Dagegen werde die Kirchengemeinde aber mit einer Nichtzulassungsbeschwerde vorgehen, kündigte Krauter an.

 

Für die Kirchengemeinde beliefen sich die Prozesskosten mittlerweile auf einen fünfstelligen Betrag. Es gehe jedoch um einen Präzedenzfall. „Wenn wir es nicht durchfechten, muss eine andere Kirchengemeinde wieder bei Null anfangen“, sagte Krauter. Auch der VGH hatte bei der Veröffentlichung seines Urteils darauf hingewiesen, dass seinem Richterspruch eine Signalwirkung für ganz Württemberg zukommen dürfte. So erlebt es auch der Gingener Bürgermeister Marius Hick. Er habe in den vergangenen Tagen etliche Anrufe aus anderen Städten und Gemeinden bekommen. Im ganzen Land wollten Bürgermeister ebenfalls ihre Beiträge zur Sanierung alter Kirchengebäude drücken.

Die Zahlpflicht der Kommunen resultiert aus dem württembergischen Kirchengemeindegesetz von 1887. Darin wird festgestellt, dass Kirchtürme, Kirchenuhren und Kirchenglocken von der Allgemeinheit benützt würden und deshalb ein öffentliches Interesse daran bestünde. Die bürgerliche Gemeinde sei verpflichtet, „einen dem Maße dieser Benützung entsprechenden Anteil an den Kosten der Instandhaltung dieser Gegenstände zu übernehmen.“ In Gingen bedeutete dies, dass die Kommune bisher fünf Sechstel der Sanierungskosten zu tragen hatte. Das VGH senkte diesen Anteil auf ein Drittel. Uhr und Kirchturm hätten ihre Bedeutung verloren. Allerdings werbe die Kommune noch mit der Kirche und führe den Turm in ihrem Wappen .

Das Urteil sei „für die gesamte Landeskirche ein ziemlicher Hammer“, sagte Krauter, der in erster Instanz noch gewonnen hatte . Unter den nun geltenden Vorzeichen könnten weder die Johanneskirche noch viele andere Gotteshäuser im Land erhalten werden. Zuletzt war das spätgotische Kirchlein im Jahr 2004 für 500 000 Euro saniert worden. Solche Investitionen könne eine Kirchengemeinde nicht ohne große Hilfe tragen. Auf lange Sicht werde man die Kirche wohl aufgeben müssen. „Wir brauchen sie auch nicht unbedingt“, sagte Krauter. Schon jetzt spiele sich das Gemeindeleben weitgehend im Gemeindehaus ab.