Die Zeit des Kita-Ausbaus ist eine Phase der Kompromisse gewesen, sagt die Diözesanrätin Irme Stetter-Karp im Interview mit der StZ. Doch die müsse jetzt beendet sein.

Stuttgart – - Frau Stetter-Karp, wie bewerten Sie den Rechtsanspruch für Kleinkinder auf einen Kitaplatz?
Er ist grundsätzlich positiv zur Unterstützung der Kinder und der Eltern, oftmals zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Deshalb gab es auch von der Diözese Rottenburg-Stuttgart ein klares Ja zur U3-Entwicklung. Seit 2007 ist die Zahl der Betreuungsplätze für Kleinkinder bei unseren katholischen Trägern um das 3,5-Fache auf 4656 Plätze angestiegen. Die kirchlichen Träger haben einen großen Anteil an dem Ausbau. Ein Drittel aller U3-Plätze im Südwesten wird von den beiden Landeskirchen sowie den beiden Diözesen bereitgestellt. Wir dürfen aber nicht darüber hinwegsehen, dass die derzeitige Entwicklung Risiken birgt.
Welche Risiken sehen Sie?
Wir befinden uns in einer Phase der Kompromisse, weil wir angesichts des massiven Nachholbedarfs in Baden-Württemberg beim Kitaausbau eine Konzentration auf die Quantität erleben. Das Land hat die Verantwortung für die Qualität, die durch festgelegte Rahmenbedingungen gesichert werden muss, zu Gunsten des U3-Ausbaus hintangestellt und es den Trägern auferlegt, diese pädagogische Qualität sicherzustellen.
Woran machen Sie das fest?
Es gibt in Baden-Württemberg einen Orientierungsplan für die Betreuungsarbeit in Kindertagesstätten, der inhaltliche Ziele festlegt. Bei der Neufassung im Jahr 2011 plante die Landesregierung nach eigenem Bekunden, den Orientierungsplan verbindlich einzuführen und gegebenenfalls für den Kleinkindbereich zu erweitern. Das ist aber politisch nicht geschehen. Jetzt sollte die Landesregierung zeigen, dass sie es ernst meint mit dem Orientierungsplan. Wir haben Verbesserungsbedarf bei der Strukturqualität. Das zeigt auch die Studie mit dem Titel „Nationale Untersuchung zur Bildung, Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit“, die das Bundesfamilienministerium gefördert hat. Die bisherigen Kompromisse waren notwendig, aber jetzt beginnt das Ringen um die Sicherstellung der Qualität.
Irme Stetter-Karp Foto: privat
Welche konkreten Punkte sind besonders wichtig?
Eine Notwendigkeit ist beispielsweise die gesicherte Freistellung der Einrichtungsleitung. Sie muss im Personalschlüssel fest verankert werden.
Welche Baustellen gibt es noch?
In Baden-Württemberg fehlen nach Hochrechnungen des Kultusministeriums bis zu 7000 Erzieherinnen. Das Land hat vor gut einem Jahr das neue Ausbildungsmodell der sogenannte Praxisorientierten Ausbildung (PIA) aufgelegt. Natürlich beteiligen wir uns daran. Aber das geht nicht weit genug. Den Erzieherinnen wurde immer mehr aufgeladen: die Dokumentation der Kindesentwicklung, die Sprachförderung und so weiter. Die Frage ist doch: Wie attraktiv ist der Beruf? Und das hängt stark von den Rahmenbedingungen ab, beispielsweise ob ausreichend Zeit für die Kinder da ist. Gruppengrößen und Personalschlüssel entscheiden auch über die pädagogische Qualität. Wir müssen die Arbeitsbedingungen der Erzieherinnen verbessern – vor allem auch im Interesse der Kinder.