Ausgerechnet Familien mit geringem Einkommen werden bei Kita-Beiträgen verhältnismäßig stark belastet. Jetzt kommt Bewegung ins Thema Gebührenfreiheit - zum 1. August entlasten mehrere Länder die Eltern.

Berlin/Hannover - „Entlastung von Eltern bei den Gebühren bis hin zur Gebührenfreiheit“ - das verspricht der Koalitionsvertrag von Union und SPD den Kita-Eltern. Gebührenfreie Kitas von der Ostsee bis zum Bodensee? Davon ist Deutschland noch weit entfernt - doch zum 1. August werden viele Eltern tatsächlich entlastet.

 

Das erste Bundesland, das die Kita-Gebühren komplett abschafft, ist Berlin. Eltern müssen für die Betreuung ihrer Kinder in Kitas oder bei Tagesmüttern hier künftig generell keine Beiträge mehr zahlen. Ab 1. August kostet die Kinderbetreuung auch für Kinder unter einem Jahr nichts mehr; die anderen fünf Jahre vor Schulbeginn waren schon seit 2007 schrittweise beitragsfrei gestellt worden. Auch in Zukunft müssen Eltern aber das Essen in den Kitas finanzieren - in der Regel 23 Euro monatlich.

Im Vorreiterland Rheinland-Pfalz gibt es die Beitragsfreiheit für Kinder ab zwei Jahren bereits seit 2010. In Niedersachsen und Hessen ist die Kinderbetreuung ab 1. August für Kinder ab drei Jahren beitragsfrei. Auch Brandenburg steigt ein: Ab 1. August müssen Eltern zunächst für das letzte Kita-Jahr kein Geld mehr zahlen.

Günter Bardeck findet den Schritt zur Beitragsfreiheit längst überfällig. Derzeit besuchen seine fünfjährigen Zwillingssöhne und die vierjährige Tochter die Sommerbetreuung ihrer Kita im niedersächsischen Mellendorf. Der 47-jährige Selbstständige aus der Wedemark bei Hannover sagt: „Bislang habe ich im Monat rund 600 Euro für den Kindergarten überwiesen.“

Nur noch für das Essen zahlen

Ab August wird Bardeck nur noch für das Essen in der Kita zahlen - die Betreuung ist dann beitragsfrei. „Seit den 80er Jahren wird in der Politik davon geredet“, sagt Bardeck. Nun sei es höchste Zeit für den Schritt. Ähnlich sieht das Britta Vogl, deren Tochter Pauline (4) eine Kita in der Wedemark besucht. „Wir haben drei Kinder. Wenn ich bedenke, was da an Beiträgen zusammenkommt - das reicht für die Anschaffung eines Kleinwagens“, hat die Bankkauffrau ausgerechnet.

Bundesländer wie Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern haben die kostenlose Kita langfristig avisiert. In Niedersachsen war bislang nur das letzte Kita-Jahr vor der Einschulung gebührenfrei. Landes-Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) spricht von einem „bildungspolitischen Meilenstein“. Sorgen gibt es aber bei den kleineren freien Kita-Trägern: Sie befürchten, dass die kurzfristige Umstellung der Finanzierung für sie im neuen Kita-Jahr zu Anlaufschwierigkeiten führen könnte.

Wie funktioniert Gebührenfreiheit? Niedersachsen hat - um den Wegfall der Elterngebühren zu kompensieren - in seinem Nachtragshaushalt für das laufende Jahr 109 Millionen Euro eingeplant. Für 2019 sind 270 Millionen Euro veranschlagt. Aus Bundesmitteln sollen zusätzlich bis zum Jahr 2022 noch 328 Millionen Euro fließen. Statt wie bisher 20 Prozent der Personalkosten erstattet das Land den Kita-Trägern zunächst 55, bis 2021 dann 58 Prozent. Dafür sollen freie wie kommunale Träger für bis zu achtstündige Betreuung keine Gebühren mehr nehmen.

Vom Bund fließen in den kommenden Jahren Milliarden für die Kitas. Familienministerin Franziska Giffey (SPD) konnte bei den Haushaltsberatungen im Bundestag kürzlich verkünden, dass die Mittel noch einmal aufgestockt werden. Geplant waren 3,5 Milliarden Euro - nun sollen es bis zum Jahr 2022 insgesamt 5,5 Milliarden Euro sein. Oberstes Ziel ist aber nicht Gebührenfreiheit, sondern Verbesserungen der Betreuung. Kitas sollen davon ebenso profitieren wie die Kindertagespflege.

Stärkere Qualifizierung der Erzieher

Giffeys Entwurf für ein Gute-Kita-Gesetz soll unter anderem für verbesserte Betreuungsschlüssel und eine stärkere Qualifizierung der Erzieher sorgen. Gleichzeitig soll es aber auch dazu beitragen, dass für Eltern weniger Gebühren anfallen. Am Ziel, dass Kitas schrittweise beitragsfrei werden, hält Giffey ausdrücklich fest. Hohe Elternbeiträge könnten eine Hürde für den Besuch einer Kita oder Tagespflege sein, meint sie.

Alarmiert zeigten sich zuletzt Autoren einer Bertelsmann-Studie: Einkommensarme Familien sind demzufolge bei Kita-Beiträgen überproportional stark belastet. Zwar sind die Gebühren vielerorts nach Einkommen gestaffelt. Haushalte unterhalb der Armutsrisikogrenze - so die Studie der Bertelsmann Stiftung - müssen aber einen nahezu doppelt so hohen Anteil ihres Einkommens für die Kita aufwenden wie finanziell besser gestellte Familien.

Armutsgefährdete Eltern, die über weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Einkommens verfügen, geben monatlich demnach knapp zehn Prozent ihres gesamten Haushaltsnettoeinkommens für die Kita aus. Im Mittelwert sind das 118 Euro. Bei Familien oberhalb der Armutsgrenze sind es 178 Euro - aber nur rund fünf Prozent ihres Einkommens. Bundesweit wenden Eltern im Schnitt 5,6 Prozent ihres Nettoeinkommens - 173 Euro - monatlich für die Kita auf. Hinzu kommen Zusatzgebühren etwa für Mittagessen, Hygieneartikel und Ausflüge von 45 Euro im Schnitt.