Uli Stauß ist Singpate. Alle zwei Wochen ist er in der Kita an der Daimlerstraße zu Besuch. Die Kleinen sind begeistert; und nicht nur das: ganz spielerisch lernen sie die deutsche Sprache. Denn viele Kinder haben einen Migrationshintergrund.

Bad Cannstatt - Großeltern sind toll. Sie machen jeden Blödsinn mit, stecken einem heimlich Süßigkeiten zu und sagen zu Dingen „ja“, die Mama und Papa nie erlauben würden. So ein Kandidat ist auch Opa Uli. Wenn der 77-Jährige in der Kindertagesstätte an der Daimlerstraße 103c zu Besuch ist, herrschen dort andere Gesetze. Dann muss sich die Leiterin Yvonne Miller die Augen zuhalten, während ihre Schützlinge in das Bonbonglas greifen.

 

Natürlich schaut Opa Uli, der mit bürgerlichem Namen Uli Stauß heißt und schon sein ganzes Leben im Stadtteil Hallschlag wohnt, nicht nur zum Süßigkeiten-Verteilen in der Kita vorbei. Der Rentner singt mit den Kindern alle 14 Tage – und das schon seit sieben Jahren. Die Stiftung „Singen mit Kindern“ hat das Projekt damals für Baden-Württemberg ins Leben gerufen und „ich war der einzige Singpate von Stuttgart und Cannstatt“, erzählt er. Die Einführungsveranstaltung fand in der Kindertagesstätte im Veielbrunnengebiet statt, und dort entschied man, dass Opa Uli eigentlich gleich bleiben könnte. „Das ist mir eine Freude“, schwärmt der Rentner. Wer sich aber vorstellt, dass der 77-Jährige steif da steht und versucht, den Kleinen das deutsche Liedgut näher zu bringen, der irrt. Es sei denn, man zählt Lieder wie die „Hexe Wackelzahn“ oder „gulli gulli gulli ramsamsam“ zu dieser Kategorie. Genau wie die Kleinen ist auch Opa Uli immer mit vollem Körpereinsatz dabei. Da verwandeln sich Vorschulkinder in freche Dackel und verängstigte Kätzchen; da fliegen Kinder durch die Luft, und manchmal schmeißt sich der 77-Jährige Rentner sogar selbst auf den Boden.

Ein Großteil der Kinder hat einen Migrationshintergrund

Die Kleinen sind begeistert; und nicht nur das: ganz spielerisch und mit viel Spaß lernen sie die deutsche Sprache. Denn ein Großteil der Kinder hat einen Migrationshintergrund. Ein kleines Mädchen mit dunklen Locken, das erst seit November in der Kindertagesstätte ist, spricht sogar noch gar kein Deutsch. Aber auch einige der anderen Kinder seien erst seit einem Jahr hier, erzählt die Kita-Leiterin Yvonne Miller. Als sie in die Einrichtung kamen, hätten sie kein Wort deutsch verstanden. Kaum zu glauben, wenn man die Kleinen jetzt beobachtet. Sie singen nicht nur eifrig mit, sondern trauen sich sogar, einzelne Passagen als Solo vorzutragen.

Opa Uli ist aber auch ein echter Profi auf seinem Gebiet. Und zwar nicht nur, weil er seit mehr als 60 Jahren in der Steigkantorei singt. Sondern vor allem, weil er als Vater von drei Kindern und Opa von acht Enkelkindern fast alle Kinderlieder kennt. Doch darauf ruht sich der Rentner nicht aus, er bereitet sich auch nach sieben Jahren auf jeden seiner Besuche in der Kita vor. In einem kleinen Buch notiert er, welche Lieder er singen will, achtet darauf, dass die Vorschüler stets etwas Neues lernen. Und weil auch der beste Opa einmal an die Grenzen seines Liederfundus stößt, besucht Uli Stauß regelmäßig Seminare, in denen er neue Kinderlieder lernt.

Oma und Opa leben im Ausland

Für die Kita-Kinder im Veielbrunnengebiet ist der Rentner aber viel mehr als ein Singpate. Für sie ist es ihr Opa Uli. „Die wenigsten haben hier Großeltern“, sagt Yvonne Miller. Oma und Opa leben im Ausland, es gibt nur wenig Anlässe, zu denen sie die Kleinen sehen. Opa Uli ist immer dabei, bei jedem Sommer- oder Stadtteilfest. Wenn die Kinder in die Grundschule kommen, dichtet er sogar für jedes Kind einen eigenen Vers, ganz persönlich, von Opa Uli eben.