Aus dem Kita-Qualitätsgesetz des Bundes werden 500 Millionen nach Baden-Württemberg fließen. Das Land will unter anderem die Sprachkitas weiter fördern. Der größte Batzen aber fließt in sogenannte Leitungszeit für die Kitaleitungen.

Familie/Bildung/Soziales: Lisa Welzhofer (wel)

Was die 470 Millionen, die das Kita-Qualitätsgesetz in die Landeskasse spült, ihr persönlich bringen werden, weiß Ioanna Stamkopoulou genau: „Ich kann mich weiterentwickeln. Habe Zeit für Fortbildungen, konzeptionelle Arbeit“, sagt die Leiterin der Stuttgarter Kita Ibisweg. Voraussetzung sei natürlich, dass ihre Einrichtung, die 60 Kinder besuchen, genug Fachkräfte hat.

 

Tatsächlich will das Land zwei Drittel der Bundesmittel, die 2023 und 2024 fließen, an die Kitaträger zur Finanzierung der sogenannten Leitungszeit weitergeben. Leitungszeit bedeutet, dass Fachkräfte, die eine Einrichtung leiten, mindestens sechs Stunden pro Woche von der Arbeit in den Gruppen freigestellt sind, je nach Größe der Einrichtung auch mehr. In dieser Zeit sollen sie etwa an pädagogischen Konzepten arbeiten oder das Team anleiten. Seit 2019 finanziert das Land diese Stunden.

Wie lässt sich die Qualität von Kitas verbessern?

Das erklärte Volker Schebesta, zuständiger Staatssekretär im baden-württembergischen Kultusministerium. Er besuchte am Freitag die Stuttgarter Kita Ibisweg, um dort mit Ekin Deligöz, Staatssekretärin im Bundesfamilienministerium, das Kita-Qualitätsgesetz BW zu unterzeichnen.

Wie lässt sich die Arbeit, die in der frühkindlichen Bildung und Betreuung gemacht wird, verbessern – während die Einrichtungen gleichzeitig mit einem gravierenden Mangel an Erzieherinnen und Erziehern zu kämpfen haben? Das ist die Frage, die derzeit Landes- wie Bundespolitiker und -politikerinnen umtreibt. Unter anderem mit den vier Milliarden Euro, die das Gesetz den Bund insgesamt kostet, sollen Antworten finanziert werden. Baden-Württemberg ist nach Bremen das zweite Bundesland, das die Vereinbarung unterzeichnet. Darin wird die Verwendung der Bundesmittel im Land geregelt. Wenn das mit allen 16 Bundesländern geschehen ist, werden die Gelder fließen. Bis dahin finanziert das Land vor.

Sprachkitas können weitermachen

Neben dem größten Posten Leitungszeit wird Baden-Württemberg das Geld vor allem in die Fortführung der sogenannten Sprachkitas stecken. In diesen bereits bestehenden Einrichtungen gibt es eine zusätzliche 50-Prozent-Kraft, die mit den Kindern im Alltag an der Sprache arbeitet, ihnen hilft, Wortschatz und Grammatik zu verbessern, und auch ihre Kolleginnen berät.

Screeningprogramm für Sprache soll helfen

Bislang werden diese Kräfte durch ein Bundesprogramm finanziert, das aber im Juni 2023 ausläuft. Durch die neuen Gelder kann diese Arbeit vorerst bis Ende 2024 fortgesetzt werden. Allein in der Landeshauptstadt gibt es beispielsweise derzeit 86 Sprachkitas, 74 werden nach Auskunft der Stadt weitermachen.

Sprachförderung wird bei der Verwendung der Gelder überhaupt ein Schwerpunkt sein, machte Volker Schebesta deutlich: Das Land wird bei den Trägern die Fachberatungen finanzieren, die die Kitas bei diesem Thema unterstützen, und ein Screeningprogramm einführen, mit dem die Erzieherinnen prüfen können, wie gut ein Kind spricht. So wolle man schon vor dem Eintritt in die Schule den Kindern und Eltern bei Bedarf entsprechende Förderangebote machen, erläuterte Schebesta.

Mehr Ausbildungsplätze

Damit knüpft das Land an seine Strategie für Grundschulen an, wo ebenfalls die Sprachbildung weiter gefördert werden soll. So führt das Land ein verbindliches Lesetraining an Grundschulen ein, was auch eine Reaktion ist auf die schlechteren Ergebnisse in den jüngsten Schulvergleichsstudien.

Die Bundesmittel für Kitas sollen außerdem die Fachkräftegewinnung voranbringen: Mit rund 50 Millionen sollen zusätzliche Plätze für die sogenannte Praxisintegrierte Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern (Pia) geschaffen und die Pia-Ausbildung weiter verbessert werden.

Deligöz: Land macht vieles richtig

Für Staatssekretärin Deligöz macht Baden-Württemberg schon heute sehr vieles richtig – sowohl was die Qualitätsverbesserung anbelangt als auch was die Gewinnung von Fachkräften angeht.

Dass beides zusammenhängt, betonte Isabel Fezer, Stuttgarter Bürgermeisterin für Jugend und Bildung: In der Landeshauptstadt habe man die Erfahrung gemacht, dass Fachkräfte gehalten werden können, wenn die Bedingungen in den Kitas für Kinder und Erzieherinnen gut sind.

Dass es genau daran kranke, sagt Monika Stein, Landesvorsitzende der Erziehungsgewerkschaft GEW. „In den Kitas können die Arbeitgeber mehr tun, indem sie die Kitagruppen verkleinern statt vergrößern, mehr Vor- und Nachbereitungszeit anbieten und mit überzeugenden pädagogischen Konzepten arbeiten“, so Stein. Nur so könne man junge Menschen für den Beruf begeistern und Fachkräfte überzeugen, weiter in ihrem Beruf zu arbeiten.

Was sich zum Thema Kita derzeit tut

Fachkräftemangel
Um mehr Menschen für den Erzieherinnenberuf zu gewinnen, hat das Land dieses Jahr den Bildungsgang Direkteinstieg Kita geschaffen. Menschen mit abgeschlossener Ausbildung in anderen Berufen oder die bereits als Zusatzkraft in einer Kita arbeiten, können eine verkürzte Ausbildung zum sozialpädagogischen Assistenten machen. Sie dauert zwei statt drei Jahre, die Direkteinsteiger arbeiten währenddessen bereits in einer Einrichtung.

Qualität
Derzeit erarbeitet das Land einen neuen Orientierungsplan für Kitas, der unter anderem einheitlichere und konkretere Aufgaben und Ziele für Kitas definiert. Forderungen
Der baden-württembergische Städtetag fordert eine Öffnungsklausel im Kitagesetz. Kommunen müssten mehr Freiräume bekommen, um der schwierigen Lage aufgrund des Fachkräftemangels zu begegnen, zum Beispiel was das Thema Quereinsteiger anbelangt. Laut Staatssekretär Volker Schebesta wird das Thema derzeit im Ministerium geprüft. Das Land macht außerdem derzeit möglich, dass Kitagruppen, die genug Fachpersonal haben, zwei Kinder mehr aufnehmen.