Wenn Fachkräfte krank werden, kann es sein, dass Kitagruppen geschlossen werden müssen. Das droht auch in Stuttgart.

Stuttgart - Die Personalnot in den deutschen Kindertagesstätten nimmt teilweise dramatische Ausmaße an, was die Eltern plötzlich vor gravierende Betreuungsprobleme stellen kann. In einigen Städten müssen Kitas bereits vorübergehend schließen, weil es bei Krankheitsfällen nicht genügend Kräfte gibt, die einspringen können, meldet die Deutsche Presseagentur. Dabei stehen die Krankheitswellen noch bevor. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) nennt die Lage „dramatisch schlecht“. Björn Köhler von der GEW sagte: „Eigentlich bräuchten wir 100 000 Leute sofort, um vernünftig zu arbeiten.“

 

Auch im Südwesten werden Erzieherinnen verzweifelt gesucht. Das Kultusministerium konstatiert, „der Bedarf ist in Baden-Württemberg recht unterschiedlich“. Dem baden-württembergischen Städtetag sind keine Fälle bekannt, dass aus Personalnot Angebote gestrichen werden mussten. Die Landes-GEW dagegen berichtet, vor allem in Stuttgart komme es gelegentlich zu Teilschließungen wegen Krankheitsfällen.

Außerdem sagte eine Sprecherin des Städtetags unserer Zeitung: „Das Angebot kann nicht ausgeweitet werden, weil Fachkräfte fehlen“. So gebe es in verschiedenen Städten des Landes zwar die Nachfrage nach neuen Gruppen, auch die Räume seien da und die Betriebsgenehmigungen erteilt, doch könnten die neuen Gruppen nicht eingerichtet werden, weil es keine Fachkräfte gebe. Davon ist vor allem auch Stuttgart betroffen, wie die baden-württembergische GEW berichtet. In der Landeshauptstadt könnten etwa zehn Prozent der Kitaplätze nicht vergeben werden, weil das Personal fehlt. In den großen Kitas seien oft nur 80 bis 90 Prozent der Stellen besetzt.

Problem: Ausbildung

Die GEW sieht eine Ursache für den drastischen Fachkräftemangel in der bisherigen Ausbildungssituation. Björn Köhler meint, „ein großes Problem ist die Bezahlung“. Angehende Erzieherinnen durchlaufen eine vier- bis fünfjährige unbezahlte Ausbildung. Manche mussten sogar Schulgeld bezahlen. Nun gebe es „endlich ein Umdenken. Dabei ist Baden-Württemberg ein Vorreiter in Deutschland. Mit der praxisintegrierten Ausbildung (Pia) setzt das Land seit dem Schuljahr 2012/13 Maßstäbe in der bezahlten Erzieherinnenausbildung. Die Auszubildenden verdienen rund 1090 Euro im ersten, 1150 im zweiten und 1250 Euro im dritten Ausbildungsjahr. Zuletzt zählte das Kultusministerium 4000 Auszubildende in Pia.

Entsprechend begrüßt Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) die Fachkräfteoffensive des Bundes. „Es freut uns, dass unser Modell als Blaupause für die breit angelegte Offensive des Bundes dienen soll“, erklärte Eisenmann. Der Bund will von Sommer 2019 bis zum Jahr 2022 die Länder mit 300 Millionen Euro unterstützen, auch um die Ausbildung von Erziehern zuvergüten.

Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels in den Kitas wenden sich die Grünen im Land erneut gegen den Vorstoß der SPD, die Gebührenfreiheit für Kitas in Baden-Württemberg mit einem Volksbegehren durchzusetzen. Dazu startet die SPD am kommenden Montag ihre Unterschriftensammlung. „Eine generelle Kita-Gebührenfreiheit ist nicht finanzierbar und würde die Mittel, die wir dringend für die Qualitätsentwicklung benötigen, absorbieren“, sagte Andreas Schwarz, der Fraktionsvorsitzende der Landtagsgrünen, unserer Zeitung.

Grüne wollen Gebührenermäßigung landesweit regeln

Für die Grünen stünden „der weitere Ausbau des Angebots, erweiterte Öffnungszeiten sowie die Ausbildung und eine faire Bezahlung der Erzieherinnen und Erzieher an erster Stelle“. Niedrigere Gebühren oder Gebührenbefreiung müsse es für Familien mit schmalem Geldbeutel geben. „Gerade finanziell schwache Familien sind dringend auf einen qualitativ hochwertigen Kita-Platz angewiesen“, betonte Schwarz. Vom „Gießkannenprinzip“ der SPD halten die Grünen nichts. Sie wollen nun mit dem Städte- und dem Gemeindetag über eine neue Mustersatzung für die Kitas im Land verhandeln. Darin soll eine Gebührenermäßigung nach der Anzahl der Kinder in einer Familie und eine Gebührenstaffelung entsprechend des Einkommens festgelegt werden. Bisher entscheiden Kommunenjeweils unabhängig über Gebührenermäßigungen.

Die vollständige Betragsfreiheit für Kinder sowohl unter als auch über drei Jahren würden das Land nach Angaben der Grünen 530 Millionen Euro im Jahr zusätzlich kosten. Im Haushalt 2018 stehen für die frühkindliche Bildung 925 Millionen Euro.