Gibt es keinen Bedarf mehr, oder ist das Angebot zu teuer und wird deshalb nicht genutzt? Fakt ist: Immer weniger Kinder nutzen in Ditzingen die Ganztagskita. Das hat Konsequenzen.
Gibt es wirklich keinen Bedarf mehr, oder ist das Angebot schlicht zu teuer? Wie auch immer: Die Ditzinger Kitalandschaft wird sich bereits im Herbst deutlich verändern. Dann wird die wöchentliche Ganztagsbetreuung von 50 Stunden (GT 50) stadtweit eingestellt. Eltern können ihr Kind dann nur noch maximal 45 Stunden pro Woche betreuen zu lassen. Dabei war der Gemeinderat einst davon überzeugt, dass die Vielfalt des Angebots zur Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Ditzingen beitrage.
Personal auf der einen fehlt auf der anderen Seite
Doch nun, in Zeiten von Fachkräftemangel und leeren Kassen, heißt die Fragestellung: Soll für wenige ein Maximalangebot vorgehalten werden, während andere gar keinen Kitaplatz bekommen? Es sei „wichtiger, dass diejenigen, die keinen Platz haben, einen bekommen und nicht die anderen fünf Stunden länger gehen können“ sagte Michael Schmid (Freie Wähler) im Ausschuss für Finanzen, Soziales und Kultur. Ähnlich argumentierte Ulrike Sautter (Grüne), sie lenkte den Blick auf das Personal. Der Personalbedarf sei in der Ganztagsbetreuung auch bei einer geringen Anzahl von Kindern hoch. Es fehle dafür aber in einer anderen Kita, so Sautter.
Kritik des Elternbeirats
Der Gesamtelternbeirat der Ditzinger Kindertagesstätten kann das Vorgehen „ausschließlich aus betriebswirtschaftlichen Gründen nachvollziehen“. Gleichwohl: „Eine Einstellung des Ganztagsangebots GT 50 stadtweit halten wir für den falschen Weg und kein gutes Signal an Ditzinger Familien“, heißt es im gemeinsamen Schreiben der Beiratsvorsitzenden Melanie Becker und ihrer Stellvertreterin Manuela Sautter.
Dennoch folgte der Rat letztlich der Verwaltung. Bestehende GT-50-Plätze werden zum nächsten Kindergartenjahr in GT 45 umgewandelt. In der Kita Korntaler Straße soll das Ganztagsangebot komplett eingestellt werden.
In der Gesamtstadt gibt es zwei GT-50-Gruppen. Beide würden schon jetzt „deutlich in der Überzahl von Kindern mit anderen, teils deutlich geringeren Betreuungsumfängen belegt“, legte die Verwaltung dar. Sie verhehlte nicht, GT 50 aus betriebswirtschaftlichen Gründen einzustellen. Von September an würden Stand jetzt ein Kind mit GT 50 in der Korntaler Straße und vier Kinder im Schloss betreut, zwei weitere folgten Monate später. Bisher nutze kein GT-50-Kind dieses Angebot an allen Werktagen vollständig, aber immer sei ein Kind bis nach 16 Uhr da, was hohen Personalbedarf erforderlich mache.
Ist aber die Nachfrage wirklich so gering, oder ist das Angebot zu teuer? Auch diese Frage schwang unterschwellig in der Diskussion mit. Die Höhe der Gebühren ist einkommensabhängig. Familien mit einem Kind mit einem Einkommen bis 35 000 Euro bezahlen monatlich 330 Euro plus 78 Euro für Verpflegung, bei bis zu 70 000 Euro sind es 412 Euro zuzüglich Essensbeitrag.
Gebührentreiber ist der hohe Personalbedarf. Er sei bei GT 50 deutlich höher als bei GT 45, er erfordere ein Drittel mehr Vollzeitstellen. „Wenn in fast allen Einrichtungen die Ganztagsplätze nicht vollständig belegt werden, führt das dazu, dass überall Personal für den Ganztagsbetrieb vorgehalten werden muss, am Nachmittag aber nur noch wenige Kinder betreut werden“, argumentierte die Verwaltung. Mit der Umstrukturierung könnten mehr Plätze für verlängerte Öffnungszeit (VÖ), also 35 Wochenstunden, angeboten werden.
Forderung nach Übergangszeit
Für das nächste Kitajahr zeichne sich ab, dass die VÖ-Plätze nicht ausreichen. Die Planungen sind nicht abgeschlossen, bisher fehlen rund 15 Plätze. Es ist zwar möglich, einen nicht benötigten Ganztagsplatz mit einem VÖ-Kind zu belegen. Doch das hat finanzielle Auswirkungen: „Je nachdem, wann im Laufe des Kitajahres das Kind aufgenommen wird, entsteht der Stadt ein finanzieller Nachteil von bis zu 3500 Euro pro Platz“, rechnet die Verwaltung vor. Dabei geht es unter anderem um staatliche Ausgleichszahlungen und geringere Gebühreneinnahmen bei gleichbleibenden Personalkosten.
Protest gegen die Veränderung kam vor allem aus der Kita Korntaler Straße. „Diese Entscheidung trifft viele Familien in einer ohnehin herausfordernden Zeit hart.“ Für viele sei dieses Angebot sehr wichtig, „nicht nur zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sondern auch für das Wohl unserer Kinder“, heißt es in einem Brief der Eltern an Oberbürgermeister Michael Makurath. Die zum September geplante Umsetzung gebe Familien kaum Möglichkeiten, zu reagieren. Die Eltern forderten einen Übergangszeitraum von mindestem einem Jahr.
Der Gemeinderat wiederum forderte die Verwaltung auf, in rund einem Jahr erneut über die Entwicklung der Anmeldezahlen zu berichten – um im Zweifel neu zu entscheiden.
Was macht Hemmingen?
Zurückgefahren
Mangels Personal, aber auch wegen flexiblerer Eltern aufgrund von Homeoffice hat die Gemeinde Hemmingen bereits vor zwei Jahren am Ganztagsangebot gedreht: Sie hat die Zahl dieser Plätze von 170 auf 100 reduziert. Das Modell GT 5 sieht bis zu 49 Stunden in der Woche vor. Aus dem Rest wurden VÖ- oder Regelgruppen. Die Verwaltung hat sich auf die Fahne geschrieben, bedarfsgerecht zu arbeiten: Sie passt das Angebot nach Möglichkeit immer den Anliegen der Eltern und Impulsen aus den Kitas an.
Ausgebaut
Mit der Änderung des Kita-Gesetzes Ende 2023 durch das Land haben Kita-Träger mehr Spielraum, um Personalengpässen entgegenzuwirken. Sie können von Personalvorgaben abweichen. Das ist zwar umstritten, erlaubt Hemmingen aber, eine Spielgruppe zu öffnen: Das „niederschwellige Angebot“ zunächst in der Kita Laurentiusstraße erfolgt mit einer Fachkraft plus Nichtfachkräften nach der verlängerten Öffnungszeit bis 16 Uhr.