Nach einer Sturzserie wurde die berüchtigte Abfahrt auf der „Streif“ in Kitzbühel abgebrochen. Unter den gestürzten Fahrern war auch Superstar Svindal: Der Norweger fällt schwer am Knie verletzt die Saison aus - macht aber niemandem Vorwürfe.

Kitzbühel - Über Nacht heilen zwar nicht alle Wunden, schon gar nicht die jener Athleten, die die Weltcup-Abfahrt auf der „Streif“ jedes Jahr abwirft. Aber in Kitzbühel kehrt fast jedes Mal am Tag nach dem großen Ski-Spektakel Normalität ein.

 

In den Straßen, die bereits am frühen Morgen wieder gesäubert sind, und in den Köpfen der Leute. Die, die zum Hahnenkammrennen kommen, um in erster Linie zu feiern, haben da ohnehin vor allem mit den Folgen des Alkoholkonsums zu kämpfen, aber auch Athleten, Trainer und Veranstalter halten sich nicht lange auf mit dem, was beim anspruchsvollsten Rennen passiert war. „So ist Skifahren“, sagte der norwegische Cheftrainer Christian Mitter am Sonntag, keine 24 Stunden nachdem sein bester Athlet schwer gestürzt war.

Aksel Lund Svindal, der Sieger des Super-G vom Freitag, hatte es als einen von drei Abfahrern schwer erwischt, nach Kreuzband- und Meniskusriss im rechten Knie wird er wohl bis in die nächste Saison hinein ausfallen. Der Verletzte selbst sah es ähnlich. „Das ist ziemlich ärgerlich mitten in der Saison, aber so ist das Leben. Es gibt Hochs und Tiefs und damit musst du einfach umgehen“, ließ er aus dem Krankenhaus bei Innsbruck übermitteln. Dort teilt er das Zimmer mit dem Österreicher Georg Streitberger, der am Samstag ebenfalls gestürzt war, an der gleichen Stelle, und fast die gleiche Verletzung erlitt. Der dritte Abfahrer, den es an der Einfahrt zur Traverse erwischt hatte, ist Hannes Reichelt. Der Hahnenkammsieger von 2014 aus Österreich konnte im Gegensatz zu seinen Kollegen das Krankenhaus schnell wieder verlassen. Seine Knochenstauchung im rechten Knie und seine Kopfschmerzen kann er zuhause auskurieren.

Ein schmaler Grat zwischen Show und Gefahr

Wenn das Zweibettzimmer im Klinikum Hochrum am Sonntag am Fernseher den Slalom verfolgt hat, holte sie der Schock des Vortages noch einmal ein. Denn auch da musste der Rettungshubschrauber starten. Gleich der erste Fahrer, der Italiener Giuliano Razzoli, rutschte weg und zog sich dabei auch einen Riss des vorderen Kreuzbands zu. Doch auch diese Bilder werden die Opfer des diesjährigen Hahnenkammrennens verdrängen. Das, sagen die Protagonisten stets, gehöre zum Geschäft. Tatsächlich bleibt ihnen gar nichts anderes übrig, als so zu denken, wenn sie wieder ganz vorne dabei sein wollen. Aber nach Unfällen wie diesen am Samstag auf der „Streif“, nach Stürzen, wie sie im Abfahrtssport öfters vorkommen im Winter, allerdings nirgends solche Aufmerksamkeit erregen wie in Kitzbühel, stellt sich die Sinnfrage.

„Ich bin mir bewusst, dass es ein schmaler Grat ist zwischen Show und zu gefährlich“, sagte Marcel Hirscher. Der Österreicher könnte der große Nutznießer von Svindals Ausfall sein, denn bisher hatte er sich einen harten Kampf mit dem Norweger um die große Kristallkugel geliefert, aber nun scheint der Weg frei zu sein für Hirscher. Er wird wohl, wenn er sich nicht verletzt, als erster Skirennläufer zum fünften Mal nacheinander den Gesamtweltcup gewinnen. Aber einen Gedanken daran verbat die Fairness. „Ich möchte ihm alles Gute wünschen. Es war einfach ein Genuss, ihm zuzuschauen. Das war der beste Aksel, den ich je gesehen habe bis Samstag.“

Ursache war wohl einfach Pech, sagt Svindals Trainer

Die Diskussion drehte sich am Samstag darum, ob äußere Bedingungen die Fehler der drei Athleten bedingt haben, die Verantwortlichen des Internationalen Skiverbandes, also Renndirektor Markus Waldner und seine Kollegen, das Rennen hätten abbrechen sollen. Und das nicht wie geschehen nach den ersten 30 Startern, sondern früher. Die Sicht war im Laufe des Rennens schlechter geworden, die Schläge auf der Ideallinie bei der Einfahrt zur Traverse im unteren Streckenabschnitt deshalb nicht mehr zu sehen. „Es ist momentan der Punkt, an dem man sich Gedanken machen muss, was ist möglich, was ist fahrbar und was ist zu gefährlich“, so Hirscher.

Als Technikspezialist, der nur gelegentlich Super-G-Rennen bestreitet und die Abfahrt meidet, hat er eine etwas andere Sicht auf die Dinge als seine schnellfahrenden Kollegen. „Wer in Kitzbühel einen Fehler macht, bekommt dafür sofort die Quittung“, sagte Peter Fill aus Italien, der die spektakulärste, anspruchsvollste Piste am Samstag nicht nur fehlerfrei sondern auch am schnellsten bewältigte. Fill ist selbst einmal auf der „Streif“ gestürzt, aber deshalb nicht mehr zurückzukommen, wäre ihm nicht in den Sinn zu kommen.

Der Renndirektor Waldner verteidigte seine Strategie. Die Piste sei sicher gewesen, sagte er, gab aber zu: „Wir waren am Limit.“ Auch von den Trainern gab es bei der Sitzung am Abend keine Vorwürfe. „Dass es den Sieger von 2014 und den Sieger des Super-G am Freitag zerlegt hat, ist zwar auffällig“, sagte Svindals Trainer Mitter: „Aber es ist wahrscheinlich Pech.“