Wann ist Abwasser wirklich rein? Die gesetzlichen Vorgaben für Klärwerke werden immer strikter – zugunsten von Mensch und Umwelt. Manche Reststoffe sind aber problematisch.
Etwas abgelegen befindet sich in Ditzingen jene Anlage, in der Wasser geklärt wird. Die Anlagen zur Abwasserreinigung müssen besser werden – so will es vor allem der Gesetzgeber. Die Kommunen sind in der Pflicht.
„Das Große, was wir vor der Brust haben, ist die Klärschlammbehandung“, sagte Boris Diehm in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats. Der Abteilungsleiter im Tiefbauamt der Stadt Stuttgart ist zuständig für die Klärwerke im Eigenbetrieb Stadtentwässerung (SES). Die SES wiederum verantwortet zusammen mit den Kommunen Gerlingen und Ditzingen das Klärwerk in Ditzingen. „Wir werden investieren müssen, um die Infrastruktur für kommende Generationen zu sichern.“
Drei Städte sind an einer Kläranlage beteiligt
Die Kläranlage in der Kernstadt wird von den Städten Stuttgart, Ditzingen und Gerlingen getragen. Die Ditzinger sind mit 40 Prozent beteiligt, 60 Prozent trägt Stuttgart, darin bereits eingeschlossen sind jene 18 Prozent, die von Gerlingen finanziert werden. Wie die SES dargelegt hat, besteht bis zum Jahr 2039 ein jährlicher Gesamtfinanzbedarf von rund 7,1 Millionen Euro. Für Ditzingen bedeutet das einen jährlichen Aufwand von 2,84 Millionen Euro. Gefühlt sei das eine große Bauschild weg, „jetzt kommen Sie mit dem nächsten“, fasste Doris Renninger (Grüne) die Situation zusammen. Es war eine Feststellung, die Räte stellten die Notwendigkeit der Arbeiten nicht in Frage.
Per Verordnung sind die Kläranlagenbetreiber angehalten, den Phosphor aus dem Abwasser in den Wirtschaftskreislauf zurückzuführen. Diese Verordnung zielt darauf ab, die bodenbezogene Verwertung – die direkte Verwendung von aufbereiteten organischen Materialien wie Klärschlamm – einzuschränken und stattdessen die Rückgewinnung von Phosphor und anderen Nährstoffen aus Klärschlamm zu fördern.
„Für Stuttgart sind das Summen, die Sie kurz in der Mittagspause entscheiden, sagte Ditzingens Bürgermeister Ulrich Bahmer an Boris Diehm gewandt. Der konterte, dass die Investitionen für Stuttgart vergleichsweise genauso groß seien. Deshalb sei es wichtig, gerade in Zeiten knapper Kassen zusammenzufinden und gute Lösungen zu finden.
Das Klärwerk besteht seit 1964 und wurde 1981 erweitert. Der Betrieb muss mit EU-Recht konform sein. Diehm bilanzierte die bisherige Kooperation der Kommunen durchweg positiv. Man habe bis 2020 „die mechanische Stufe hinbekommen“, das sei großartig.
Wasser als Lebensraum schützen
Das geklärte Wasser fließt in die Glems. Je sauberer dieses ist, umso größer sei der Beitrag, „dass der ökologische Lebensraum von Gewässern erhalten bleibt und die Trinkwasserressourcen noch besser geschützt werden“, heißt es dazu im Umweltministerium. Eine vierte Reinigungsstufe für die Ditzinger Anlage ist bereits beschlossen und projektiert.
Hormone und Antibiotika sollen aus Abwasser gefiltert werden
Diese Reinigungsstufe soll ein großes Problem angehen. Denn ob Hormone, Antibiotika oder Röntgenkontrastmittel: All das bleibt bisher ebenso im geklärten Abwasser zurück wie hormonähnliche Stoffe, die in alltäglichen Pflegeprodukten wie Shampoos, Sonnencreme oder Lippenstift enthalten sind. Zu den acht Kläranlagen, in denen laut dem Landratsamt Ludwigsburg vor einigen Jahren eine sogenannte Spurenstoffentfernung als besonders wichtig angesehen wurden, gehören sowohl das Klärwerk in Ditzingen als auch die Anlage Talhausen in Markgröningen.
Kritiker führen an, das Problem werde mit einer vierten Reinigungsstufe nur verdeckt oder gar verlagert. Deshalb fordern sie, das Übel an der Wurzel zu packen und die Schadstoffe gar nicht erst in das Abwasser einfließen zu lassen.