Dürfen Kommunen mehr Wohnbauflächen ausweisen, als die Region erlaubt? Zwei Gemeinden aus dem oberen Filstal pochen auf alte Zusagen.

Göppingen - Die Auseinandersetzung schwelt seit gut fünf Jahren, und noch immer ist kein Ende in Sicht. Im Planungsausschuss der Regionalversammlung hat sich am Mittwoch zwar eine große Mehrheit aus CDU, SPD und Grünen dafür abgezeichnet, dass die Region gegen den vom Landratsamt Göppingen und dem Regierungspräsidium genehmigten Flächennutzungsplan der Gemeinden Deggingen und Bad Ditzenbach klagt, weil er dem Regionalplan widerspricht. Doch die Entscheidung wurde von den Freien Wählern und der FDP auf die Sitzung der Regionalversammlung am 25. Juli vertagt. Zwar ist die Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht, um die Frist zu wahren, ob die Region sie weiter verfolgt, bleibt aber offen. Zumal es am Donnerstag ein weiteres Gespräch mit den Bürgermeistern gibt, um einen Kompromiss zu finden.

 

Im März des Jahres 2007 hatten Deggingen und Bad Ditzenbach einen neuen gemeinsamen Flächennutzungsplan aufgestellt. Die beiden Gemeinden, die in einer Verwaltungsgemeinschaft verbunden sind, reagierten mit dem Planwerk darauf, dass die Europäische Union am Fuß der Schwäbischen Alb große Vogelschutzgebiete ausgewiesen hatte, in denen nicht gebaut werden darf. Betroffen waren auch Flächen, die eigentlich für Wohnungsbau vorgesehen waren.

Reserveflächen auf andere Standorte übertragen

Im neuen Plan übertrugen Deggingen und Bad Ditzenbach diese und andere Reserveflächen, zusammen acht Hektar, auf andere Standorte ihrer Markung – und dies, obwohl laut dem Regionalplan dafür gar kein Bedarf besteht, weil beide Gemeinden kaum noch wachsen würden.

Die Reserveflächen seien „bereits genehmigtes Flächenpotenzial“, argumentieren die beiden Bürgermeister Karl Weber (Deggingen) und Gerhard Ueding und werden darin vom Landratsamt Göppingen und dem Regierungspräsidium unterstützt.

Thomas Kiwitt, der Chefplaner der Region, die dem Flächenverbrauch den Kampf angesagt hat, sieht das ganz anders. Es könne nicht angehen, dass potenzielle Baugebiete, so sie einmal genehmigt seien, „nach Belieben auf den Gemarkungen neu festgelegt“ werden könnten und dabei völlig unbeachtet bleibe, ob dafür aktuell Bedarf bestehe oder nicht.

Rückgang der Bevölkerung prognostiziert

Kiwitt verweist darauf, dass beiden Gemeinden bis zum Jahr 2025 ein Rückgang der Bevölkerung von fünf bis sieben Prozent prognostiziert würde. „Ein Bedarf an Wohnbauflächen in der Größenordnung von acht Hektar kann daher nicht plausibel begründet werden“, meint der Regionalplaner. Dies sei Platz für 440 Einwohner, dabei müssten die Gemeinden mit einem Verlust von 500 Bürgern rechnen. Allenfalls zwei Hektar hält Kiwitt für denkbar, zumal es noch Baulücken von 13 Hektar gebe.

Die Bürgermeister dagegen bezweifeln die Prognosen. Nur wenn sie mit Baugebieten Neubürger anlocken könnten, hätten ihre Gemeinden Wachstumschancen. „Weil uns ein Minus prognostiziert wird, sollen wir am besten noch Häuser abbrechen“, lamentierte Ueding vor einigen Monaten. Und Weber assistierte: „Was bringen uns fünf Vogelnester mehr, wenn wir jungen Familien keine Bauplätze mehr anbieten können?“ Aber auch Kiwitt hält nicht damit hinterm Berg, was er von den Kommunen hält. „Diese Pläne aus dem Wolkenkuckucksheim helfen ihnen auch nicht weiter“, sagte er am Mittwoch.

Klage liegt beim Verwaltungsgericht

Trotz des jahrelangen Streits und mehrerer Gespräche gab es keine Annäherung der Positionen. Ende Januar des vergangenen Jahres genehmigte das Landratsamt Göppingen schließlich den neuen Flächennutzungsplan, worauf der Verband Region Stuttgart förmlich Widerspruch einlegte. Diesen Widerspruch wies das Regierungspräsidium Stuttgart vor wenigen Wochen zurück – und seitdem liegt die Klage der Region beim Verwaltungsgericht. Zwar betonten Sprecher aller Fraktionen, dass sie einen Kompromiss mit den Gemeinden bevorzugten, aber CDU, SPD und Grüne machten ihre Bereitschaft deutlich, die Fragen, wie bindend der Regionalplan sei und ob Kommunen Flächen aus alten Plänen an andere Standorte verschieben könnten, gerichtlich klären zu lassen.

Die Freien Wähler und die FDP sehen allerdings noch weitere grundsätzliche Fragen berührt, vor allem die, ob die Region nach einem für sie positiven Urteil nicht dazu verpflichtet wäre, jedwede Flächenreserven der Kommunen zu streichen. „Das würde eine generelle Neuorientierung der Regionalplanung bedeuten“, sagte der FW-Regionalrat Alfred Bachofer, der sich auf eine Aussage des Wirtschaftsministeriums berief. Eine derart weit gehende Veränderung könne nicht in einem Ausschuss, sondern müsse in der Vollversammlung entschieden werden. Mit den acht Stimmen von FW und FDP erreichte der Antrag auf Vertagung just das erforderliche Quorum.

Ob Kiwitts Verhandlungsposition für das heutige Gespräch damit gestärkt ist, bezweifelte nicht nur Angelika Matt-Heidecker, SPD-Regionalrätin und Oberbürgermeisterin von Kirchheim/Teck: „Die Region steht jetzt in kurzen Hosen da.“