Klagen gegen Greenwashing Klimaversprechen, die nicht halten

Nicht überall ist genau das drinn, was drauf steht. Foto: IMAGO/Sven Simon/IMAGO/Frank Hoermann / SVEN SIMON

Unternehmen werben mit ihrem Einsatz für das Klima – die Deutsche Umwelthilfe geht dagegen vor. Auch eine große Drogeriekette steht dabei in der Kritik.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Klimaschutz ist nicht nur in aller Munde, sondern in aller Einkaufswagen. Egal ob Hundefutter oder Gummibärchen, Anti-Schuppen-Shampoo oder Trinkjoghurt – kaum eine Produktgruppe verzichtet darauf, dem potenziellen Käufer mitzuteilen, dass sie klimaneutral ist. Selbst die Fußball-WM in Katar hatte sich selbst als klimaneutrales Turnier gepriesen. „Verbrauchertäuschung“ hat der Bundesverband der Verbraucherzentralen den WM-Gastgebern vorgeworfen, das Ergebnis sei massiv schöngerechnet.

 

Vom Kaffeehersteller bis zum Sportverein

Verbrauchertäuschung sieht auch die Deutsche Umwelthilfe. Rund 20 Verfahren gegen die unterschiedlichsten Unternehmen hat die Organisation bereits angestrengt. Der Vorwurf ist in leicht abgewandelter Form immer der Gleiche: Es werden Klimaversprechen gemacht, die so nicht nachgewiesen und oft auch nicht eingehalten werden. Angeprangert werden Unternehmen wie der Kaffeehersteller Lavazza ebenso wie Sportvereine. „Unsere Mission hat gerade erst begonnen, nachhaltig und CO2 neutral“, werben die Bundesliga-Handballer der Füchse Berlin. Die DUH bemängelt fehlende Angaben und die Untauglichkeit verschiedener Klimaschutzprojekte, die als Kompensation angegeben werden.

dm kündigt Veränderungen an

In wenigen Tagen will das Landgericht in Karlsruhe sein Urteil in der Klage gegen den Drogeriemarkt-Giganten dm verkünden. Nach der mündlichen Verhandlung hatte dm bereits angekündigt, den Begriff „klimaneutral“ künftig nicht mehr auf seinen Cremeduschen, Sonnenschutzmitteln oder Flüssigseifen zu verwenden. Im Gegenzug wurde dem Unternehmen gestattet, die bereits produzierten Packungen noch verkaufen zu dürfen. Von dem Begriff „umweltneutral“ möchte der Drogeriemarkt hingegen nicht lassen.

Unternehmen sagen Zurückhaltung zu

Der 1. FC Köln und Beiersdorf gehören bisher zu den Unternehmen, die vor Gericht versprochen haben, die Werbung mit Klimaneutralität künftig zu unterlassen – und andernfalls eine Strafe zu bezahlen. Die Firma Total Energie hat vor dem Landgericht Düsseldorf den entsprechenden Prozess verloren. Das „CO2-kompensierte Heizöl“ darf nicht mehr als solches beworben werden. Die Deutsche Umwelthilfe hatte sich umfangreiche Informationen über eines der von Total Energies genutzten Kompensationsprojekte in Peru beschafft und ausgewertet. In seiner Urteilsbegründung wies das Landgericht dann darauf hin, dass es „weitgehend im Dunkeln bleibt, wie durch eine Unterstützung von 400 Familien beim nachhaltigen Paranussanbau in einem in den letzten Jahren von zum Teil illegalen Rodungen bedrohten Gebiet im Regenwald Treibhausgase nachweislich eingespart werden sollen“.

Ein klimaneutrales Produkt, eine Dienstleistung oder ein Unternehmen zeichnet sich dadurch aus, dass es die Menge an schädlichen Klimagasen in der Atmosphäre nicht erhöht. Das sei eine gute Sache, sagt auch die DUH. Doch die Strategien der Unternehmen, wie klimaschädliche Gase vermieden werden, unterscheiden sich erheblich – und ist für Verbraucher nur schwer zu durchschauen.

Um Produkte oder ganze Unternehmen klimaneutral zu machen, können grundsätzlich zwei Wege gewählt werden: die tatsächliche Reduktion und Vermeidung klimaschädlicher Gase oder deren Kompensation. Beim Kauf von Emissionsgutschriften für Projekte im globalen Süden könne die versprochene Reduktion von Klimagasen nicht sicher garantiert werden, so die Deutsche Umwelthilfe.

Keine Mindeststandards für Siegel

Noch ein Problem: Anders als bei staatlich vergebenen Bio- und Ökosiegeln existiert für CO2-Label kein gesetzlich geregelter Mindeststandard. Die von privatwirtschaftlichen Unternehmen vergebenen Siegel sind daher nicht verlässlich, und auch die Grundlagen für die Berechnungen der Emissionen sind nicht einheitlich, bemängelt die DUH. Wie viele diese Siegel es gibt, lasse sich nicht sagen – zumal viele Unternehmen auf die Andeutung eines Siegels verzichten und einfach das Wort „klimaneutral“ in besonders auffälliger Aufmachung auf die Produkte drucken.

EU-Kommission schreitet ein

Nicht nur die DUH hat dem Greenwashing der Firmen den Kampf angesagt. Der Handelskonzern Rewe stoppte nach einer Abmahnung durch Foodwatch die Kennzeichnung von Hähnchenbrustfilet als „klimaneutral“. Auch der Geflügelschlachter PHW und der Safthersteller Eckes-Granini haben irreführende Klimawerbung stoppen müssen.

Überprüfung mit erschreckendem Ergebnis

Das Problem ist weder neu noch typisch deutsch. Die EU-Kommission hat die Zuverlässigkeit von Angaben wie „CO2-neutral“ oder „bienenfreundlich“ bereits im Jahr 2020 untersuchen lassen. Das Ergebnis: 53 Prozent der überprüften Umweltaussagen waren vage, irreführend und unfundiert. Für 40 Prozent fand sich kein Beleg. Die Molkerei Arla hat nach einem verlorenen Prozess zu Beginn des Jahres in Stockholm erklärt, in Schweden künftig nicht mehr damit zu werben, dass ihre Produkte „CO2-neutral“ seien. Die EU-Kommission hat inzwischen gemeinsame Kriterien für zuverlässige und vergleichbare Umweltaussagen in der Werbung vorgeschlagen. Mit der sogenannten Green-Claims-Richtlinie sind auch Regeln für EU-weit einheitliche Umweltzeichen vorgesehen. Doch noch ist es nicht so weit. Über den Entwurf der Richtlinie müssen noch das EU-Parlament und der Ministerrat miteinander verhandeln.

Sinnvolle Hingucker

Kennzeichen
Es gibt zahlreiche Siegel und Label, mit bedingter Aussagekraft. Es gibt fünf, die vom Umweltbundesamt empfohlen werden.

Empfohlen
Das EU-Energielabel für Elektrogeräte, das Bio-Siegel bei Lebensmitteln, das EU- Ecolabel und der Blaue Engel für verschiedene Alltagsprodukte sowie der Grüne Knopf bei Bekleidung böten eine gute Orientierung, heißt es auf der Webseite.

Weitere Themen

Weitere Artikel zu Gericht Werbung dm Karlsruhe