Lokale Umweltvereinigungen wie die Schutzgemeinschaft Filder und die Arge Nord-Ost warnen vor weniger Einfluss, wenn die Pläne der Bundesregierung zur Planungsbeschleunigung bei Infrastrukturvorhaben umgesetzt werden würden.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Die Ankündigung der Berliner Regierungskoalition zum Zweck der Planungsbeschleunigung etwa bei großen Infrastrukturprojekten, Genehmigungsverfahren zu verkürzen, juristische Verfahren auf nur noch eine Instanz zu beschränken und die Klagebefugnis von Umweltverbänden zu überprüfen, stößt bei lokalen Verbänden wie der Schutzgemeinschaft Filder oder der Arge Nord-Ost auf Kritik. „Wir haben das und manch anderes im Koalitionsvertrag mit Sorge gelesen“, sagt Joseph Michl von der Arge, die sich für den Erhalt von Freiflächen im Stuttgarter Nordosten einsetzt, deren Existenz sie vor allem durch die Pläne für eine Straßenverbindung zwischen Kornwestheim (Kreis Ludwigsburg) und Fellbach (Rems-Murr-Kreis) gefährdet sieht. „Wenn Projekte erst mit großer Verzögerung fertiggestellt werden können, liegt das in den meisten Fällen an schlechter Planung oder geringer Zustimmung“, betont Michl. Klageverfahren seien selten der Grund für Verzögerungen.

 

Daher werde es, so die Prognose des Aktivisten, „zu keiner Beschleunigung durch Verkürzungen des Klageweges kommen“. Michl gibt zu bedenken, dass sich eine solche Maßnahme auch gegen die Projektbetreiber wende könne. „Auch der planenden Behörde wäre der Weg in die Revision versperrt.“ Die Arge sehe „die zunehmenden Versuche des Staates, sich bei Planungen noch einfacher über Schutzrechte zum Nachteil der Menschen und der natürlichen Ressourcen hinwegsetzen zu können, sehr kritisch.“ Die Arge ist „kein anerkannter Umweltverband, den eine Beschneidung des Verbandklagerechts direkt träfe“, wie Michl erklärt. Im Kampf gegen den Nordostring setzte man eher auf Klagen auf Grundlage des Eigentumsrechts.

Schutzgemeinschaft sieht „noch mehr Steine in den Weg gelegt“

Am entgegengesetzten Ende von Stuttgart kämpft die Schutzgemeinschaft Filder seit mehr als einem halben Jahrhundert für die Flächen der fruchtbaren Hochfläche im Süden der Landeshauptstadt. Der Flughafen, die Landesmesse, Fernstraßen wie die A 8 und die B 27, zu deren Ausbau die Planungen zuletzt angelaufen sind, sowie Stuttgart 21 konkurrieren auf den Fildern um die knapper werdende Ressource Boden mit Siedlungen und der Landwirtschaft. „Ich befürchte, dass die Überprüfung der Reichweite des Verbandsklagerechts dazu führen wird, dass einem Umweltfachverband wie der Schutzgemeinschaft Filder künftig noch mehr Steine in den Weg gelegt werden“, sagt Frank Distel, stellvertretender Vorsitzender der Vereinigung.

Die Schutzgemeinschaft wehrt sich aktuell vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) gegen die Pläne der Bahn im Bereich rund um den Flughafen. Dort klage man, „weil unsere Einwendungen, insbesondere gegen die Planrechtfertigung des Gesamtprojekts Stuttgart 21 nicht sachgerecht abgewogen wurden“, wie Distel beton. Der VGH hat jüngst angekündigt, die seit November 2016 anhängige Klage in der zweiten Jahreshälfte 2018 zu verhandeln.

Fehlende Waffengleichheit bemängelt

Frank Distel sieht Umweltverbände in einer schlechten Ausgangsposition und bemängelt „das Fehlen jeglicher Waffengleichheit zwischen öffentlichen Antragstellern bei Infrastrukturprojekten und Projektgegnern.“ Letztere müssten mit Bordmitteln arbeiten, während sich etwa die Bahn „Heerscharen von Gutachtern zur Erlangung gewünschter Ergebnisse“ bedienen könne. Dieser „ unsägliche Zustand“ solle jetzt mit diesen Planungsbeschleunigungen noch verschärft werden, so Distel.