Die Galerie Abtart stellt die Malerei-Klasse von Cordula Güdemann vor. Auf einige der Künstlerinnen und Künstler kann die Stuttgarter Professorin sehr stolz sein.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Was macht gute Künstler aus? Handwerk, hätte man früher vermutlich gesagt. Dazu eine Prise Talent und ansonsten Fleiß und Spucke. Fragt man Cordula Güdemann, was sie jungen Künstlerinnen und Künstlern mit auf den Weg geben will, sagt sie dagegen „Selbstvertrauen“.

 

Güdemann ist Professorin an der Stuttgarter Kunstakademie und will, dass ihre Studierenden „mutig sind und ihre Sache machen und vertreten.“

Die Rechnung scheint aufgegangen zu sein. Seit 25 Jahren unterrichtet die Malerin bereits den künstlerischen Nachwuchs – und in der Galerie Abtart in Möhringen ist nun eine Art Best-off der Klasse Güdemann zu sehen, die manches Talent hervorgebracht hat: Tesfaye Urgessa zum Beispiel ist fast schon ein Star in der Szene. Der Stuttgarter Galerist Marko Schacher hat den Künstler entdeckt, den ein Stipendium von Äthiopien an die Stuttgarter Akademie führte. Seine Gemälde von verlorenen, den Blicken ausgelieferten Kreaturen wurden schon in den Uffizien und im Kontext der Biennale von Venedig gezeigt, erzählt Güdemann – und man merkt, wie stolz sie das macht.

Die Professorin kitzelt heraus, was die jungen Künstler machen wollen

Die Zeiten, da die Professoren einmal im Monat an der Akademie vorbeischauten und bei sogenannten „Korrekturen“ die Schüler zur Minna machten, sind längst vorbei. Cordula Güdemann spricht eher von Zusammenarbeit. „Ich begleite sie, wir analysieren die Arbeit, um herauszufinden, was jemand machen will“, sagt sie. Ohnehin waren viele ihrer Studierenden keine blutigen Anfänger mehr, sondern vor dem Studium oft schon berufstätig. Viele kamen auch aus dem Ausland. „Für meine Klasse war es von Anfang an wichtig, dass unterschiedliche Kulturen vertreten sind“, sagt Güdemann. Jinjoo Lee hatte zum Beispiel bereits fünf Jahre in Seoul studiert, als sie 2013 an die Stuttgarter Akademie kam. In der Ausstellung zeigt sie Fleisch, das wie Männerarme tätowiert ist. Mit den Zeichnungen will die junge Frau die kapitalistische Gesellschaft kritisieren, sagt sie.

Auch wenn die neuen Medien in immer mehr Lebensbereichen das Regiment übernehmen und die meisten Studierenden heute selbstverständlich auch digital unterwegs sind, sagt Güdemann: „Die Lust, zu malen, ist geblieben“. Das sieht man der Ausstellung auch an. Claudia Magdalena Merk etwa malt Soldaten auf großem Format. „Ich will zeigen, wie Menschen in Extremsituationen wie Krieg, Trauer und Tragödien handeln“, erklärt sie. Mit ihrem „Realismus an der Grenze zum Abstrakten“ hat sie das Kunstmuseum Stuttgart bereits überzeugt: Im Herbst wird Merk im Kunstmuseum in der Reihe „Frischzelle“ ausstellen.

Wichtig ist es, über die eigenen Arbeiten reden zu können

So gibt es einige, um die sich Cordula Güdemann keine Sorgen machen muss. Auch Yongchul Kim wird bereits von der Stuttgarter Galerie Thomas Fuchsvertreten. Aber es gab auch Künstler, die irgendwann abgetaucht sind und der Kunst vermutlich Adieu gesagt haben. „Man kann sie noch so fördern, sie verschwinden manchmal“, sagt Güdemann, die versucht, allen zumindest das nötige Rüstzeug mitzugeben, will sagen: ein qualitätsvolles Portfolio und die Fähigkeit, über die eigene Arbeit zu sprechen.

Stefanie Fleischhauer hat ihre Lektion bereits gelernt. Sie ist zwar erst im sechsten Semester, erklärt den Besuchern der Galerie Abtart aber durchaus eloquent, dass sie in ihren Schwarz-Weiß-Zeichnungen Traumata verhandle, die über Generationen weitergereicht werden. „Ich habe mein Traumtagebuch in Zeichnungen umgesetzt.“ Die größeren Blätter kosten 800 Euro. Der Preis bei Anfängern folgt meist einer festen Formel, so Güdemann: Länge mal Breite mal Faktor fünf.

Die Chefin des Hauses hat die Ausstellung selbst gehängt

Die Präsentation in der Galerie Abtart könnte helfen, dass der Faktor der 22 Künstlerinnen und Künstler alsbald ein bisschen höher rutscht. Cordula Güdemann hat schon viele Ausstellungen mit ihrer Klasse organisiert, „dieses Forum hier ist aber das beste, das wir je hatten“, sagt sie, „fast wie ein kleines Museum, in dem man die Arbeiten so hängen kann, dass keine die andere bedrängt“. Das war allerdings gar nicht so einfach, wie Karin Abt-Straubinger, die Chefin des Hauses verrät. Sie hat sie Hängung der Werke wie immer persönlich übernommen. „Das war schwierig bei dieser Vielfalt“, erzählt sie. Der Ausstellung merkt man es nicht an.

Im Untergeschoss der Galerie stehen mehrere Rollstühle. Man könnte meinen, es seien Kunstobjekte, aber die Rollstühle erinnern an einen besonderen Schüler von Cordula Güdemann: Friedrich Zirm. Aufgrund eines Sauerstoffmangels bei der Geburt saß er im Rollstuhl – und hat sich trotzdem von einer Künstlerkarriere nicht abhalten lassen. Er malte mit dem Stift im Mund, später steuerte er mit der Zunge auch spezielle Spielzeugautos, aus denen Farbe spritzte. Anfang des Jahre ist Zirm gestorben. Einige seiner zarten Zeichnungen erinnern an den Künstler, für den Güdemanns Motto in besonderem Maße galt: „Kunst braucht viel Zeit, Ausdauer und Geduld.“

Ausstellung
bis 28. August, Rembrandtstraße 18, geöffnet Dienstag bis Freitag 14 bis 19 Uhr

Die Professorin und ihre Klasse

Professorin
Cordula Güdemann, 1955 in Baden geboren, hat in Karlsruhe und Düsseldorf studiert. Seit 1995 ist sie Professorin für Malerei an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart. 1988 wurde die Malerin mit dem Villa Massimo-Preis ausgezeichnet.

Klasse
In der Klasse von Cordula Güdemann werden nicht nur freie Künstler, sondern auch angehende Kunsterzieher ausgebildet.

Gespräch
Am 16. Juli ist die Galerie Abtart zwischen 14 und 21 Uhr geöffnet und sind die Künstler Wolfgang Neumann, Tiin Kurtz und Tesfaye Urgessa vor Ort, um über ihre ausgestellten Arbeiten zu sprechen.