Der Kultusminister hat in Schulen in Esslingen und Stuttgart motivierte Schüler und Lehrer getroffen. Was fehlt sind Schulbüchern für die Flüchtlingskinder und eine gute Vorbereitung für Lehrer im Umgang mit teilweise traumatisierten Kindern. Doch das Land stellt Abhilfe in Aussicht.

Stuttgart - Mal kommt eine Woche lang keiner, dann kommen wieder täglich neue Flüchtlingskinder in die Klasse. Lehrer, die die sogenannten Vorbereitungsklassen unterrichten, müssen flexibel sein. Sie sind nicht unbedingt vorbereitet auf das, was auf sie zukommt. Doch läuft der Unterricht erstaunlich gut.

 

In Stuttgart und Esslingen bewiesen das verschiedene Lehrerinnen und Lehrer am Freitag dem Kultusminister ganz direkt. Andreas Stoch (SPD) besuchte die Rosensteinschule in Stuttgart und die Käthe Kollwitz-Schule in Esslingen – auch um die Arbeit der Lehrer zu würdigen, wie er betonte.

„Es ist immer Unruhe in der Klasse durch die Neuankömmlinge“, konstatiert die Lehrerin Regine Wagner von der Rosensteinschule. „Dabei bräuchten die Kinder nach teilweise traumatischen Erlebnissen Ruhe und klare Strukturen.“ Auch wenn nicht jede Lehrerin geschult wurde, ehe sie eine Flüchtlingsklasse übernahm, so lobt Wagner doch, „seit dem vergangenen Jahr hat sich einiges getan“. Das Land biete „sehr kompetente Fortbildungen an“.

Ratschläge für den Umgang mit traumatisierten Kindern

Auch Stoch versichert, „es gibt genügend Angebote für Grundschullehrkräfte. Wir können und wir müssen die Lehrer schnell nachqualifizieren.“ Für den Umgang mit traumatisierten Kindern hat die Fachberaterin für Psychotraumatologie, Hanne Shah, jetzt im Auftrag des Ministeriums eine Handreichung für Lehrer erstellt.

Auf der anderen Seite klagt Regine Wagner, „es gibt kein gutes Schulbuch“. Wagners Klasse an der Werkrealschule ist mit 24 Schülern zudem bis zum Rand voll. Das funktioniert nur, weil einige der 14 bis 17 Jahre alten Schüler schon teilweise in die herkömmlichen Klassen integriert werden können. Regine Wagner beschreibt ihren Alltag so: „Wir müssen immer wieder von vorne anfangen. Wir machen hier unseren täglichen Freischwimmer“.

Um Flexibilität bemüht

24 Schüler in der Vorbereitungsklasse betrachtet der Minister eher als Ausnahme. „Es ist Luft in den Klassen, im Durchschnitt haben sie zwölf bis 14 Schüler“, sagt Stoch. Das Land bemühe sich um Flexibilität, man schaffe zusätzliche Stellen und steuere permanent nach, doch, so räumt er ein, „irgendwann ist bei der Lehrereinstellung der Zug abgefahren“.

Aber es gibt andere Möglichkeiten. Leute, die zwar nicht die kompletten Voraussetzungen für die Einstellung in den Schuldienst erfüllen, sich jedoch mit Deutsch als Zweitsprache auskennen, haben gute Chancen auf eine Anstellung. Es konnten gar nicht alle zur Verfügung stehenden Stellen besetzt werden, heißt es aus dem Ministerium.

Land will für guten Start sorgen

Viele Flüchtlingskinder sind entschlossen ihre Chance zu nutzen. Das Land wolle ihnen möglichst gute Startchancen eröffnen, hebt Stoch hervor. So kann nun in der Hauptschulabschlussprüfung das Fach Englisch durch eine Prüfung in der Herkunftssprache ersetzt werden. Allerdings nur in einer europäischen Sprache. „Wir müssen die Prüfungen auf den Hintergrund und die Vielfalt in den Klassen ausrichten“, erläutert der Minister.

In Esslingen meldet der Rektor Thomas Fischle erste Erfolge. Etliche Schüler machen in Vereinen mit. Zwei afghanische Schüler haben bereits den Hauptschulabschluss bestanden und eine Lehrstelle gefunden. Das A und O sind Praktika, damit sich die motivierten jungen Leute in den Betrieben bekannt machen können, betont der Schulleiter.

Er möchte gerne, dass die Flüchtlinge bis zum Alter von 25 Jahren in die Vorbereitungsklassen der beruflichen Schulen kommen können. Doch die Kapazitäten lassen das nicht zu. Die Altersgrenze liegt bei 21 Jahren. Peter Keck vom Esslinger Landratsamt erwartet noch mehr Flexibilität vom Land: „Wir müssen die Klassen auch während des Schuljahrs einrichten können“. Stoch seinerseits blickt nach Berlin: „Der Bund muss seinen Anteil tragen, die Länder allein sind überfordert“.

Viele Antragsteller aus dem Kosovo

Baden-Württemberg rechnet in diesem Jahr mit 52 000 Flüchtlingen, das sind doppelt so viele wie 2014. Derzeit sind die meisten Antragsteller aus dem Kosovo (31,8 Prozent),stark vertreten sind Gambia (10,2 Prozent), Albanien (9,2) und Syrien (8).

10 566 Grundschulkinder besuchen 780 Vorbereitungsklassen. An Haupt-/Werkrealschulen gibt es 359 Klassen mit 5300 Schülern. Berufliche Schulen unterrichten in 177 Klassen Flüchtlinge im Alter von 16 bis 21 Jahren ohne Deutschkenntnisse. Im Etat für 2015 stehen gut 21 Millionen Euro.