Antje Tiefenthal gräbt sich jede Woche durch die wichtigsten Klatschblätter. Mit gutem Grund: sie betreibt das Blog "Klatschkritik".

Stuttgart - Dunkle Wolken über Monaco: das ist eine Story ganz nach ihrem Geschmack. Hat Fürst Albert II. tatsächlich ein drittes Kind gezeugt, während er schon mit seiner Braut Charlene Wittstock liiert war? Steht die Hochzeit auf der Kippe? Und falls ja, warum spielen People-Magazine wie die "Gala" die Nachricht als "absurdes Trennungsgerücht" herunter? Reden sie nach der glamourösen Party Klartext? Antje Tiefenthal gräbt sich jede Woche durch die wichtigsten Klatschblätter. Es geht ihr wie Millionen anderen überwiegend weiblichen Lesern, die es genießen, durch ein Schlüsselloch in die Welt der Reichen und Schönen zu spähen. Sie verfolgt das Rätselraten um die Hochzeit von Brangelina und den Hype um die Trauzeugin der Royals, Pippa Middleton. Sie registriert, dass Veronica Ferres neuerdings eine Kurzhaarfrisur trägt und Kurvenstar Christina Hendricks ("Mad Men") Probleme hat, einen passenden Bikini zu finden - mit Körbchengröße 85 E.

 

Im Gegensatz zu anderen Lesern kann die 27-jährige Hamburgerin ihr Interesse an Klatsch & Tratsch allerdings sogar journalistisch legitimieren. "Klatschkritik", so heißt ihr Blog, in dem sie nach handwerklichen Fehlern in Magazinen wie "Gala" oder "Bunte", "Instyle" oder "OK!", "in Touch" oder "Grazia" sucht. Tiefenthal prangert es an, wenn auf der Titelseite angekündigte Geschichten als Kurzmeldungen im Heft daherkommen. Sie wird nicht müde, zu kritisieren, dass die Grenze zwischen redaktioneller Berichterstattung und Werbung immer durchlässiger wird - siehe Rouge Coco Shine. Der Lippenstift von Chanel zierte jüngst nicht nur ganzseitige Anzeigen in "Gala", "Petra" oder "Maxi", der Hersteller wurde auch im redaktionellen Teil hofiert. Tiefenthal hat nachgezählt: "17-mal tauchten Produkte von Chanel auf." Als Sahnehäubchen habe es sogar einen redaktionellen Beitrag über Chanel gegeben. Das Foto dazu sei dasselbe gewesen wie in der Anzeige. Titel: "Oh, lÕ, lÕ, Chanel".

Antje Tiefenthals Zielgruppe sind Redakteure

Man mag das banal oder gar albern finden, doch dieses Watchblog schaut auf einen Markt, der heiß umkämpft ist, seitdem Blätter wie "OK!" oder "in Touch" gezielt um Leserinnen buhlen, die sich weniger für Albert II. als für seine 23-jährige Nichte Charlotte Casiraghi interessieren. Die Journalistin Antje Tiefenthal ist mit dem Leiter der evangelischen Journalistenschule in Berlin verheiratet. In der Elternzeit hat sie ihr Blog ins Leben gerufen. Ihr geht es ums Prinzip. Die Blattmacher glaubten, der Leser merke es nicht, "wenn ihnen die ,Instyle' ein zwei Jahre altes Cover von Jessica Simpson aus der US-Elle als Neuheit verkauft", sagt sie. Mit Herstellernachweisen sei dem Leser vorgegaukelt worden, das Outfit, das die Popsängerin und Schauspielerin trage, sei noch en vogue.

Dass durch ihre Arbeit auch die Leser der bunten Blätter etwas über die Mechanismen des People-Journalismus erfahren, sei eher ein "toller Nebeneffekt", sagt Tiefenthal. Ihre Zielgruppe sind aber die Redakteure. Die dürften das Blog mittlerweile alle kennen. Kaum hatte sie ihre Website im März vergangenen Jahres gestartet, wurde sie bei dem Wettbewerb "Blogger 2010" schon zur Newcomerin des Jahres gewählt. Bis zu 40.000 Klicks im Monat zählt sie. Sie sagt, unter den Besuchern seien auch Mitarbeiter der Magazine. Den Boss eines der beiden renommiertesten Blätter hat sie schon getroffen: Peter Lewandowski, Chefredakteur der "Gala".

Ein Jobangebot habe er ihr nicht gemacht, versichert Antje Tiefenthal. Aber Interesse an ihrer Blattkritik hat Lewandowski schon gehabt, wie er dem NDR-Medienmagazin "Zapp" verraten hat. Oder sollte er sagen an kostenloser PR? Als neulich die "Bunte" Fotos brachte, die der Modemacher Karl Lagerfeld von Monacos Traumpaar geschossen hatte, endete ihr Blog-Eintrag mit dem Aufruf: "Also: wer Charlenes Bauchnabel sehen will, husch, husch - zum Kiosk."

Hier geht es zum Blog von Antje Tiefenthal