Klavierbaufirma in Filderstadt Eine Klavierbauerin erzählt – „Da geht eine Kultur verloren“

Sabine Briem ist die Chefin von Briem Klaviere und führt zusammen mit ihrem Onkel jenen Betrieb in Bernhausen, der 1919 von Gottlob Briem gegründet wurde, Sabine Briems Urgroßonkel. Foto: Caroline Holowiecki

Die Firma Briem Klaviere gibt es in Bernhausen seit über 100 Jahren. Tausende Instrumente wurden in Handarbeit gefertigt. Die Zukunft des einst florierenden Handwerks ist wenig rosig.

Die Morgensonne fällt durch die großen Fenster und malt helle Muster auf den alten Holzboden und auf die massiven Balken, die das Dach der Werkstatt stützen. In mehreren aneinandergereihten Räumen stehen große alte Maschinen und Sägen, auf historisch anmutenden Werkbänken ruhen diverse Gerätschaften neben Dosen, Gläsern und Pinseln. Eine ganze Latte von großen und kleinen Zwingen hängt in Reih und Glied an der Wand. Spinnweben sind rund um die steile Treppe garniert, die hinauf zum Holzlager führt. Alles wirkt nostalgisch und versprüht den Charme einer längst vergangenen Zeit. Das moderne Smartphone, das sich Sabine Briem an einer Kette umgehängt hat, wirkt da fast schon wie ein Fremdkörper aus der Zukunft. „Das wird langsam ein Museum hier“, sagt sie und schaut sich zwischen mit schweren Stoffen abgedeckten Klavieren und Flügeln um.

 

Resonanzböden kamen aus Bayern

Die 60-Jährige ist die Chefin von Briem Klaviere und führt mit ihrem Onkel jenen Betrieb in Bernhausen, der 1919 von Gottlob Briem gegründet wurde, Sabine Briems Urgroßonkel. Dessen Porträt hängt bis heute im Vorraum der Werkstatt. Die Zeichnung des Mannes mit Glatze und Schnauzer ist unmittelbar gegenüber von einem großen Klavier in Eichenoptik zu finden, auf dem in goldener Schrift der Name Briem steht.

Gut und gerne 2500 Klaviere sowie ein Flügel sind in den vergangenen Jahrzehnten in der Werkstatt an der Tübinger Straße gebaut worden. Ihre Hochzeit hatte die Firma laut Sabine Briem in den 60ern und 70ern, da sei mitunter an zwölf Instrumenten gleichzeitig gearbeitet worden. Vom Zuschnitt der Holzteile, vom Bearbeiten der Gussplatten und dem Aufziehen der Saiten bis hin zum Lackieren der fertigen Instrumente wurde hier alles selbst gemacht – in Handarbeit. Die Mechanik wiederum wurde von der Stuttgarter Firma Renner geliefert, erzählt Sabine Briem, heute sitzt sie in Gärtringen, die Klaviaturen und die Resonanzböden kamen aus Bayern. Alles made in Germany.

Bis in die Schweiz bekannt

Sabine Briem ist eine, die gern erzählt vom Handwerksbetrieb, den ihr Vorfahre aufgebaut und der den Namen Briem bis in die Schweiz bekannt gemacht hat. Bereitwillig zeigt sie uralte handschriftliche Listen, in denen Gottlob Briem minutiös die Stärken von Stahlsaiten und Kupferdrähten festgehalten hat, große Blechdosen, in denen Saiten aufgerollt sind, sowie Modelle und Schablonen für Einzelteile. „Sie müssen im Klavierbau Geduld haben, weil Sie alles 88 Mal machen“, sagt sie. Und obwohl ein Klavier 88 Tasten habe, seien viele Töne mit mehreren Saiten bespannt, um den Klang zu verstärken. So komme es, dass etwa 240 Saiten in den kastigen Kolossen stecken. Auf ihnen liege durch die Spannung eine Kraft, die 18 bis 20 Tonnen entspreche.

Komplette Klaviere werden in Bernhausen seit dem Jahr 2000 nicht mehr gebaut. Die Briems sind allerdings noch im Bereich Reparatur und Restauration tätig. In Bernhausen werden Saiten und Hämmer getauscht oder ganze Instrumente umlackiert, doch auch hier werden die Nachfragen laut Sabine Briem weniger. „Der deutsche Klavierbau ist eigentlich am Verschwinden“, bekennt sie. Die Gründe seien vielschichtig. Zunächst sei da die Konkurrenz durch industriell hergestellte Ware aus Asien zum einen und durch die viel leichteren und kompakteren E-Pianos auf der anderen Seite. Darüber hinaus sei so ein Klavier eben langlebig. „Wenn es gut behandelt wird, wird ein Klavier 80 bis 120 Jahre alt, wenn es restauriert wird, noch älter“, sagt sie. Ein echter Briem, ein in gut und gerne 100 Stunden handwerklich hergestelltes Instrument, das habe früher an die 10 000 D-Mark gekostet. „Dazu sind die Leute immer weniger bereit“, sagt Sabine Briem.

Den Beruf der Klavierbauerin gelernt hat sie in den 80er-Jahren, danach hat sie ein BWL-Studium draufgesattelt. „Ich komme aus einer Zeit, da waren Klavierbauer und Goldschmied die beliebtesten Ausbildungen im Handwerk“, sagt sie. Früher habe auch ihre Firma ausgebildet, heute seien der Beruf und die Betriebe selbst extrem selten geworden. „Es wird immer weniger, wir haben noch eine Handvoll Klavierhersteller in Deutschland.“ Sabine Briem sagt, dass diese Tatsache sie wehmütig macht. „Es ist Kultur, die uns verloren geht.“ Ja, natürlich könne man auch auf dem E-Piano oder dem Keyboard spielen. „Aber die haben nicht das, was ein Klavier hat: eine Seele.“

Blick hinter die Kulissen

Tag der offenen Tür
Die Filderstädter Musikschule Filum feiert ihr 50-jähriges Bestehen. Hierzu wird vom 18. bis zum 25. Oktober eine Festwoche ausgerichtet. Angedacht sind unter anderem ein Festakt am Samstag, etliche Konzerte und Vorspiele, außerdem werden im Rahmen einer Projektwoche für die Schülerinnen und Schüler intern besondere Angebote gemacht. „Der Unterricht wird in der Woche in einer anderen Form stattfinden“, sagt Katrin Bleier, die Musikschulleiterin. Angedacht seien Workshops, spezielle Ensembles – oder auch Besuche bei der Firma Briem Klaviere. Im Zuge dessen wird es auch einen Tag der offenen Tür für jedermann im Handwerksbetrieb an der Tübinger Straße geben. Einen Blick hinter die Kulissen werfen kann man am Mittwoch, 22. Oktober, zwischen 16 und 18 Uhr. Sabine Briem wird bei Führungen den historischen Klavierbau erklären. car

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