Rainer Braun, dem Besitzer eines sagenumwobenen Stuttgart-Modells, ist ein Coup gelungen: Mit dem weltweit größten Nachbau einer City, der in Herrenberg zu sehen ist, zieht er 2022 in die Nähe des Bonatz-Baus um.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Ins Metropol-Gebäude wollte er oder in die frei werdenden Räume von Breitling: Der Unternehmer Rainer Braun, der in Herrenberg seit 2017 Stuttgart im Maßstab 1:160 als Mini-Stadt mit dem noch vollständigen Bonatz-Bau als Kopfbahnhof und mit den kompletten Gleisanlagen als „Stellwerk S“ ausstellt, hat schon lange einen neuen Standort gesucht. Noch viel mehr Besucherinnen und Besucher, davon ist er überzeugt, würden kommen, wäre der sagenumwobene Nachbau zentral in jener Stadt zu sehen, die dieser detailverliebt dokumentiert. Einen wichtigen Unterstützer hatte Braun: OB Frank Nopper (CDU) sprach sich dafür aus, das Modell im eines Tages umgebauten Stuttgarter Bahnhof zu zeigen.

 

Der Bonatz-Bau ist es nicht geworden. Aber direkt gegenüber wird Klein-Stuttgart eine neue Bleibe finden – im früheren Media-Markt in dem namenlosen, unter Denkmalschutz stehenden Bau, der nach Hindenburg benannt war. Wie unsere Zeitung erfuhr, hat der Eigentümer, die Zentrum 01 GmbH mit Geschäftsführer Ferdinand Piëch, am Montag den Mietvertrag für Brauns Modellstadt unterzeichnet. Damit bekommt Stuttgart eine neue Touristenattraktion.

Eine Liebeserklärung an den alten Kopfbahnhof von Stuttgart

Ausstellungsmacher Rainer Braun ist im Glück. „Ich bin immer wieder durch Stuttgart gelaufen auf der Suche nach einer neuen Bleibe“, sagt er. Nach vier Jahren in Herrenberg hat der Unternehmer erkennen müssen, „dass der Standortnachteil im Landkreis Böblingen und die Coronakrise für die Ausstellung zu viel Last ist“. Die Wirtschaftlichkeit sei nicht mehr gegeben für eine Ausstellung, die vollständig privat finanziert wird. In Stuttgart ist die Fläche mit 360 Quadratmetern größer als am bisherigen Standort, wo 300 Quadratmeter zur Verfügung stehen. Laut Plan wird im Januar in Herrenberg ab- und im Februar in Stuttgart aufgebaut. Eröffnung könnte im März oder April sein.

Das Modell ist eine Liebeserklärung an den alten Kopfbahnhof von Stuttgart. Dabei handelt es sich um den weltweit größten Nachbau einer Innenstadt – doch es sollte lang dauern, bis die Öffentlichkeit ihn sehen durfte. In 30 Jahren hat der Bahnmitarbeiter Wolfgang Frey die City detailgetreu nachgebaut – in den Räumen eines S-Bahn-Aufgangs. Komprimiert auf 750 Quadratmetern entstand eine kleine Stadt. Mit einfachen Mitteln wurde Großes geschaffen: Aus einem Lippenstift etwa hat der 2012 mit 52 Jahren verstorbene Frey ein Zementsilo gemacht. Der Bülowturm ist eine Keksdose. Aus Tampons, die in Wasser aufquellen, bastelte er Bäume, aus Stecknadeln Laternen.

Die Pandemie sorgt für Umsatzeinbrüche in Herrenberg

Dass der Modellbauer bei manchen als „Spinner“ galt, hat ihn nie gestört. Geradezu besessen war der schwäbische Tüftler davon, seine Heimatstadt in der Ansicht der 1980er im Maßstab 1:160 detailverliebt für die Nachwelt zu dokumentieren. Aus Brandschutzgründen durfte er sein Klein-Stuttgart zu Lebzeiten nicht für die Öffentlichkeit öffnen, weshalb daraus ein Mythos wurde.

Der Herrenberger Unternehmer Rainer Braun, dessen Großvater bei der Bahn war, hat nach dem frühen Tod des Erbauers von dessen Witwe die Modellanlage gekauft. Das schnelle Geld kann er damit nicht machen – die Liebe zum Thema treibt ihn an. Die Pandemie sorgte für Umsatzeinbrüche. Dank etlicher Spenden sei ein Überleben in der Krise möglich gewesen. Da der Umzug sehr aufwendig ist und viel Geld kostet, hofft er erneut auf finanzielle Unterstützung. Dass viele Bahnfans helfen wollen, Klein-Stuttgart beim Bonatz-Bau aufzubauen, freut ihn sehr.

Seit 2010 ist der frühere Hindenburgbau namenlos

In den 1920ern ist der Hindenburgbau als Gegengewicht zum Hauptbahnhof gebaut worden. Auf dem Dach befand sich das erste Planetarium der Stadt. Außerdem gab’s ein Großrestaurant und ein dreistöckiges Konzertcafé. 1944 wurde das Gebäude weitgehend zerstört. Nach dem Krieg errichteten die Amerikaner ein „Special-Service-Kino“, welches 1955 als Rex-Kino bekannt wurde, Mitte der 1980er wurde daraus das Kino Ambo, das 2007 für immer geschlossen hat. Bis 1992 befand sich hier das Tabaris mit dem legendären Tanztee. 2006 ist das Kulturdenkmal um eine Glasfassade aufgestockt worden. Als der Gemeinderat 2010 die Ehrenbürgerwürde an Paul von Hindenburg aberkannte, zogen die Eigentümer des Gebäudes die Namensbezeichnung zurück – der Schriftzug an der Fassade wurde entfernt. Bis heute gibt’s keinen neuen Namen. 2016 hat Ferdinand Piëch den Komplex für 101 Millionen Euro gekauft.