Kleinhohenheim ist ein idyllisches Fleckchen mit historischen Gebäuden, das schönste aller Häuser wurde jedoch im Zweiten Weltkrieg zerstört. Zwei Männer haben unabhängig voneinander recherchiert.

Hohenheim - Der Text auf der Homepage der Uni Hohenheim ist kurz und knackig: „Die Historie weist Kleinhohenheim seit 1772 (Errichtung durch Herzog Carl Eugen von Württemberg) mit landwirtschaftlicher Nutzung aus. Ab 1817 galt es als ,Königliche württembergische Domäne‘ zur mustergültigen Haltung von Fohlen und Rindern (Appenzeller Vieh). Aus dieser Zeit stammen auch noch die Fundamentreste des heutigen Schafstallgebäudes, das seinerzeit als Schweizer-Haus gebaut wurde. 1864 wurde die Domäne zum Pachtgut umgewandelt, das dann im Jahre 1922 für die damalige Landwirtschaftliche Hochschule Hohenheim angepachtet wurde. 1976 ging die Domäne in ihrem heutigen Umfang in den Besitz des Landes Baden-Württemberg über, das die Fläche der Versuchsstation I der Universität Hohenheim zur Bewirtschaftung zuwies.“

 

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Ein Schweizer Haus auf den Fildern? Auch Christian von Holst hat sich zunächst gewundert, „dass sich ein König ein Bauernhaus bauen lässt“. Das „Bernerische Baurenhauß“ hat nämlich der berühmte Hofbaumeister Giovanni Salucci 1822 für König Wilhelm I. errichten lassen. Im unteren Teil des großen Gebäudes hätten sich Stallungen und eine Käserei befunden, „unterm Dach war die königliche Wohnung. Er ist sicher ab und zu mit der Kutsche hingefahren und hat dort übernachtet“.

Renommierter Kunsthistoriker recherchierte zu Pferden

Christian von Holst ist ein renommierter Kunsthistoriker. Der frühere Direktor der Staatsgalerie hat sich in der Pandemie mit Pferden – vornehmlich mit Arabern – und dem königlichen Gestüt befasst, „als reines Hobby und Spaßvergnügen“. Der 80-Jährige recherchierte in der grafischen Sammlung seiner früheren Wirkungsstätte, in der Landesbibliothek, in den großen Archiven – und vor Ort. Per E-Bike ging es nach Weil (heute ein Teil von Esslingen), nach Scharnhausen (Ostfildern) und eben nach Kleinhohenheim, zu den Standorten der drei Höfe, aus denen ehemals das königliche Gestüt bestand. „Kleinhohenheim kannte ich davor nicht. Eine wahre Entdeckung“, sagt er.

Was er zusammengetragen hat, hat er auf seiner Homepage veröffentlicht. Etwa dieses: Nach Kleinhohenheim seien ausschließlich Hengstfohlen gebracht worden. „Im Auf und Ab des weitläufigen Geländes können sie sich über Jahre in größter Freiheit zu edelsten Repräsentanten des Arabischen Vollbluts entwickeln“, schreibt Christian von Holst online. Einem Plan von 1861 habe er zudem entnommen, dass die Domäne einst deutlich größer war. „Ursprünglich reicht sie hinauf bis nach Sillenbuch-Riedenberg, bis zur Straße Am Eichenhain und der Eichenparkstraße.“

Der Ausblick von dort ist herrlich

Demnach wäre auch Karl Kästle ein Kleinhohenheimer gewesen. Der 81-Jährige wohnt in der Sillenbucher Kolpingsiedlung, und auch er ist historisch interessiert. Besonders angetan hat es ihm das Schweizer Haus. Der Ausblick von der Stelle, wo es einst stand, ist herrlich. Über die Felder hinweg schaut man auf den Eichenhain, Birkach und die Alb. „Dies wusste schon Herzog Carl Eugen“, erklärt Karl Kästle. Umso mehr schmerzt es ihn, dass das Gebäude im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde.

Demnach ging am 4. März 1944 eine Brandbombe nieder. „Sie hat exakt in das Gut eingeschlagen.“ Es brannte bis auf die Grundmauern nieder. Andere Gebäude seien nicht getroffen worden, nur Felder. Luftaufnahmen aus dem Landesarchiv, die sich Karl Kästle besorgt hat, zeigen Krater auf den heutigen Versuchsflächen. 2014 wurden zwei 250 Kilo schwere Fliegerbomben der Amerikaner nahe der Kuhwiesenquelle gefunden. Häuser wurden für die Bergung evakuiert – auch in der Kolpingsiedlung. „Da war Großalarm, da waren um die 100 Einsatzkräfte“, erzählt er. „Es ist ewig schad’“, sagt Karl Kästle über den Verlust des Schweizer Hauses. Christian von Holst teilt diese Meinung. „Es ist traurig, dass ausgerechnet das wertvollste Haus getroffen wurde.“

War es ein Zufallstreffer oder eine gezielte Aktion?

Während Christian von Holst an einen Zufallstreffer glaubt, denkt Karl Kästle, die Bombardierung sei gezielt gewesen und müsse mit der Rolle Kleinhohenheims zu tun gehabt haben. „Von hier wurden im großen Stil die Stuttgarter versorgt“, sagt er. Auf den Feldern seien während des Kriegs Getreide, Mais und Kartoffeln angebaut worden. Die Alliierten hätten um wichtige Versorgungspunkte gewusst. „Das ist meine Theorie“, resümiert er. Menschen oder Behörden, die das bestätigen oder widerlegen, habe er trotz intensiver Recherche jedoch nicht gefunden.

Weitere Infos: www.christianvonholst.de