Immer mehr Kinder werden früh öffentlich betreut. Doch nicht alle werden ausreichend gefördert. Der erste Bildungsbericht des Landes zeigt, dass Kinder aus nicht-deutschsprachigen Familien große Sprachdefizite haben.
Stuttgart - Die Ansprüche der neuen Staatssekretärin an die Kinderbetreuung sind hoch: Jeder geschaffene Platz mus sein guter Platz sein“, sagte Marion von Wartenberg (SPD) bei der Präsentation des ersten Berichts zur frühkindlichen Bildung in Baden-Württemberg. Geschaffen wurden besonders für Kleinkinder jede Menge Plätze. Inzwischen liegt die Betreuungsquote landesweit bei 25 Prozent – mit großen regionalen Unterschieden.
Qualität ist besonders bei der Sprachförderung gefragt. Am 1. März 2013 besuchten 396 000 Kinder zwischen null und sechs Jahren die 8401 Kindertageseinrichtungen. 35 Prozent der Kinder haben mindestens einen Elternteil, der aus dem Ausland stammt. Bei mehr als jedem fünften Kind werde zu Hause nicht Deutsch gesprochen, hob Suzan Bacher, die Direktorin des Landesinstituts für Schulentwicklung, hervor. Auch hier unterscheiden sich die Regionen: In Stuttgart, Heilbronn und Pforzheim wachsen demnach mehr als 40 Prozent der Kitakinder in nicht-deutschsprachigen Familien auf.
Größter Nachholbedarf in türkischen Familien
Kinder aus Migrantenfamilien weisen Bacher zufolge bei den Einschulungsuntersuchungen einen deutlich höheren Sprachförderbedarf auf. Vor der Einschulung hatte im Schuljahr 2011/12 durchschnittlich jeder vierte ABC-Schütze große Lücken in der deutschen Sprache. Jedoch wurde nur 14 Prozent der Kinder aus deutschsprachigen Familien eine intensive Sprachförderung empfohlen. Dagegen hatten zwischen 40 und 75 Prozent der Kinder, bei denen zu Hause andere Sprachen gesprochen werden, intensiven Nachholbedarf. Am größten war er mit 74,6 Prozent bei Kindern, in deren Familie ausschließlich türkisch gesprochen wird.
Ist die Familiensprache Russisch, liegt der intensive Förderbedarf bei 57,6 Prozent. Jungen sind mit 55 Prozent etwas stärker in der Gruppe mit hohem Förderbedarf vertreten als Mädchen. Auf die Landkreise übertragen, ergab sich für Pforzheim die größte Gruppe mit intensivem Förderbedarf (56,7 Prozent), im Schwarzwald-Baar-Kreis zeigten nur 11,3 Prozent der Erstklässler große Sprachdefizite. Stuttgart scheint die Sprachprobleme gut in den Griff zu bekommen. Trotz des hohen Ausländeranteils ist die Gruppe der Kinder mit hohem Förderbedarf mit 22,3 Prozent deutlich kleiner als der Landesdurchschnitt von 25,2 Prozent.
Förderung vom ersten Jahr an
Marion von Wartenberg verwies darauf, dass Kinder mit zusätzlichem Bedarf seit einem Jahr bereits vom ersten Kindergartenjahr an gefördert werden. „Jedes Kind soll mit den besten Voraussetzungen in die Schule kommen“, sagt Wartenberg.
Das stellt jedoch hohe Anforderungen an das Personal. „Die Qualität muss stimmen“, betont die Kultusstaatssekretärin. Die Kommunen suchen händeringend Fachkräfte. Das Land sieht sich auf einem guten Weg. 3000 ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher kämen im Sommer neu auf den Markt, meldet die Staatssekretärin.
Die Zahl der Plätze an den Fachschulen für Sozialpädagogik wurde um rund 2500 erhöht. Laut Ministerium gab es im Schuljahr 2007/08 rund 8800 Plätze, im Schuljahr 2012/13 zählte man mehr als 11 200 Schülerinnen und Schüler. Die Kapazitäten würden kontinuierlich erhöht. Geplant sei außerdem, die Fachschulen zu zertifizieren, damit Umschüler die Schulen mit Bildungsgutscheinen besuchen können.
Praxisintegrierte Ausbildung kommt an
Als wichtigen Schritt wertet die Staatssekretärin auch die praxisintegrierte Ausbildung, einen dualen Ausbildungsgang, der in diesem Schuljahr begonnen hat. Die Teilnehmer an dem Modell erhalten anders als die Fachschüler während der Ausbildung eine Vergütung. So habe man mehr Männer für die Ausbildung gewonnen, lobt von Wartenberg. Ihr Anteil liege bei 15 Prozent. Auch hätten 53 Prozent der Auszubildenden Abitur oder Fachhochschulreife.
Noch nie gab es weniger Kinder im Land, doch immer mehr von ihnen werden öffentlich betreut. Carmina Brenner, die Präsidentin des Statistischen Landesamts, macht deutlich: Ende 2011 lebten in Baden-Württemberg 553 440 Kinder unter sechs Jahren, so wenig wie nie in der Geschichte des Landes. Bis zum Jahr 2030 erwarten die Statistiker einen Rückgang um zehn Prozent. Die Zahl der Kinder in Tagesstätten stieg bei den Kindern unter drei Jahren seit 2006 von sieben auf 20 Prozent. Von den Kindern zwischen drei und sechs Jahren besuchen 96 Prozent eine Kita.