Der Gebersheimer Werner Holler hat sich ab 2016 mit seinen „Kuckucksbühnen“ auf Poetry Slam spezialisiert. Nach Corona steigen die Besucherzahlen.

Nachdem er viele Jahre als Musiker, Manager und Veranstalter in der Musikszene tätig war, hat sich Werner Holler 2016 der Poetry-Szene zugewandt und ist inzwischen nur noch damit in der Region aktiv. „Weil es etwas Frisches ist“, erklärt Holler, der vorher im Bereich Comedy und Kabarett unterwegs war und sich mit seiner „Kuckucksbühne“ einen Namen gemacht hat. Zudem widme er sich gerne Menschen, die am Anfang ihres Lebens stehen, Menschen, die auch Neues ausprobieren können, sagt der Mann, der heute noch in seinem Hauptberuf als Lern- und Sozialtherapeut arbeitet. Für Werner Holler ist der Poetry Slam eine Mischung aus „Sonntagsandacht, Outing und einem Bewältigen, was man erlebt hat“. Es ist für ihn wie eine Art Psychotherapie. „Das ist eine ganz intensive Angelegenheit – das gefällt mir“, sagt Holler.

 

Slammer-Community hat sich regionalisiert

Hier in der Region sei der Poetry Slam relativ neu, ist von Werner Holler zu erfahren. Nachdem er damit begonnen hatte, sprach sich schnell herum, dass es so etwas hier gibt. Aber schon vor Corona gab es „eine Delle“, erzählt der Freiberufler. Jetzt habe sich die Situation geändert: Zunächst einmal kämen keine ambitionierten Slammer aus ganz Deutschland mehr. „Die Community hat sich regionalisiert“, erzählt Werner Holler. Viele Tour-Slammer aus der Zeit vor Corona hätten ihre Karriere beendet oder sich ebenfalls auf lokale Events reduziert, berichtet er. Durch den Wegfall der überregionalen Profis habe sich ein Vakuum gebildet, das sich dann doch recht schnell mit Nachwuchs-Slammern aus der Gegend gefüllt habe. Das hat dazu geführt, dass aktuell viele junge Akteure die Bühne für sich in Besitz nehmen. Für das heutige Event in der Beat Baracke in Leonberg habe er Künstler, die unter 20 Jahre sind, gewinnen können. „Als die Slammer aus der ganzen Republik kamen, war es für mich kostspieliger. Denn den Tour-Slammern habe ich beispielsweise die Reisekosten gezahlt,“ erzählt Holler.

Bei den Besucherzahlen habe es wiederum einen Schub nach vorne gegeben, in der Beat Baracke beispielsweise habe sich die Zahl seit dem vergangenen Herbst ständig erhöht. Waren es vor Corona noch rund 40 Leute, so sind die aktuellen Veranstaltungen, laut Holler, mit 60 bis sogar zwei Mal 80 Zuschauern ausverkauft gewesen.

Schwierigkeiten in der Anfangszeit

Begonnen hat alles in Rutesheim. „Die kann ich überall aufstellen“, sagt Werner Holler über seine „Kuckucksbühnen“. Diese sind an den roten Paravents zu erkennen und stehen für Kunst, Kultur und Kabarett. Sie sind zu den „Kuckucksbühnen“ mit dem gleichnamigen Vogel geworden – und damit zu einem Zeichen, dass sie „in jedes Nest ihr Kultur-Ei legen“, wie der Gebersheimer einmal sagte. Bereits seit 2013 ist er mit ihnen als Veranstalter unterwegs. Dabei sei die Anfangszeit schwierig gewesen, wie der Organisator erzählt. Mit dem Umzug ins Weil der Städter Sankt Augustinus im Jahr 2016 klappte es dann besser. Mit seinen „Kuckucksbühnen“ hat Holler inzwischen 264 Events fast im Alleingang auf die Bühne gebracht.

Die Poetry-Szene entdeckte er 2016. Da lernte er den Poetry-Guru Nikita Gorbunow in Stuttgart kennen. Zu der Zeit war er auf der Suche nach etwas Neuem für seine „Kuckucksbühnen“. Weil er das technische Equipment selbst mitbringt, hält sich der Aufwand für ihn in Grenzen. Holler fungiert auch als Slam Master. Zudem moderiert er die Veranstaltungen in der Regel selbst, obwohl er sagt: „Ich bin eigentlich kein Sprachkünstler.“ Die Organisationen sind die Veranstalter, er liefert die Künstlerinnen und Künstler. „Mir persönlich sind rund 200 bekannt, etwa weitere 800 dürfte es insgesamt in Deutschland geben“, sagt Werner Holler. Je nach Planung, Interesse und Karrierestrategie „engagieren“ er und seine Crews die Wortkünstler zu den jeweiligen Terminen.

Kooperation mit der Beat Baracke

Ebenfalls seit 2016 organisiert Holler zusammen mit der Beat Baracke regelmäßig die Dichterwettstreite. Schon der erste Slam, den er mit dem Jugendhausverein veranstaltet hat, hatte eine gute Resonanz. In der Beat Baracke gebe es zwei Räume. Jetzt stehe für die Poetry Slams der große Saal zur Verfügung. Das sei wie im Theater und fände noch mehr Anklang, berichtet der Slam-Experte.

Werner Holler lernte als Kind beim Musikverein Lyra in Eltingen das Tenorhorn, als 14-Jähriger stieg er dort aus, um Rock’n’Roller zu werden. Bei drei Bands war er Schlagzeuger, so beispielsweise bei der in den 1990er Jahren gegründeten Rutesheimr Coverband „Brown Sugar“. Als junger Mann war er einer der Vorbereiter des Warmbronner Open Air, später veranstaltete er rund 150 Events im Rock Club LKA in Stuttgart.

Werner Holler, der vom Alter her bald in Rente gehen könnte, betont: „Ich mache weiter, so lange ich Bock habe.“ Fit hält er sich durch Sport, den er zwei bis drei Mal die Woche treibt. Er sei in seinem Hauptberuf immer noch gefragt. Das hält ihm den Rücken frei, denn: „Mit Kleinkunst kann man heute kein Geld verdienen.“

Termine Das nächste Event in der Beat Baracke Leonberg ist heute, um 20 Uhr, Einlass ist 19.30 Uhr. Karten gibt es zu 13 oder zu 8 Euro an der Abendkasse sowie online bei Eventim.de. Am 30. Juli gibt es beim Warmbronner Open Air um 12 Uhr ein Poetry Open. Slammer und Slammerinnen sowie Liedermacher sind beim „Weiler Strandsommer“ in Weil der Stadt am 30. Juli, um 18 Uhr. Im Bauernhausmuseum Gebersheim ist am 5. August, um 19.30 Uhr, ein Dichterwettstreit geplant.