Die Siechenhauskapelle, eines der ältesten Bauwerke der Stadt Waiblingen und eine der wenigen verbliebenen Kapellen ihrer Art, soll wieder öffentlich zugänglich werden.

Waiblingen - Welch kostbares Kleinod am östlichen Rand ihrer Stadt steht, das dürfte vielen Waiblingern gar nicht bewusst sein. Denn die denkmalgeschützte Siechenhauskapelle aus dem Jahr 1473 ist leicht zu übersehen und führt eher ein Schattendasein: Sie kann derzeit nur im Rahmen einer Führung besichtigt werden, welche Mitglieder des Heimatvereins auf ehrenamtlicher Basis ab und zu anbieten.

 

Doch der Dornröschenschlaf soll bald ein Ende haben: Im Kulturausschuss haben der Oberbürgermeister Andreas Hesky und der Kulturamtsleiter Thomas Vuk Pläne vorgestellt, die vorsehen, dass die Kapelle in der Beinsteiner Straße als „ein Ort der Stadtgeschichte wiederhergestellt und zugänglich gemacht“ wird.

Ein Gotteshaus für die Leprakranken der Stadt

Dass die Kapelle zu den wenigen Gebäuden gehört, welche den verheerenden Stadtbrand von 1634 überstanden haben, macht sie für Waiblingen zu einer Besonderheit. Doch auch in der Region spielt das Kirchlein eine Sonderrolle: Es ist eine der wenigen noch existierenden Kapellen, die als Gotteshaus für die in Siechenhäusern untergebrachten Leprakranken errichtet wurden. Denn diese Aussätzigen waren aus der Stadtgesellschaft und deren Gottesdiensten ausgeschlossen.

Nach den Angaben der Stadtverwaltung sind im Regierungsbezirk Stuttgart nur zwei Siechenhauskapellen erhalten geblieben: eine in Geislingen im Landkreis Göppingen und eben jene in Waiblingen. Eine vom Heimatverein Waiblingen finanzierte restauratorische Untersuchung der Kappelle im vergangenen Jahr hatte weitere Besonderheiten ans Licht gebracht. Zum Beispiel Farbspuren, die darauf hindeuten, dass der Kirchenraum früher ausgemalt war. Die Überreste von drei großen Heiligenfiguren seien entdeckt worden, erklärt Reinhold Kießling, der beim Heimatverein die Projektgruppe Siechenhauskapelle leitet. Obendrein sei ein Handabdruck im Verputz entdeckt worden, der wahrscheinlich noch aus dem 15. Jahrhundert stamme.

Lepraspalten im Innenraum – eine Waiblinger Besonderheit

Ein Alleinstellungsmerkmal sind laut Kießling aber die Hagioskope in einer Wand, welche den Chor der Kirche von einem Anbau trennt. Diese auch als „Lepraspalten“ bezeichneten Durchbrüche in der Mauer machten es den Kranken möglich, am Gottesdienst teilzuhaben, ohne die Kirche betreten zu müssen und Priester oder Ministranten zu gefährden. „Hagioskope gibt es in Baden-Württemberg nur drei Mal“, sagt Reinhold Kießling: „In Weil der Stadt, in Nusplingen und in Waiblingen. Die Waiblinger Besonderheit ist, dass die Spalten hier im Innenbereich sind.“ Sprich: in Waiblingen mussten die Leprakranken nicht wie anderswo im Freien stehen.

Das Gebäude selbst solle als Exponat gelten und auf seinen ursprünglichen Zustand zurückgeführt werden, erklärte Andreas Hesky. Diverse Einbauten müssen entfernt werden, denn im Laufe der gut 500 Jahre hat die Kapelle als Vereinsheim, Werkstatt, Wasch- und Schießhaus, als Aufbahrungsstätte für Selbstmörder und Treffpunkt der Hitlerjugend gedient. „Wir wollen die Kapelle auf den ursprünglichen Zustand zurückbringen und „den Raum als solchen wirken lassen“. Der Kulturausschuss hält das für eine gute Idee. Die Verwaltung soll nun einen Zeitplan erstellen und die Kosten ermitteln.