Sind die Extremniederschläge der vergangenen Tage nur „Pech“ oder ein Zeichen der globalen Erwärmung? Der Klimaforscher Andreas Fink erklärt, wie es dazu kam – und warum gerade das Frühjahr gefährlich ist.

Klima und Nachhaltigkeit: Julia Bosch (jub)

Globale Erwärmung oder ein Zufall beziehungsweise „Pech“? Wie lassen sich die Extremniederschläge der vergangenen Tage und das nun herrschende Hochwasser in Süddeutschland erklären? Der Klimaforscher Andreas Fink vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gibt Antworten – und wagt einen Blick in die Zukunft.

 

Hängen Extremniederschläge wie zuletzt mit der Klimaerwärmung zusammen?

Die Extremniederschläge der letzten Tage sind hauptsächlich der sogenannten Vb-Wetterlage zuzuschreiben. Dabei entsteht ein Tief über Oberitalien und zieht langsam über die Ostalpen hinweg Richtung Baltikum. Auch die Witterung der Vorwochen spielt eine Rolle: Das Frühjahr war sehr feucht, die Oberböden sind gesättigt oder nahe der Sättigung und können wenig bis kein zusätzliches Wasser aufnehmen.

Also spielt der Klimawandel keine Rolle?

Doch, der Klimawandel führt aufgrund der Erwärmung und einem damit einhergehenden höheren Wasserdampfgehalt der Atmosphäre dazu, dass die Gesamtniederschlagsmengen bei solchen Wetterlagen im meist einstelligen Prozentbereich höher ausfallen als noch vor einigen Jahrzehnten. Das kann aber im Einzelfall zur Überflutung von Deichen oder Deichbrüchen führen. Deren Dimensionierung wurde aufgrund von Daten vorgenommen, die vor der starken Erderwärmung seit den 1980er Jahren gemessen wurden und die Erhöhung der Niederschläge nicht hinreichend berücksichtigen.

Bei den Temperaturen ist es leicht, Veränderungen festzustellen, die mit der Klimaerwärmung zusammenhängen. Bei Niederschlägen scheint dies schwieriger. Warum?

Zum einen sind die Tag-zu-Tag Schwankungen von Niederschlägen viel höher. Zum anderen macht sich eine Veränderung zunächst in den Niederschlagsintensitäten im Minuten- und Stundenbereich bemerkbar. Hier liegen an vielen Stationen Daten erst seit deren Digitalisierung vor. Nötig wären Daten seit 100 Jahren oder mehr.

Es heißt, dass der zuletzt viele Regen in Süddeutschland auch mit einem Hochdruckgebiet über Skandinavien zu tun hatte . . .

Das hat nur insofern damit zu tun, dass das Hoch mit einer quasi-stationären, sogenannten blockierten Wetterlage einherging. Vor dem Starkregen am Wochenende zog das Hoch nach Osten Richtung Westrussland. Über Mitteleuropa lagen in den letzten Tagen wiederholt sich nur langsam verlagernde Tiefdruckgebiete. Inwieweit solche quasi-stationären Wetterlagen eine Folge des Klimawandels sind, ist gegenwärtig in der Wissenschaft Gegenstand zum Teil kontroverser Diskussionen.

In den vergangenen Tagen haben sich in der Region Stuttgart vor allem die kleineren Bäche als Problem herausgestellt, etwa in Rudersberg oder in Ebersbach an der Fils. Woran liegt das?

Die extremen Niederschläge betrafen kleinere Einzugsgebiete in Süddeutschland, darunter im östlichen Baden Württemberg. Bei den kleineren Bächen und Flüssen führten diese zu Jahrhunderthochwasser. Die Einzugsgebiete von Neckar oder Rhein sind viel größer und nicht alle Bereiche waren von den Starkniederschlägen betroffen. Dort gab es daher „nur“ Hochwässer mit fünf- oder zehnjährigen Wiederkehrzeiten. Bei Rhein und Neckar führten in der Vergangenheit nur großflächige, frontale Winterniederschläge mit Schneeschmelze in Mittelgebirgen zu Extremhochwasser; beim Rhein zuletzt in den Jahren 1993 und 1995.

Werden wir in der Zukunft immer öfter solche Extremniederschläge erleben?

Gerade bei sommerlichen starken Gewitterregen ist eine Zunahme der Intensität bei den stündlichen, zum Teil auch bei den täglichen Intensitäten zu rechnen. Blitzfluten wie in Braunsbach 2016 sind zunehmend möglich. Vb-Wetterlagen wird es auch in Zukunft gerade im Frühjahr immer wieder geben. Auch die Niederschlagsmengen werden durch die globale Erwärmung um weitere Prozente zunehmen. Somit muss der Hochwasserschutz auch bei kleinen Einzugsgebieten einen hohen Stellenwert einnehmen. Aus Sicht der Frühwarnung dürfte das Verwenden von Methoden der Künstlichen Intelligenz eine weitere Verbesserung bei den Vorhersagen ermöglichen. Es sind also vermehrt Anpassungs- und Vermeidungsstrategien gefragt.

Zur Person

Klimaexperte
Andreas Fink (58) ist Professor am Institut für Meteorologie und Klimaforschung am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Zu den Forschungsschwerpunkten des Meteorologen gehören unter anderem Modelle zur Vorhersage von Extremwettereignissen wie Fluten, Stürmen und Hitzewellen.