Reagiert die Atmosphäre auf steigende Temperaturen, indem sie mehr Wärme abgibt und das Klima somit wieder kühlt? Diese Hypothese gilt Klimaforschern als unplausibel, aber wenn man sie in Computersimulationen einbaut, bilden diese die Realität besser ab.

Stuttgart - Eine Hypothese, die unter Klimaforschern als verworfen galt, rückt durch eine neue Studie wieder in den Fokus. 2001 behauptete Richard Lindzen vom Massachusetts Institute of Technology, die Atmosphäre würde die globale Erwärmung automatisch dämpfen. Seine Idee ist als „Irishypothese“ bekannt geworden. Thorsten Mauritsen und Bjorn Stevens vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg greifen die Idee jetzt in stark abgewandelter Form wieder auf: Im Fachjournal „Nature Geoscience“ schreiben sie, ihre neue Irishypothese könne erklären, warum Klimamodelle den atmosphärischen Wasserkreislauf weniger genau wiedergeben als erhofft. Hinweise auf eine starke Dämpfung der Erwärmung finden sie jedoch nicht.

 

Die Irishypothese besagt, dass Wolken in den Tropen auf Temperaturänderungen ähnlich reagieren wie das Auge auf Helligkeitsschwankungen. Beim Auge steuert die Iris wie eine Blende im Fotoapparat den Lichteinfall. Die Atmosphäre gibt gemäß Richard Lindzen bei einem Temperaturanstieg mehr Infrarotstrahlung ab (und bei Abkühlung weniger). Die meisten Klimaforscher glauben, Lindzens Irishypothese sei durch Messdaten widerlegt. Außerdem konnte Lindzen keinen überzeugenden Mechanismus vorweisen, wie der Iriseffekt funktionieren soll.

Was könnte den Iriseffekt hervorrufen? Gemäß der neuen Studie ist die Ursache möglicherweise ein noch wenig verstandenes Phänomen tropischer Schauer- und Gewitterwolken. Es handelt sich um ein heißes Eisen in der Forschung, das kürzlich auf der Tagung der European Geosciences Union in Wien Thema von einem Dutzend Beiträgen war: Je wärmer es ist, desto eher vereinigen sich solche Wolken zu zusammenhängenden Gebieten. Dabei nehmen sie eine geringere Fläche ein als zuvor. Das würde zur Irishypothese passen.

Aus der Hypothese folgt eine geringere Klimasensitivität

Mit den lokal begrenzten Schauer- und Gewitterwolken haben Klimamodelle ein Problem, weil die Modelle räumlich nicht hoch genug aufgelöst sind. Darum werden die Wolken nicht präzise wiedergegeben. Klimamodellierer versuchen daher, sich rechnerisch der Wirklichkeit anzunähern. Wichtige meteorologische Prozesse – beispielsweise die Vereinigung der Wolken – können dabei unbeabsichtigt unter den Tisch fallen.

Mauritsen und Stevens haben eine Wenn-dann-Studie durchgeführt: Angenommen, es gibt den Iriseffekt tatsächlich, was folgt daraus in Computersimulationen? Also bauten sie in ein Klimamodell provisorisch einen Iriseffekt ein. Und siehe da: vielleicht ist an der Irishypothese doch etwas dran. Die Computersimulationen mit dem erweiterten Modell zeigen klare Verbesserungen: Es gibt beispielsweise den Wasserkreislauf der Atmosphäre realistischer wieder als andere Modelle. Wenn sich bei Erwärmung die „Iris“ öffne und die Atmosphäre kühle, dann werde in den Gewitterwolken mehr Niederschlag gebildet, so Mauritsen.

Der Iris-Effekt wirkt sich auch auf die Empfindlichkeit des Klimas gegenüber Treibhausgasen aus, aber die Reaktion ist in der Hamburger Studie schwächer als bei Lindzen. Im Modell von Mauritsen und Stevens steigt die Temperatur bei einer Verdopplung des CO2 nur um 2,2 bis 2,5 Grad Celsius. Dieser Wert für die sogenannte Klimasensitivität liegt im unteren Bereich der Werte, die der UN-Klimarat für plausibel hält. Mauritsen weist allerdings darauf hin, dass die Klimasensitivität bei jedem Klimamodell eine etwas andere Stärke haben könne.

Die Studie hat in Fachkreisen sofort Diskussionen ausgelöst. Nicht wenige Forscher sind skeptisch. Andrew Dessler von der Texas A&M University meint, man müsse noch viel mehr Indizien sammeln, um folgern zu können, dass der Iriseffekt tatsächlich existiere. Andere finden, dass die Arbeit zumindest weitere Studien in dieser Richtung anregen könnte.