Im Kampf gegen den Klimawandel gibt sich die EU als Vorkämpferin, kann aber oft die eigenen Versprechungen nicht einhalten.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Europa soll zum Vorbild für die Welt werden. Erklärtes Ziel ist es, bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu werden. Auf der Weltklimakonferenz in Scharm el Scheich propagiert EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen deshalb den verstärkten Kampf gegen die Erderwärmung. Doch klingen ihre vollmundigen Ankündigungen angesichts der europäischen Realität reichlich hohl, was allerdings zu einem großen Teil dem Krieg in der Ukraine geschuldet ist. Denn um unabhängig von russischem Erdgas zu werden, lassen die Staaten der EU Flüssiggas aus der ganzen Welt heranschiffen, dafür werden extra Terminals gebaut, es wird über das Hochfahren von Atommeilern diskutiert und schmutzige Kohlekraftwerke gehen wieder in Betrieb.

 

Angst vor dem Rückschritt beim Klimapaket

Auch in der EU warnen nicht nur Umweltschützer davor, die ehrgeizigen Ziele des Gesetzespaketes namens „Fit for 55“ angesichts der aktuellen Schwierigkeiten einfach zurückzudrehen. Vor allem in Ländern wie Polen, die noch immer stark von Kohle und Öl abhängen, regt sich zunehmend Widerstand. Aus diesem Grund wird Ursula von der Leyen nicht müde zu betonen, dass Europa den Zeitplan für den Umbau zwar in einigen Bereichen etwas modifiziere, aber weiter hart daran arbeite, bis zum Jahr 2030 die CO2-Emissionen um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken.

Wie zum Beweis ihrer Worte, meldete Brüssel pünktlich zum Start der Weltklimakonferenz, dass die Staaten der EU sich darauf geeinigt haben, klimaschädliche Emissionen in Bereichen wie Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft und Abfall künftig stärker zu reduzieren. Wie streng die Ziele der Staaten sind, hängt unter anderem von der Wirtschaftskraft der einzelnen Länder ab. Das Reduktionsziel Deutschlands - der größten Volkswirtschaft Europas - wurde etwa von 38 auf 50 Prozent angehoben, während für das ärmste EU-Land Bulgarien eine Zielmarke von 10 Prozent gilt. „Unsere heutige Einigung schafft Klarheit über die in jedem Mitgliedstaat erforderlichen Anstrengungen und sorgt für Solidarität beim Erreichen der europäischen Klimaziele“, lobte EU-Klimakommissar Frans Timmermans die Einigung.

Die Krise als große Chance sehen

Der Energieschock nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine wird in Brüssel auch als Chance für den Klimaschutz verkauft. So wurde ein milliardenschweres Investitionspaket mit dem Namen „RePowerEU“ geschnürt, um nicht nur den Kontinent unabhängiger von russischen Gaslieferungen zu machen, sondern auch den Ausbau regenerativer Energie massiv voranzutreiben. Auch in Ägypten forderte Ursula von der Leyen, die aktuelle Energiekrise als „Game-Changer“ zu nutzen. Wenn man die Anstrengungen weiter beschleunige, könnten in der EU im kommenden Jahr bei den erneuerbaren Energien zusätzliche Kapazitäten von mehr als 100 Gigawatt geschaffen werden, was einen absoluten Rekord darstellen würde. „Jede Kilowattstunde Strom, die wir aus erneuerbaren Quellen wie Sonne, Wind und grünem Wasserstoff generieren, ist nicht nur gut für unser Klima, sondern auch für die Unabhängigkeit und unsere Versorgungssicherheit“, sagte von der Leyen.

Sie sieht diese Entwicklung auch als Chance für die ärmeren Länder des globalen Südens, wo es Sonne und Wind in Hülle und Fülle gebe. Doch die Entwicklungsländer sind inzwischen vorsichtig geworden, was Forderungen und Zusagen des reichen Nordens angeht. Denn noch heute warten sie auf die zugesagten Zahlungen von jährlich hundert Milliarden US-Dollar im Kampf gegen den Klimawandel.

Das Problem der Finanzierung

Das hängt auch damit zusammen, dass überall heftig um die Finanzierung des Kampfes gegen den Klimawandel gestritten wird. Wichtigsten Instrument in der EU ist dabei der Emissionshandel (ETS). Der Plan ist, dass energieintensive Unternehmen für jede Tonne CO2 bezahlen müssen, die sie ausstoßen. Der Preis für solche Zertifikate soll im Laufe der Zeit erhöht werden, um Einnahmen für den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft zu generieren. Doch die Verhandlungen innerhalb der EU sind ins Stocken geraten. Einige Länder haben inzwischen grundsätzliche Bedenken gegen den Emissionshandel angemeldet. Ihr Argument: die zusätzlichen Belastungen für den Klimaschutz würden die Unternehmen in Zeiten von explodierenden Energiepreisen unnötig belasten.