Minister und Klimaschützer sind begeistert: Läuft alles nach Plan, dann haben die Staaten auf dem Klimagipfel in Paris die Erde vor einer künftigen Klimakatastrophe bewahrt. Zugleich läuteten sie das Ende der fossilen Energien Kohle, Öl und Gas ein.

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Stuttgart - Sechs Jahre nach dem vorherigen Versuch, ein globales und rechtsverbindliches Klimaabkommen zu beschließen, ist beim UN-Gipfel in Paris der Durchbruch geglückt. Am Ende stimmten alle 196 Länder dafür. Die Eckpunkte des Beschlusses haben wesentliche Auswirkungen in allen Teilen der Welt.

 

Welche Folgen hat das für die globale Energieversorgung?

Die Ziele des neuen Klimaabkommens verlangen eine Energiewende im Weltmaßstab. Dabei müssen die Industrieländer sehr viel früher als Entwicklungs- und Schwellenländer eine emissionsfreie Stromproduktion erreichen. Allerdings wird unterschiedlich interpretiert, welchen Spielraum die Festlegung auf die „Emissionsausgewogenheit“, die das Dokument beschreibt, beim Umsteuern lässt. „Keep the oil in the soil“ (Lasst das Öl im Boden) haben viele Ökoverbände und Klimawissenschaftler im Vorfeld des Pariser Gipfels gefordert. Ob das Dokument nun eine klare Abkehr von den fossilen Brennstoffen Kohle, Öl sowie Gas und eine Hinwendung zu den erneuerbaren Energien verlangt, ist umstritten. Olaf Tschimpke vom Naturschutzbund Nabu befürchtet, dass die Formulierung „Scheunentore“ für umstrittene Geoengineering-Technologien öffnet, wozu etwa die Technik der Abscheidung und Einlagerung von Kohlenstoff (Carbon Capture and Storage, kurz CCS) gehört. Die deutsche Umweltministerin Barbara Hendricks dagegen ist überzeugt, dass der Text genau diese Tür fest verschließt, weil im entscheidenden Satz zwar von „menschengemachten Emissionen“, aber nicht von „menschengemachten“ Kohlenstoffsenken die Rede sei. Damit sei klar, dass es um natürliche Senken – Wälder und Meere – gehe, meint sie. Mit Sicherheit werden Öl-, Gas- und Kohleländer dies anders interpretieren. Um diese Rohstoffe weiterhin nutzen zu können, werden sie versuchen, bisher „dreckige“ Kraftwerke sauberer zu machen. Eine der wesentlichen Fragen der kommenden Jahre wird sein, ob Milliardeninvestitionen überwiegend in erneuerbare Energien wie Sonnenenergie, Windkraft und neue Speichertechniken fließen, ob viel Geld in die „Säuberung“ schmutziger Kraftwerkstechnik fließt oder ob ein Boom der – in Bezug aufs Klima – sauberen Kernenergie bevorsteht.

Welche Hausaufgaben hat die Bundesregierung jetzt?

Ihren Anspruch, im Klimaschutz eine Art Musterschüler und Pionier zu sein, wird die Bundesrepublik in den nächsten Jahren ziemlich sicher verlieren. Andere Länder haben gute Chancen, eine größere Dynamik bei der Emissionsminderung zu entwickeln. Das liegt unter anderem daran, dass bei der deutschen, vor vier Jahren eingeleiteten Energiewende im ersten Schritt die – klimaneutralen – Atomkraftwerke abgeschaltet werden. Den ersten rasanten Aufschwung bei Wind- und Sonnenenergie hat die Bundesrepublik ebenfalls schon hinter sich. Im Augenblick ist die Regierung in Berlin überzeugt, dass die klimabelastende Kohlekraft noch eine ganze Zeit lang als Übergangstechnologie gebraucht wird. Dennoch wird der Bund nicht umhinkommen, schnell den Kohleausstieg auf den Weg zu bringen. Das trifft zwar in Kohleregionen wie Nordrhein-Westfalen sowohl bei Unions- als auch bei SPD-Politikern bis jetzt auf großen Widerstand, aber Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hat bereits angekündigt, dass der Strukturwandel rasch strukturiert werden müsse, schon um Planungssicherheit für die betroffenen Regionen zu schaffen. Auf ein Ausstiegsdatum wollte sie sich bisher nicht festlegen. Zum Abschluss des Gipfels ließ sie sich entlocken, dass Deutschland „spätestens 2050 aus den fossilen Energien ausgestiegen sein muss“.

Was kommt auf die Wirtschaft in Deutschland zu?

Auch die Unternehmen in Deutschland müssen sich darauf einstellen, dass Investoren begonnen haben, ihr Kapital nach Klimagesichtspunkten umzuschichten. Schon bevor das Abkommen von Paris beschlossen war, kündigten Städte, Fonds und Unternehmen mit einem Volumen von 3,4 Billionen Dollar an, nicht mehr in fossile Energieträger zu investieren. Dass der weltgrößte Versicherer Allianz auch in diese Richtung geht, wurde während der Klimakonferenz als Signal gewertet, dass diese „Divestment“-Bewegung Fahrt aufnimmt. US-Präsident Barack Obama und Frankreichs Regierungschef François Hollande hoben mit 20 Ländern eine Initiative aus der Taufe, in den nächsten fünf Jahren die Mittel für die Entwicklung sauberer Technologien zu verdoppeln. Umweltministerin Hendricks geht davon aus, dass Divestment auch in Deutschland ein großes Thema wird. „Paris setzt da ein klares Signal. Diese Entwicklung wird durch das Abkommen befeuert.“

Welche Duftmarken hat die Bundesregierung gesetzt?

Die deutsche Delegation hat beim Klimagipfel eine einflussreiche Rolle gespielt. Staatssekretär Jochen Flasbarth vermittelte (als einziger Staatssekretär neben 13 Ministern) beim schwierigen Thema Finanzen; Ministerin Hendricks verhandelte für die EU das zweite heiße Eisen – die Differenzierung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern – mit. In beiden Bereichen mussten die Europäer zwar Federn lassen, aber an anderer Stelle hat die Bundesregierung entscheidende Impulse gesetzt. Die Kanzlerin preschte mit der Ankündigung, die Etatmittel für den internationalen Klimaschutz zu verdoppeln, vor und fand Nachahmer. Das vom deutschen Umweltministerium entwickelte Konzept der Dekarbonisierung, das die G-7-Staaten beschlossen haben, findet sich zwar nicht wörtlich im Pariser Abkommen wieder, aber es eröffnete eine ehrgeizige Zielperspektive. Hätte es sie nicht gegeben, wäre das Dokument am Ende bescheidener ausgefallen. Außerdem setzte Merkel bei ihrer Auftaktrede vor zwei Wochen den entscheidenden Trend, indem sie als einzige Regierungschefin die Belange der kleinen Inselstaaten und damit – indirekt – das 1,5-Grad-Ziel ansprach. Daraus entwickelte sich die Dynamik des Gipfels und die Koalition der ambitionierten Klimaschutzländer, der es gelang, die Traditionsgrenze zwischen dem Lager der Industrie- und der Schwellenländer aufzubrechen.