Seit Jahrtausenden wirbelt El Niño das Wetter in weiten Teilen der Erde durcheinander – mal heftiger, mal schwächer. Klimaforscher untersuchen, wie es auf den globalen Temperaturanstieg reagieren wird.

Stuttgart - Wenn um die Weihnachtszeit in der Wüste an der südamerikanischen Pazifikküste heftige Regenfälle Straßen wegwaschen und in Indonesien eine anhaltende Dürre riesige Regenwaldflächen in Flammen aufgehen lässt, steckt dahinter ein Klimaphänomen, das peruanische Fischer als El Niño (das Christkind) bezeichnen. Im 20. und 21. Jahrhundert brachte dieses Ereignis alle zwei bis sieben Jahre das Wetter auf fast drei Vierteln der Erde durcheinander und fiel dabei sehr unterschiedlich aus: mal heftig und mit katastrophalen Folgen wie zum Beispiel 1982 und 1983, ein anderes Mal dagegen mit eher geringen Auswirkungen.

 

So variabel verhält sich El Niño bereits seit mindestens 6900 Jahren, schließen jetzt Kim Cobb von der Technischen Universität Georgia in Atlanta, Niko Westphal von der Technischen Hochschule in Zürich und ihre Kollegen in der Zeitschrift „Science“ aus den Korallen der Weihnachts- und der Fanninginsel im Pazifik. Diese Atolle liegen nicht weit vom Äquator im Zentrum der El-Niño-Ereignisse.

Untersuchungen an alten Korallen

Normalerweise sind die Wassertemperaturen in der Nähe der südamerikanischen Pazifikküste mit 24 Grad für tropische Gewässer recht niedrig, während es auf der anderen Seite des Pazifiks zwischen Südostasien und dem Norden Australiens 28 Grad Celsius sind. Über Chile und Peru hat ein Hochdruckgebiet dann trockenes Wetter zur Folge, während es im Westpazifik reichlich regnet. Alle paar Jahre aber ändert sich die Situation mit El Niño drastisch. Dann bringt ein Hochdruckgebiet Indonesien und dem Norden Australiens lange Trockenperioden, während sich der Pazifik vor Südamerika erwärmt und Tiefdruckgebiete den Wüsten des Kontinents starke Niederschläge bescheren. El Niño verändert auch die Witterung in anderen Regionen der Erde: Im Amazonasregenwald wird es trockener, im Atlantik und im westlichen Pazifik gibt es viel weniger Hurrikane und Taifune. In Ostafrika regnet es in Äquatornähe mehr, weiter im Süden aber fallen die Niederschläge spärlicher.

Auf der Weihnachts- und der Fanninginsel wird es wiederum wärmer, und es regnet mehr. Dort holten die Wissenschaftler aus den USA und der Schweiz jetzt lebende Korallen aus dem Meer und bohrten versteinerte Riffe an, die bis zu 6900 Jahre alt sind. In jedem Millimeter analysierten die Forscher den Gehalt der Sauerstoffvariante 18, die während El Niño niedriger als zu anderen Zeiten ist. Über den gesamten Zeitraum zeigte sich ein ähnliches Bild: Sowohl die Abstände zwischen zwei El-Niño-Ereignissen wie auch deren Stärke variierten stark.

Zwar hat im 20. Jahrhundert die Variabilität zugenommen, noch stärkere Unterschiede aber entdeckten die Forscher am Anfang des 17. Jahrhunderts. Keinen Zusammenhang aber fanden sie mit den bekannten Faktoren, die das Weltklima beeinflussen wie zum Beispiel die Aktivität der Sonne oder das starke Freisetzen von Kohlendioxid beim Verbrennen von Kohle, Erdöl und Erdgas. Sollte der Klimawandel die El-Niño-Aktivität beeinflussen, könnte man das wohl erst nach mehreren Jahrhunderten beweisen, vermuten die Forscher.

Schläft El Niño ein oder wird er noch stärker?

Der El-Niño-Experte Mojib Latif vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel bestätigt das: „Für die Zukunft liefern verschiedene Klimamodelle eine große Wundertüte völlig unterschiedlicher Auswirkungen des Klimawandels auf die El-Niño-Ereignisse.“ So kann El Niño zum Beispiel entstehen, wenn die Temperaturgegensätze zwischen dem warmen Wasser im westlichen tropischen Pazifik und dem kühleren Gewässern vor Südamerika groß sind. Der Klimawandel aber dürfte das Wasser im Westen nur noch wenig weiter aufwärmen, weiter im Osten dagegen können die Temperaturen noch kräftig steigen. Dadurch aber nehmen die Temperaturgegensätze ab – und El Niño könnte einschlafen.

Andererseits könnten die Passatwinde mit dem Klimawandel stärker werden, die ihrerseits stärkere Temperaturgegensätze zwischen dem östlichen und dem westlichen tropischen Pazifik und damit stärkere El Niños auslösen. Tatsächlich zeigen erste Modellrechnungen von Mojib Latif und seinen Mitarbeitern, dass in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts Super-El-Niños auftreten könnten, die doppelt so stark wie die heute stärksten ausfallen.