Während Berlin sein großes Klimapaket schnürt, wird in Brüssel schon an einer Verschärfung der Klimaschutz-Vorgaben gearbeitet. Die künftige Kommissionschefin Ursula von der Leyen will das Klima zur Priorität machen. Was kommt da auf die Mitgliedsstaaten zu?

Korrespondenten: Markus Grabitz (mgr)

Brüssel - Nicht nur in Deutschland soll der Klimaschutz verstärkt werden. Auch für die Chefin der nächsten EU-Kommission, Ursula von der Leyen, hat eine drastische Absenkung des Ausstoßes von klimaschädlichen Gasen oberste politische Priorität.

 

Welche Ziele setzt sich die EU-Kommission?

Welche Ziele setzt sich die EU-Kommission?

Von der Leyen will das EU-Ziel beim Klimaschutz massiv verschärfen. Bislang gilt: Der Ausstoß von Treibhausgasen soll EU-weit bis 2030 um 40 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden. Die Chefin der nächsten Kommission hat zugesichert, 50 Prozent zu erreichen. Unter der Voraussetzung, dass wichtige andere Volkswirtschaften mitziehen, will sie sogar auf 55 Prozent gehen. Dieses Zugeständnis hat sie erst kurz vor der Wahl im Europa-Parlament gemacht, in der Hoffnung, dass ihr dies die Stimmen der Grünen sichern würde. Die Grünen haben ihr aber die Zustimmung verweigert. Bis zum Jahr 2050 strebt sie zudem an, dass die EU-Volkswirtschaft klimaneutral wird. Das heißt: Es werden dann zwar noch klimaschädliche Gase ausgestoßen, sie werden aber durch Gegenmaßnahmen neutralisiert.

Was muss dafür geschehen

Was muss dafür geschehen?

Die entscheidende Frage ist, welchem Ziel sich die EU verschreibt. Bei 50 Prozent bis 2030 würde gelten: Auto- und Schiffsverkehr müssten in den Emissionshandel einbezogen werden. Außerdem müssten die von der EU bereits beschlossenen Klimaschutz-Gesetze von den Mitgliedstaaten streng umgesetzt werden. Wenn Staaten wie Deutschland, Spanien, Frankreich und andere ernst machen mit dem Ausstieg aus der Kohle, wäre nach Einschätzung vieler Experten das 50-Prozent-Ziel erreichbar. Peilt die EU aber künftig das 55-Prozent-Ziel an, müssten alle EU-Gesetze mit Bezug zum Klimaschutz und zum Energiesparen noch einmal verschärft werden. Ein Beispiel: Die EU hat beschlossen, dass Autohersteller den Spritverbrauch von Pkw zwischen 2021 und 2030 noch einmal um 37,5 Prozent senken müssen. Sollte die EU bis 2030 insgesamt eine Minderung um 55 Prozent des Ausstoßes von klimaschädlichen Gasen anpeilen, müsste das Ziel bis 2030 noch einmal verschärft werden. Das gleiche würde für die EU-Regeln zur Energieeffizienz und alle anderen Bereiche gelten, in denen die EU etwas zu sagen hat. Der Umweltexperte der CDU im Europaparlament, Peter Liese, fordert seit Langem mehr Anstrengungen beim Klimaschutz, warnt Ursula von der Leyen aber davor, sich zu verzetteln: „Ich hielte es politisch und praktisch für sehr schwierig, das 55-Prozent-Ziel anzupeilen. 50 Prozent sind aber machbar, ohne sich an allen Fronten neue Baustellen einzuhandeln.“

Setzt die EU auf höhere Steuern oder den Emissionshandel?

Setzt die EU auf höhere Steuern oder den Emissionshandel?

Auch auf EU-Ebene ist dies die entscheidende Frage. Von der Leyen will zwar das EU-Recht zur Besteuerung von Energie überprüfen. Doch es deutet sich bereits an: Der Emissionshandel bietet sich eher als Instrument an – schon aus praktischen Erwägungen. Höheren Steuern müssten alle EU-Mitgliedstaaten zustimmen. Änderungen beim Emissionshandel sind mit Mehrheiten im Rat, also der Kammer der Mitgliedstaaten, zu haben. Konkret soll der europaweite Emissionshandel auf den Schiffsverkehr, den Gebäudebereich und den Straßenverkehr ausgeweitet werden. Das geht nicht sofort. Denkbar ist, dass zunächst auf nationaler Ebene der Emissionshandel für Verkehr und Gebäude aufgebaut und in einem späteren Schritt in ein europäisches System überführt wird.

Was ist für den Flugverkehr geplant?

Was ist für den Flugverkehr geplant?

Für den Luftverkehr gelten im Emissionshandel die gleichen Minderungsziele wie für die Industrie. Bisher bekommen die Airlines aber 85 Prozent der Verschmutzungsrechte unentgeltlich. Die EU will die Gratis-Zertifikate abschmelzen oder komplett abschaffen. Dadurch sollen die Bahn und andere Verkehrsträger wettbewerbsfähiger werden.

Welche Rolle spielt die Kohle?

Welche Rolle spielt die Kohle?

Die EU setzt darauf, dass die Mitgliedsländer den Ausstieg aus der Kohle wie angekündigt vollziehen. Allein der deutsche Kohleausstieg würde die EU-Klimabilanz bis 2030 um etwa einen Prozentpunkt verbessern. Allerdings: Die Experten verlangen, dass der Emissionshandel nach dem Kohleausstieg angepasst wird. Die Verschmutzungsrechte, die für die Kohle vorgesehen waren, dürften nach dem Ausstieg dann nicht mehr zur Verfügung stehen.

Was kommt auf die Bauern zu?

Was kommt auf die Bauern zu?

Die EU-Kommission wird eine Strategie zur Minderung des Ausstoßes von Methan vorlegen. Auch für die Landwirtschaft ist hier mit neuen Auflagen zu rechnen, etwa bei Fütterungsmethoden oder dem Umgang mit Gülle. Die Landwirtschaft könnte auch in den Emissionshandel einbezogen werden. Waldbesitzer oder Bauern, die Humus aufbauen, könnten davon finanziell profitieren. Verlierer wären wohl die Viehhalter. Allerdings gibt es für ein derartiges System bisher kaum Vorarbeiten.

Bleibt die Industrie wettbewerbsfähig, wenn der CO2-Preis drastisch zulegt?

Bleibt die Industrie wettbewerbsfähig, wenn der CO2-Preis drastisch steigt?Um Wettbewerbsnachteile für die EU-Industrie zu verhindern, plant die EU-Kommission eine Steuer an der EU-Außengrenze: Auf Importprodukte, deren Herstellung CO2-intensiv ist, würde bei der Einfuhr in die EU eine Steuer erhoben. Allerdings ist unklar, ob eine solche Steuer mit dem Prinzip des Freihandels vereinbar wäre.