Kraftstoff aus Abfallstoffen Was man über Care-Diesel wissen muss
Bosch-Geschäftsführer fahren mit Care-Diesel, der die Umwelt schonen soll. Aber der klimafreundliche Treibstoff wird nicht an Tankstellen verkauft. Warum?
Bosch-Geschäftsführer fahren mit Care-Diesel, der die Umwelt schonen soll. Aber der klimafreundliche Treibstoff wird nicht an Tankstellen verkauft. Warum?
Stuttgart - Vor kurzem wurde der Bosch-Chef Volkmar Denner in einem FAZ-Interview gefragt, wie klimafreundlich er sich selbst fortbewegt. Seine Antwort lässt aufhorchen: Er tanke einen Spezialdiesel, mit dem sich 60 Prozent der Klimabelastung vermeiden ließen. Gibt es also eine Alternative, auf die alle Dieselfahrer setzen können? Und warum wird dies gesetzlich verhindert?
55 Kilometer fährt Volkmar Denner von seinem Wohnort bis zum Bosch-Stammsitz auf der Gerlinger Schillerhöhe. „Ich benutze ein Fahrzeug mit hocheffizientem Dieselmotor, das mit sogenanntem Care-Diesel betankt wird“, sagte er im Interview. „Das ist ein synthetischer Kraftstoff, der überwiegend aus Rest- und Abfallstoffen hergestellt wird und die CO2-Emissionen um mehr als 60 Prozent reduziert.“ Für Fahrten in der Stadt benutzt Denner außerdem einen elektrischen Jaguar I-Pace.
Schon seit einem Jahr tanken die Dienstfahrzeuge der Bosch-Geschäftsführung den Spezialkraftstoff. Das Unternehmen unterstreicht damit sein Credo, dass für den Klimaschutz alle denkbaren Lösungen erprobt und eingesetzt werden sollten. Technologievielfalt ist dabei das Leitbild. „Regenerative und synthetische Kraftstoffe können einen großen Beitrag leisten, die Erderwärmung zu begrenzen“, sagt Denner. Und ihr Einsatz bringe schnelle Effekte.
Der unter dem Markennamen Care vertriebene Kraftstoff wird überwiegend aus Rest- und Abfallstoffen hergestellt. Ausgangsstoffe können gebrauchtes Speisefett, tierisches Fett oder Restpflanzen aus der Speiseöl-Herstellung sein. Durch Druck, Hitze und die Zugabe von Wasserstoff wird in einem katalytischen Verfahren ein so genannter paraffinischer Kraftstoff gewonnen. Das Wort Care steht als Abkürzung für CO2-Reduzierung, Arctic Grade (Kältebeständigkeit), Renewable (erneuerbar) und Emissionsreduzierung.
Care-Diesel enthält keine fossilen Bestandteile und belastet das Klima – je nach Grundstoffen – um 60 bis 95 Prozent weniger als normaler Diesel. Die pflanzlichen Grundstoffe binden während des Wachstums CO2, sodass ein Kreislauf entsteht. Die tierischen Abfälle entstehen nicht zusätzlich, sondern sind ohnehin vorhanden. Aufgrund der aufwendigeren Herstellung kostet Care-Diesel allerdings momentan – ohne steuerliche Effekte – etwa doppelt so viel wie normaler Diesel. Der Hamburger Händler Tool-Fuel bezieht Care-Diesel vom finnischen Biokraftstoff-Produzenten Neste, der Großanlagen in Rotterdam und Singapur betreibt. Zwei kleinere Raffinerien unterhält Neste vor allem zur Forschung in Finnland.
Im Prinzip ja. „Es hat sich gezeigt, dass der Einsatz im Alltag völlig problemlos ist, ohne dass am Fahrzeug etwas geändert werden muss“, sagt Matthias Horn, der den Flottenversuch mit Care-Diesel bei Bosch leitet. Der Tool-Fuel-Geschäftsführer Alexander Stöhr beziffert die jährlich produzierte Menge von Care-Diesel auf 2 bis 3,5 Millionen Tonnen. Gemessen am globalen Verbrauch von fossilem Diesel, der bei 900 Millionen Tonnen liegt, ist das ein Klacks. Doch die Herstellkapazitäten steigen.
Bosch kann Care-Diesel zu Testzwecken einsetzen. An normalen Tankstellen aber sind Kraftstoffe der Europanorm EN 15940, zu denen Care gehört, nicht zugelassen. Die dafür maßgebliche 10. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes wurde in den vergangenen Monaten überarbeitet. Aber die Hoffnung von Herstellern und Bosch erfüllte sich nicht: Auch in der Neufassung, die Ende 2019 veröffentlicht werden soll, sind keine Kraftstoffe der Norm 15940 erlaubt.
Begründet wird die Nichtzulassung damit, dass auch Kraftstoff, der aus Palmöl hergestellt wird, der Norm 15940 entspreche. Dieser solle aber nicht in Umlauf kommen. Ob Palmöl verwendet wurde, lasse sich nicht überprüfen, heißt es beim Bundesumweltamt.
Ansgar Christ, Produktmanager für Pkw-Antriebssysteme bei Bosch, sagt: „Leider wurde bei der Neufassung der Richtlinie eine große Chance verpasst, CO2-reduzierten Kraftstoffen in Deutschland zu einer größeren Verbreitung zu verhelfen. Endverbraucher hätten sicher gerne die Chance gehabt, an der Tankstelle einen weitgehend CO2-neutralen Kraftstoff tanken zu können.“
Bosch hält die Begründung nicht für stichhaltig. „Die Verwendung von Palmöl, für das in Indonesien oder Malaysia Regenwald abgeholzt wird, wäre unbestritten gefährlich für das Weltklima. Aber die europäische Gesetzgebung gibt an anderer Stelle klare Nachhaltigkeitskriterien vor. Wenn diese eingehalten werden, sollte sich die Frage nach dem Ursprung der Stoffe gar nicht stellen.“
Laut Umweltbundesamt hält man Care-Diesel aufgrund der geringen verfügbaren Menge für ungeeignet im Straßenverkehr. Stattdessen setzt die Bundesregierung auf Elektro-Autos und bei Verbrennern auf synthetische Kraftstoffe, so genannte E-Fuels.
In allen anderen europäischen Ländern ist Care-Diesel erlaubt. Dieser kann auch bedenkenlos getankt werden. Um die Gewährleistung zu erhalten, muss jedoch der Fahrzeughersteller die Freigabe für den Einsatz von Care-Diesel erteilen. An einigen wenigen Tankstellen gibt es außerdem Dieselmischungen, die einen bestimmten Anteil von Care-Diesel enthalten. Auch diese sind klimafreundlicher als normaler Diesel.