Das Haus des Waldes in Stuttgart-Degerloch war 1989 das erste seiner Art in Deutschland. Seine Themen sind heute aktueller denn je. Deshalb verbreiten sich die Ideen inzwischen national und global. Aber auch in Degerloch soll sich etwas ändern.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Degerloch - Kein Jahr mehr ohne Ministerbesuche, und im vergangenen Jahr war sogar das ganze Landeskabinett da. Das Haus des Waldes in Stuttgart-Degerloch ist eine willkommene Kulisse, wenn es um die Themen Wald und Klima geht. Die Politikerbesuche sind aber auch ein deutliches Zeichen. „Das Thema ist heiß“, sagt Berthold Reichle, der forstliche Leiter im Haus des Waldes.

 

Die Einrichtung ist vor 31 Jahren als erste ihrer Art in Deutschland eröffnet worden, und sie ist nach wie vor die größte. Damals in den 1980er Jahren ging die Angst vor dem großen Waldsterben um. Berthold Reichle sagt, er fühle sich heute oft in diese Zeit zurückversetzt. Damals habe man Maßnahmen getroffen, gegen die Verschwefelung der Wälder.

Im Jahr 2020 hat das, was für Berthold Reichle und seine Kollegen Alltag ist, wachsende Brisanz. Klima und Wald sind längst als Dauerthema in einer breiten Öffentlichkeit angekommen. Die Nachfrage nach und an Einrichtungen wie jene in Degerloch wächst stetig.

Haus des Waldes in China gebaut

Für die Degerlocher Einrichtung bringt dieser Nachfrageschub einen regen Austausch mit sich. Die Degerlocher Ideen werden exportiert – national und international. In China ist zum Beispiel vor sieben Jahren ein Haus des Waldes nach Degerlocher Vorbild entstanden; das sei heute ein Selbstläufer, erzählt Berthold Reichle. Die Kollegen dort würden inzwischen weitere Provinzen darin unterstützen, das Konzept aufzugreifen. Das Degerlocher Haus des Waldes steht zudem in engem Austausch mit Partnern aus der Schweiz, aus Japan, Südkorea, der Türkei, Luxemburg oder Polen. Auch mit Indonesien sei etwas in Planung.

Die Degerlocher Einrichtung, die zu Forst-BW gehört, will sich aber keineswegs auf ihren Lorbeeren ausruhen. „Unsere Grundeinstellung ist, uns zu fragen: Sind wir auf dem richtigen Weg?“, sagt Berthold Reichle. Neben der Dauerausstellung – die gerade coronabedingt geschlossen ist – bietet das Haus des Waldes Seminare und Schulungen an, bei sich, aber auch in Schulen. Es ist eine waldpädagogische Einrichtung. Die Zielgruppe sind Erwachsene, aber auch Kinder und Jugendliche. Die jeweiligen neunten Klassen des Sillenbucher Geschwister-Scholl-Gymnasiums zum Beispiel haben einen eigenen Schulwald. Das bedeutet, dass die jungen Leute für gewisse Hektar verantwortlich sind und die nötigen forstlichen Entscheidungen treffen. „Die sind hoch motiviert“, sagt Berthold Reichle.

Baumpflanzung als gute Tat empfunden

Ausgangspunkt vieler Lehreinheiten ist die Baumpflanzung. In den 1980er Jahren, aber auch heute, sind die Menschen ganz wild darauf. Die meisten empfinden es als eine gute Tat, einen Baum zu pflanzen, erklärt Berthold Reichle. „Mit einer solchen Pflanzaktion ist es aber nicht getan.“ Die Frage, die auf dem Fuße folgen müsse, sei: Wie kann man die Lebensbedingungen so verändern, dass der Baum wachsen kann und nicht verdorrt? Mit Diskussionen, Aktionen draußen im Wald oder Spielen würden sich die Teilnehmer den Antworten nähern. Es gehe dann schnell um den globalen Temperaturanstieg, der den Wäldern schade, und um die Ursachen dafür, letztlich um den Beitrag eines jeden Einzelnen, indem der ökologische Fußabdruck berechnet wird. Wie viel Wald bräuchte es, um die eigenen Auswirkungen auszugleichen? „Da kommt man dann schnell drauf, dass es nicht genug Wald gibt und dass man vielleicht sein Verhalten ändern muss“, sagt Reichle. Das zu vermitteln, sei der Bildungsauftrag, der ans Haus des Waldes gestellt sei. „Und genau das wird immer wichtiger.“

Neues Konzept für die Ausstellung

Weil der Klimawandel im vergangenen Jahrzehnt an Brisanz gewonnen hat, soll die Dauerausstellung „Stadt, Wald, Welt“ durch eine neue ersetzt werden, berichtet Daniel Dann, er ist der pädagogische Leiter im Haus des Waldes. „Gerade von Familien kommen zum Thema Klimawandel immer mehr Fragen“, erzählt er. Gemeinsam mit zwei Studierenden der Fachhochschule für Gestaltung in Schwäbisch Gmünd werde an einem Konzept getüftelt. Die Ausstellung „Stadt, Wald, Welt“ hätte zwar den lokalen, regionalen und globalen Bezug, „das ist auch immer noch aktuell“, doch der Klimawandel und die Zusammenhänge würden noch nicht explizit angesprochen. Zudem handele es sich um eine eher statische Schau.

Man wolle die Dynamik des Klimas gerne mit anderen, modernen Mitteln darstellen. Wann das Haus des Waldes eine neue Ausstellung haben wird, ist laut Daniel Dann noch unklar, er rechnet in den nächsten fünf Jahren damit. Mutmaßlich ergeben sich daraus weitere Ideen, die das Zeug dazu haben, von Degerloch aus um die Welt zu reisen.