Die Umweltmister einigen sich in Brüssel auf wesentliche Züge des Klimapakets.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

In der Berliner Ampelkoalition beginnt die Zeit der Interpretationen. Haben die EU-Umweltminister in Brüssel tatsächlich das Aus für den Verbrenner-Motor im Jahr 2035 beschlossen? Während die FPD daran zweifelt und sich als Sieger sieht, feiern die Grünen das Ergebnis des Treffens als großen Erfolg für den Umweltschutz.

 

Tatsächlich gibt es einen gewissen Diskussionsbedarf, dafür sorgt ein kleiner Passus in der Erklärung der Minister. Klar ist, dass der sogenannte CO2-Flottengrenzwerte für Autos und Transporter ab 2035 auf null sinken soll. Im Klartext bedeutet das, dass ab diesem Zeitpunkt auf Europas Straßen keine neuen Benziner- oder Dieselautos mehr zugelassen werden dürfen. Schon angemeldete Fahrzeuge können weiter fahren.

Klammern an einen Strohhalm

Doch es gibt ein sehr kleines Schlupfloch, denn die EU-Kommission soll im Auftrag der Umweltminister prüfen, ob es Ausnahmen für Verbrenner geben könnte, die mit synthetischen Kraftstoffen betrieben werden. An diesen Satz klammert sich die FDP in ihrem Kampf für die E-Fuels, doch ist es nur ein Strohhalm. Denn auch die EU-Kommission favorisiert das Verbrenner-Aus und es gilt in Expertenkreisen als Unwahrscheinlich, dass die in der Herstellung sehr teuren E-Fuels nach 2035 im PKW-Verkehr überhaupt irgendeine Rolle spielen werden.

Die Grünen halten das Verbrenner-Thema sowieso für einen Nebenkriegsschauplatz. Aus dem Berliner Umweltministerium heißt es am Mittwoch, dass in Brüssel mit der gemeinsamen Positionierung zur Reform des Emissionshandels (ETS) in Europa wesentlich wichtigere und weitreichendere Dinge beschlossen wurden, um den Klimawandel zu bremsen.

Handel mit Verschmutzungsrechten

Dieser Handel mit sogenannten Verschmutzungsrechten ist das Herzstück der EU-Klimapolitik. Wer die Umwelt mit dem Ausstoß von klimaschädlichen Gasen wie CO2 verschmutzt, muss in Zukunft dafür zahlen. Dafür werden für bestimmte Unternehmen Zertifikate verkauft, die schrittweise zwischen 2026 und 2035 abgeschafft werden. In Deutschland gibt einen solchen ETS-Mechanismus bereits.

Zudem soll nach dem Willen der Umweltminister diese CO2-Abgabe ab dem Jahr 2027 auch auf den privaten Bereich ausgedehnt werden und für Sprit und Heizöl gelten. Um die Menschen in den ärmeren EU-Ländern zu entlasten, wird ein Klimasozialfonds eingerichtet. Damit sollen aber auch langfristige Investitionen, zum Beispiel in effizientere Gebäude, finanziert werden. Dieser Fonds wird, auch auf massiven Druck aus Deutschland, wahrscheinlich kleiner als geplant ausfallen und auf 59 Milliarden Euro gedeckelt.

Der Umweltminister ist zufrieden

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) äußerte sich nach der Einigung in Brüssel sehr zufrieden: „Inmitten der größten Energiekrise Europas haben wir eines der umfassendsten Klimaschutzpakete in der EU-Geschichte auf den Weg gebracht.“ Es seien die Weichen für den Umbau der Wirtschaft hin zur Klimaneutralität gestellt.

Umweltverbände zeigten sich hingegen enttäuscht: Der WWF-Deutschland warf Deutschland eine Bremser-Rolle vor. Dies gelte etwa für die Debatte um den Verbrennungsmotor, zudem hätten die Rechte der Industrie zum CO2-Ausstoß deutlicher gekürzt werden müssen, sagte Klimaexpertin Viviane Raddatz.

Die Autohersteller selbst sind in Sachen Verbrenner-Aus bisweilen weiter als die Politik. Die Unternehmen haben ihre Strategie längst umgestellt und einige Firmen werden weit vor 2035 nur noch E-Autos verkaufen. Schwerer trifft das Verbot die Zulieferer, da in absehbarer Zeit etwa Schaltungen und Getriebe in PKW nicht mehr nachgefragt sind.

Kritik kommt aus der Industrie

Kritik kommt deshalb aus der deutschen Industrie. Hartmut Rauen, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Maschinenbauer (VDMA) lobt zwar, dass ein „Stillstand in der europäischen Klimapolitik“ vermieden werden konnte. In Sachen Verbrenner-Aus hält er den Kompromiss zur Flottenregulierung aber für „ernüchternd“. „Die Ergebnisse des EU-Umweltrats bedeuten weiterhin große Unklarheiten in Bezug auf die künftigen Antriebstechnologien für PKW und leichte Nutzfahrzeuge“, sagt Rauen und erklärt, dass der VDMA „energisch für eine Anrechenbarkeit alternativer Kraftstoffe werben“ werde.

Die Beschlüsse der Umweltminister müssen jetzt noch von der EU-Kommission und vom Europaparlament gebilligt werden. Es gilt jedoch als wahrscheinlich, dass es kaum wesentlichen Änderungen geben wird, da die Beschlüsse auf Vorschlägen der Kommission fußen und Beratungen im EU-Parlament teils berücksichtigt wurden. Die endgültige Einigung wird bis Ende des Jahres erwartet.