Begrünte Hausfassaden haben in vielfacher Hinsicht einen positiven Einfluss – erklärt der Biologe Hans-Georg Edelmann.

Köln - Kletterpflanzen an Mauerwerken sind in Deutschland immer noch ein seltener Anblick. Dabei können sie zu einer besseren Luftqualität und zum Klimaschutz beitragen. Der Kölner Biologieprofessor Hans-Georg Edelmann hat zusammen mit dem Forschungszentrum Jülich die Wirkung der Pflanze untersucht.

 

Herr Edelmann, in Deutschland haben mit Efeu begrünte Häuser einen schlechten Ruf. Warum ist das so?

Das beruht eher auf einem Gefühl, weniger auf einem rationalen Argument. Schon Schülergruppen sind wenig begeistert, wenn ich ihnen vom Efeu erzähle. Vielleicht liegt es daran, dass die Pflanze in unserer Gesellschaft für Vergänglichkeit steht, für Verfall. Ich habe ein Haus im Schwarzwald, an dem auf einer Seite Efeu wächst. Wenn ich länger nicht dort war, wollen es die Nachbarn am liebsten wegschneiden.

Sie haben an einem Haus in Bonn gemessen, wie sich Efeu auf die Fassade auswirkt. Was haben Sie festgestellt?

Wir haben Sensoren installiert, die über zwei, drei Monate hinweg die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit gemessen haben, dezidiert an warmen Sommertagen und an kühleren Herbsttagen. Das Nachbarhaus, an dem kein Efeu wächst, diente uns als Kontrollgruppe.

Mit welchem Ergebnis?

Die Temperatur an der blanken Fassade schießt bei direkter Sonnenbestrahlung auf 50 bis 60 Grad und mehr hoch. An der Efeuwand haben wir maximal 31,5 Grad gemessen. Dass der Unterschied so groß ist, hat mich selbst überrascht. Das ständige Aufheizen und Abkühlen stellt für Baumaterialien eine enorme mechanische Belastung dar. Natürlich kann man diesem Effekt mit technischen Maßnahmen entgegentreten. Aber warum eine Dämmschicht kaufen, wenn man eine Dämmung mit einem natürlichen Material hat – noch dazu eine mit enorm vielen positiven Zusatzeffekten.

Welche positiven Zusatzeffekte meinen Sie?

Efeu absorbiert CO2, das Klimagas schlechthin. Zudem bleiben bis zu 40 Prozent der Feinstaubpartikel daran haften, wie wir in Laborexperimenten nachweisen konnten. Begrünte Fassaden sind also ausgesprochen gut für die Luftqualität. Zum anderen dient das Grün als Lebensraum. Wir leben in einer Zeit des Insektensterbens. Da sollten wir jede Chance nutzen, um Bienen und Hummeln einen Lebensraum zu bieten. Und den Vögeln auch.

Wer bei offenem Fenster schlafen möchte, dürfte davon wenig begeistert sein.

Das kann man vernachlässigen. Die Bewohner, mit denen wir gesprochen haben, weisen das weit von sich. Da gibt es keine Spinneninvasion oder Ähnliches.

Wie sieht es mit Feuchtigkeit und Schimmel im Haus aus?

Soweit wir das beurteilen können, gibt es damit keine Probleme. Die Pflanzen versorgen sich selbst mit Wasser; die Hauseigentümer sind zufrieden. Aufpassen muss man allerdings beim Mauerwerk. Eine kaputte Mauer mit Rissen ist ein gefundenes Fressen für Efeu. Die Haftwurzeln kriechen in diese Lücken hinein. Bei einer gesunden Wand passiert hingegen gar nichts. Die Sorge, Efeu mache alles kaputt, ist in den meisten Fällen unberechtigt.

Wie viel Energie kann man durch eine Begrünung sparen?

Das wollen wir als Nächstes messen – unsere Versuche stehen ja erst am Anfang. Man kann aber davon ausgehen, dass die Pflanzen wie eine natürliche Dämmung wirken. Sonst hätten wir die starken Temperaturunterschiede an der Fassade nicht festgestellt. Neben den ökologischen Effekten gibt es aber auch eine optische Komponente: Efeu macht was her.

Welche Pflanzen außer Efeu eignen sich noch für die Begrünung?

Efeu ist in der Tat unser Favorit. Im Prinzip sind auch andere Pflanzen geeignet, zum Beispiel Knöterich oder Wilder Wein. Einige Kletterpflanzen sind aufgrund ihrer Blattbeschaffenheit besser geeignet, andere weniger. Details dazu werden wir hoffentlich in ein paar Jahren kennen, wenn wir im Vergleich getestet haben.

Was raten Sie Hausbesitzern, die es gerne mal ausprobieren möchten?

Efeu anpflanzen. Beauftragen Sie einen professionellen Gärtner! Die Anzucht ist je nach Sorte und Standort etwas langwierig, und von Zeit zu Zeit muss man nachschneiden. Wenn die Sache aber einmal läuft, ist Efeu relativ pflegeleicht. Man muss es nur versuchen. Ich würde gerne die Ostwand der Uni Köln bepflanzen. Wenn das klappt und die Leute es sehen, ändert sich vielleicht das Image der Pflanze. Das würde mich freuen.

Zur Person

Hans-Georg Edlemann. Foto: Uni Köln
Hans-Georg Edelmann, 61 Jahre, ist Professor am Institut für Biologie-Didaktik der Universität zu Köln. Der Botaniker beschäftigt sich unter anderem mit Fassaden, Hitzeinseln und dem Klimawandel. In einer im Juli 2018 vom Bundesamt für Naturschutz publizierten Studie hat er gezeigt, dass Fassadenbegrünung messbare Vorteile für Luftqualität, Sauerstoffproduktion, Hitze-belastung und Artenvielfalt mit sich bringt.

Diese Kletterpflanzen eignen sich zur Fassadenbegrünung

Spalierobst

Eine gute Alternative zu Efeu als Fassadenbegrünung sei Spalierobst, heißt es bei der Naturschutzorganisation Nabu. Vorausgesetzt, das Klima ist entsprechend günstig und eine Südwand steht zur Verfügung. Äpfel und Birnen gedeihen allerdings fast überall. Ein berechtigter praktischer Einwand ist jedoch die vergleichsweise aufwendige Pflege der Pflanzen. Das spielt vor allem in Mietshäusern mit ständig wechselnden Bewohnern eine Rolle. Hier scheidet Spalierobst, das regelmäßig und fachkundig zurückgeschnitten und im Herbst abgeerntet werden muss, sicher aus.

Blüten

Wer üppige Blütenpracht liebt, soll sich laut Nabu für Kletterpflanzen entscheiden, wie Pfeifenwinde, Hortensie oder Kletterrose. Schlingpflanzen wie Wicken, Knöterich oder Feuerbohnen winden sich um Drähte, Stäbe oder Zäune. Winden wiederum bilden dichte Polster und eignen sich für halbschattige bis sonnige Lagen. Für eine Begrünung, die etwa bei Garageneinfahrten oder an Kellertreppen von oben herabfällt, eignet sich vor allem die rot blühende Kapuzinerkresse sehr gut. Vorsicht bei Blauregen (Glyzinie): Er kann als kräftiger Schlinger Regenrohre regelrecht erwürgen.

Haftpflanzen

Auch Selbstklimmer, also die Pflanzen, die direkt an den Wänden haften, sind mit unterschiedlichen Arten vertreten. Vor allem im Herbst ist Wilder Wein wegen seiner dann intensiv roten Blätter sehr attraktiv. Dabei gibt es zwei Arten: den Parthenocissus tricuspidata „Veitchii“ und den Parthenocissus quinque folia var. „Engelmanniana“. Ebenfalls geeignet ist die Kletterhortensie (Hydrangea anomala ssp. Petiolaris), der immergrüne Efeu (Hedara helix) und der Winterjasmin (Jasminum nudiflorum). Letzterer ist auch winterblühend und verhakt sich in andere Pflanzen.