Wenn der Temperaturanstieg auf zwei Grad begrenzt werden soll, wie es sich die UN wünschen, dann dürfen nicht alle fossilen Brennstoffe gefördert und verfeuert werden. Forscher haben berechnet, in welchen Regionen der Welt sie im Boden bleiben sollten.

Stuttgart - Erhebliche Mengen fossiler Brennstoffe sollten nach Forscherangaben im Boden verbleiben, um der globalen Klimaerwärmung so Einhalt zu gebieten, wie es die Vereinten Nationen vorhaben. Weltweit sollten demnach in den nächsten 40 Jahren etwa ein Drittel der gegenwärtig technisch und wirtschaftlich förderbaren Ölreserven ungenutzt bleiben. Unter diesen Bedingungen bestünde zumindest eine 50-prozentige Chance, die globale Erwärmung auf noch als verträglich geltende zwei Grad über dem vorindustriellen Wert zu begrenzen. Dies berichten Wissenschaftler im Fachblatt „Nature“. Sie ermittelten darüber hinaus, in welchen Regionen der Welt welche Mengen fossiler Energieträger ausgebeutet werden sollten.

 

In früheren Studien haben Experten bereits errechnet, dass bis 2050 noch etwa 1100 Milliarden Tonnen CO2 ausgestoßen werden dürfen, wenn das Zwei-Grad-Klimaziel erreicht werden soll. Die in den vorhandenen fossilen Ressourcen festgelegten Kohlendioxidmengen der Erde liegen deutlich darüber, sie belaufen sich Schätzungen zufolge auf bis zu 11 000 Milliarden Tonnen. Davon könnten 2900 Milliarden Tonnen derzeit technisch und wirtschaftlich vertretbar gefördert werden. Eine unverminderte Nutzung dieser Reserven ist mit dem Zwei-Grad-Ziel nicht kompatibel, schreiben Christophe McGlade und Paul Ekins vom University College London.

In Computermodellen haben die Forscher zahlreiche Annahmen unter anderem über den Aufwand und die Kosten der Förderung und die künftige technologische Entwicklung berücksichtigt. Sie errechneten so, wo welche Ressourcen günstig ausgebeutet werden können, also so etwas wie eine globale Optimallösung. Den Ergebnissen zufolge liegt im Mittleren Osten etwa die Hälfte der derzeit technisch förderbaren Ölreserven, die im Boden bleiben sollten. Gut 260 Milliarden Barrel Öl – das sind etwa 38 Prozent der förderbaren Gesamtreserven – müssten die dortigen Länder ungenutzt lassen.

„Klimapolitik ist letztlich eine Frage der Entschädigung“

Die USA und Australien dürften nur knapp zehn Prozent ihrer derzeit nutzbaren Kohlemengen verbrauchen. Die Förderung von unkonventionellen Gasreserven, wie das in Gestein gebundene Schiefergas, müsste in China, Indien, Afrika und dem Mittleren Osten stark eingeschränkt werden. Die fossilen Vorräte in der Arktis sollten gänzlich unangetastet bleiben. Nur ein globales Klimaübereinkommen, das Verlierer entschädige und von allen Teilnehmern als gerecht empfunden werde, könne auf lange Sicht die Nutzung fossiler Energieträger streng begrenzen, heißt es in dem Beitrag. Künftige Technologien zum CO 2 -Entzug aus der Atmosphäre könnten es möglicherweise erlauben, auch nach 2050 weitere fossile Reserven zu verbrennen, es sei jedoch noch sehr unsicher, etwas über diese Verfahren zu sagen.

Die Stärke der Studie liege in der detaillierten regionalen Aufspaltung der Analyse, die es so zuvor noch nicht gegeben habe, sagt Michael Jakob vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Gemeinsam mit Jérôme Hilaire vom gleichen Institut hat der Klimaforscher auch einen Kommentar zu der „Nature“-Studie geschrieben. „Eine erfolgreiche Klimapolitik ist letztlich eine Frage der Entschädigung“, sagt Jakob. „Einige Entwicklungsländer fragen sich natürlich, warum sie ihre vorhandenen Reserven ungenutzt lassen sollten, wenn dies doch ihr vorrangiges Ziel – die Bekämpfung der Armut – erschwert.“