Nach heftigem Widerstand gegen die von ihm vorgeschlagene Klimaabgabe für Kohlekraftwerke schlägt Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel eine Alternative zur Belastung der Kohlekraftwerke vor.

Berlin - Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) rückt von der Klimaabgabe für Kohlekraftwerke ab, die er selbst ins Gespräch gebracht hat. Mit diesem Instrument wollte Gabriel erreichen, dass die Stromversorger bis 2020 zusätzlich 22 Millionen Tonnen an Kohlendioxid einsparen. Damit soll das Ziel erreicht werden, bis zum Jahr 2020 die Kohlendioxidemissionen um 40 Prozent gegenüber 1990 zu verringern. Nach heftigem Widerstand von Energieversorgern, Gewerkschaften und Ländern mit Kohlekraftwerken muss Gabriel von seinem Vorschlag abrücken. Das Ministerium erklärte zwar, über die Kohleabgabe werde weiterhin geredet, in der großen Koalition werden Gabriels Plan aber keine Chancen mehr eingeräumt.

 

Der Minister kündigte auf einer Tagung der Energiewirtschaft in Berlin an, er werde einen Alternative zur Kohleabgabe vorlegen. Demnach wollen die Spitzen der Koalition am kommenden Mittwoch über die Maßnahmen zum Klimaschutz und den Ausbau der Stromnetze entscheiden. Offenbar streben Union und SPD eine Paketlösung an. Neben den Fragen zum Klimaschutz muss eine Lösung gefunden werden, wie ein Ausweg aus dem verfahrenen Streit über den Ausbau der Übertragungsnetze gefunden wird. Der CSU-Chef Horst Seehofer sperrt sich seit Monaten gegen Stromautobahnen von Nord nach Süd, die durch Bayern führen. Gabriel bietet an, stärker auf Erdverkabelung zu setzen.

Weil die Kohleabgabe politisch schwer umsetzbar ist, arbeitet Gabriel an Alternativen. Diese wolle er den Koalitionsspitzen am nächsten Mittwoch vorlegen. Anstatt die Stromversorger mit der Kohleabgabe dazu zu bringen, schnell auf Kraftwerke mit hohen Treibhausgasemissionen zu verzichten, soll es eine industriefreundliche Lösung geben. Die Energieversorger sollen eine Prämie dafür erhalten, dass sie alte Braunkohle-Meiler vom Netz nehmen und als Reservekraftwerke bereithalten. Damit solle die Versorgungssicherheit erhöht werden. Allerdings hat diese Variante einen Haken: Für die Kosten müssen die Stromverbraucher aufkommen. Aus diesem Grund hatte Gabriel dieses Instrument lange Zeit abgelehnt. Da auch SPD-geführte Länder gegen die Kohleabgabe Sturm laufen, muss der Minister einlenken.

Stromkunden müssen für Mehrkosten aufkommen

Wenn Kohlekraftwerke als Kapazitätsreserve genutzt und die Betreiber finanziell entschädigt werden, habe dies Vorteile für die Versorger, heißt es in der Koalition. Dadurch, dass Kraftwerke aus dem Markt genommen werden, könnten die Großhandelspreise für Strom steigen. Damit erhöhten sich deren Erlöse. Da Kraftwerke heruntergefahren werden, wird zugleich weniger Kohlendioxid ausgestoßen. Die Nachteile für die Stromkunden ist aber offensichtlich: Sie müssen für Mehrkosten aufkommen.

In einem weiteren Schritt will Gabriel auch die Förderung von klimafreundlichen Gasanlagen ausbauen, die Strom und Wärme erzeugen. Die Förderung für die sogenannte Kraft-Wärme-Koppelung (KWK) soll nach Gabriels Plänen verdreifacht werden. Dies bedeutet, dass die Kosten von rund 500 Millionen Euro jährlich auf 1,5 Milliarden Euro steigen. Wie die höheren Kosten finanziert werden, ist offen.

In der Koalition wird darauf verwiesen, dass der Klimaschutz nicht zum Nulltarif zu haben sei. Gleichzeitig stoßen die nationalen Klimaschutzziele in der Unionsfraktion auf Bedenken. „Die Alleingänge Deutschlands bei der CO2-Reduzierung sind nicht zeitgemäß und wettbewerbsschädlich“, sagte der energiepolitische Sprecher der Unionsfraktion, Thomas Bareiß. Er forderte einen abgestimmten Plan der Europäischen Union. Seine Bedenken macht er an einem Beispiel deutlich: Wenn Deutschland mit den vorgesehenen Instrumenten 22 Millionen Tonnen an CO2 einsparen wolle, so handele es sich um den Verbrauch, den China innerhalb von nur 16 Stunden in die Luft blase.

Wissenschaftler raten dagegen dazu, an einer Kohleabgabe festzuhalten. Dies sei das beste Mittel zur Reduzierung der Treibgasemissionen, erklärte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in einer Studie im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung. Der Klimabeitrag sei eine kostengünstige und effektive Variante, so die Forscher. Zudem biete er Chancen für einen Strukturwechsel. Die von der Industriegewerkschaft IG BCE als Alternative vorgeschlagene Kapazitätsreserve bezeichnete die DIW-Energieexpertin Claudia Kemfert dagegen als „teure Abwrackprämie“ für Kohlekraftwerke.

Laut DIW-Studie kann die von Gabriel ursprünglich bevorzugte Abgabe bis 2020 zusätzlich 26 Millionen Tonnen Kohlendioxid einsparen, die Kapazitätsreserve dagegen nur 18 Millionen Tonnen. Damit würden die klimapolitischen Ziele der Bundesregierung laut DIW verfehlt.