Weniger Autos, mehr Fotovoltaik, mehr Tempo: Jahrelang kämpfte die Ludwigsburger Energieagentur um Beachtung und ums Überleben – nun mischt sie kräftig mit und manchen auf. Anders geht es nicht, sagt der noch immer junge Geschäftsführer Anselm Laube.

Region: Verena Mayer (ena)
Ludwigsburg – - Es kann vorkommen, dass Anselm Laube sein Faltrad mit ins Besprechungszimmer bringt, wenn er vor dem Rathaus keinen Parkplatz dafür findet. Dass er dafür bisweilen schief angeschaut wird – geschenkt. Damit kann er sich nicht aufhalten. Und seine Gesprächspartner sollten es auch nicht. Es gilt Wichtigeres zu klären und dabei keine Zeit mehr zu verlieren.

Herr Laube, kennen Sie den: Was empfiehlt die Bäckerinnung zur CO2-Reduktion?

 

Keine Ahnung.

Ich sag’s Ihnen: Mehr Baumkuchen backen!

(Lacht halbwegs belustigt.)

Sie können über Witze übers Klima also noch lachen?

Wenn wir den Schutz unserer Zivilisation wie Sauerbier verkaufen, dann haben wir nichts gewonnen. Klimaschutz muss Spaß machen. Wir sollten weniger darüber reden, was wir anders machen müssen, sondern überlegen, wo wir hinwollen. Wir wollen von einer positiven Erzählung ausgehen. Humor ist da ein ganz wichtiger Bestandteil.

Die Lea fordert nun, dass man bei der Energiewende in den Turbomodus schaltet. Wie stellen Sie sich das vor?

Wir werden einen grundlegenden Systemwandel erleben. Den brauche ich nicht zu fordern, der wird kommen. In dem Moment, in dem wir das Ziel Klimaneutralität als gesetzt ansehen – und das ist die einzige Chance, die Zivilisation auf unserem Planeten zu erhalten – werden wir Umbrüche bekommen.

In der Theorie besteht da sicher viel Einigkeit. Aber in der Praxis gibt es schon einen Aufschrei, wenn die Grünen Feuerwerke verbieten wollen.

Wenn wir uns als Gesellschaft dafür entscheiden, uns diesen Luxus zu gönnen, dann müssen wir woanders stärker einschneiden. Ich glaube, diese Diskussion ist erst möglich, wenn wir uns die Klimaneutralität als Ziel verinnerlicht haben. Und es zwingend von 2050 auf 2035 vorziehen, regional für uns. Zum einen, damit wir überhaupt eine Chance haben, diesen Klimawandel auszubremsen. Und zum anderen, damit wir diese Diskussion nicht immer in die Zukunft verlagern. Je länger wir auf hohem Niveau unterwegs sind, desto stärker wird der Einschnitt sein.

Die Grünen, die Linke, die Lubu und das Bündnis für Vielfalt im Ludwigsburger Gemeinderat fordern, dass bei Neubauten verpflichtend eine Fotovoltaikanlage installiert wird. Glauben Sie, dass sich Bauherren das vorschrieben lassen?

Wir müssen uns daran gewöhnen, dass die Energiewende ein Teil der kommunalen Daseinsvorsorge wird. Ich gestehe einem Gemeinderat durchaus zu, Klimaschutzmaßnahmen vorzuschreiben. Wir werden diese Diskussionen künftig immer häufiger haben: Anschluss- und Benutzungszwang bei Fernwärme; Solarpflicht bei Neubau. Vielleicht auch bei der Verwendung nachhaltiger Baustoffe. Früher hat man darüber diskutiert, ob ein Zwang zum Abwasseranschluss okay ist – heute ist das selbstverständlich. Außerdem ist das auch eine monetäre Betrachtung: Wer jetzt die Standards für in fünf oder zehn Jahren baut, bekommt im Moment noch Fördermittel dafür. Und wenn ich jetzt schon klimaneutral heize und Strom erzeuge, können mir die CO2-Steuern auf Gas und Öl ab nächstem Jahr ein Stück weit egal sein.

Die Lea fordert auch den Ausbau der Radinfrastruktur. Sie haben die Debatte um den Radweg in der Marbacher Straße erlebt. Wie soll das gehen?

Ich weiß, da stehen uns ganz fundamentale Diskussionen bevor. Doch wir brauchen einen ganz klaren Wechsel. In der Vergangenheit wurde dem Auto ständig mehr Platz eingeräumt, das führt in den Kollaps. Je mehr Platz wir dem Auto einräumen, desto mehr Autos gibt es. Jetzt müssen wir den anderen Weg gehen und dem Fahrrad und dem Fußverkehr mehr Platz einräumen. Zwangsweise muss dann der ruhende, aber auch der fließende Autoverkehr Einschnitte erleben. Sonst kriegen wir keine Verkehrswende hin.

Lesen Sie hier die Geschichte über Ludwigsburgs prominentesten Radweg

In dieser Corona-Zeit sind viele von Bus und Bahn auf das Auto umgestiegen.

Corona ist eine vorübergehende Erscheinung, deshalb habe ich keine Angst. Wichtig ist, dass wir nun unsere Verkehrsbetriebe schützen. Die langfristige Umstellung muss kommen, und da werden Massentransportmittel wie Busse, Bahnen und Fahrräder die Mittel der Wahl sein.

Mehr Radwege, weniger Autos, mehr Fotovoltaik, weniger Trödeln – diese Forderungen haben nicht zu den originären Aufgaben der Lea gehört. Hat man mit Ihnen einen Ökofaschisten ins Haus geholt?

Das glaube ich nicht. Ja, ich bin als Klimaschützer zur Lea geholt worden, und nicht nur als Energieberater. Und wenn wir diese Aufgabe ernst nehmen, dann müssen wir zwingend auch die anderen Sektoren denken. Wir können nicht in dem einen vorangehen und sagen, das andere interessiert uns nicht. Wir brauchen eine strategische und bewusste Klimapolitik auf kommunaler Ebene, und da gehört Mobilität zwingend mit dazu.

Kriegen Sie leicht Termine in Rathäusern?

Das ist kein Problem. Wir erleben auf kommunaler Seite einen sehr starken Rückhalt für unsere Arbeit.

In Besigheim hat der Gemeinderat neulich entschieden, Sie nicht einzuladen. Warum?

Ich kenne die Geschichte nur vom Hörensagen. Soweit ich weiß, wurde der Antrag einer Fraktion abgelehnt, weil Besigheim schon einen Energieberater habe, und weil die Stadt mit der Klimaschutz- und Energieagentur des Landes kooperiere. Dabei arbeitet diese Agentur gar nicht mehr für Kommunen, das ist eine reine Landesgesellschaft. Das werden die Besigheimer auch noch merken.

Was hätten Besigheim und die anderen 17 Kreis-Kommunen, die nicht Mitglied der Lea sind, von einer Mitgliedschaft?

Es gibt natürlich noch immer das klassische Angebot der Energieberatung. Aber wir können Kommunen auch dabei unterstützen, Konzepte zu entwickeln – wie zum Beispiel das Nahwärmenetz in Steinheim. Die Fachleute vor Ort sind dann nicht die einsamen Rufer. Auch unser Zugang zu Bundesmitteln erleichtert vieles, dieses Jahr sind das immerhin 100 000 Euro, die wir allein für die Energieberatung in Kooperation mit der Verbraucherzentrale Energieberatung in den Landkreis holen. Die Lea bietet auch Programme in Kitas und Schulen und berät finanzschwache Haushalte beim Strom sparen.

Klingt nach einem Rundum-Sorglos-Paket.

Nein! Wir möchten diejenigen sein, die Ideen weitergeben und fachliche Themen im Landkreis platzieren. Und auch mal die ein oder andere politische Forderung aus den Zwängen der Physik ableiten. Es reicht also nicht, bei der Lea Mitglied zu sein. Klimaschutz muss als Gemeinschaftsaufgabe begriffen werden, zu der alle ihren Teil beitragen. Und sei es, dass man auf seinen persönlichen Parkplatz verzichtet, damit dort ein Radweg gebaut werden kann.

Hören Sie den Aufschrei: „Aber irgendwo muss das Auto doch hin?“

In dem Moment, wo Parken teuer wird, wird sich das ändern. Diese ganzen Zweitwagen werden verschwinden, wenn für einen Stellplatz eine angemessene Miete zu bezahlen ist. Oder schauen Sie in die Schweiz: Dort kosten Mitarbeiterparkplätze bei Firmen teilweise 600 Franken – und siehe da: Plötzlich sind Fahrgemeinschaften möglich.

Unter den vielen Berechnungen zum Klimawandel gibt es auch welche, die sagen: Wir können machen, was wir wollen – es ist zu spät. Was treibt Sie an, dennoch ein Weltretter sein zu wollen?

Ich sehe uns als Zivilisation mit unseren humanitären Werten als erhaltenswert an. Es gibt für mich eine hohe Motivation, Konzepte zu entwickeln und umzusetzen, die unser Fortbestehen sichern, und nicht nur auf morgen zu gucken. Und ich habe tatsächlich auch noch Hoffnung, dass wir Veränderungen bewirken.

Großes Ziel, langer Anlauf

Person
Anselm Laube, 33, hat Maschinenbau studiert. Seine berufliche Karriere begann er bei der Energieagentur des Landkreises Lörrach. Nach Ludwigsburg kam er vor zwei Jahren – um der Einrichtung nie dagewesenes Leben einzuhauchen. Sein Vorgänger hatte seinen Posten entnervt gekündigt.

Agentur
Die Ludwigsburger Energieagentur wurde 2006 als gemeinnütziger Verein gegründet. Sie sollte Hauseigentümer und Gewerbebetrieben sowie Kommunen mit den Zielen Klimaschutz und Energieeinsparung beraten. Weil die Finanzen immer knapp waren, waren die Möglichkeiten der Lea begrenzt.

Neustart
Mit Laubes Antritt wurde der Neustart der Lea verkündet: Statt die Lea aufzulösen, wurde sie besser ausgestattet, um mehr bewirken zu können. Tatsächlich sind inzwischen 23 Kommunen Mitglied, vor zwei Jahren waren es acht. Auch der Landkreis ist inzwischen zahlendes Mitglied.