Zuletzt stand der freiwillige Ausgleich für nicht vermeidbare Emissionen heftig in der Kritik. Das Interesse an der Kompensation steigt aber auch in Baden-Württemberg. Worauf man achten sollte.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Viele Menschen zögern seit einiger Zeit, ob sie etwa ihren Urlaubsflug in die USA wirklich über eine freiwillige Abgabe kompensieren sollen, die einen Ausgleich schaffen soll für das ausgestoßene Kohlendioxid. Rund 45 Euro würden etwa Hin- und Rückflug von Stuttgart nach New York zusätzlich kosten. Auch Unternehmen halten sich gerade zurück, ihre Produktion über solche Zahlungen klimafreundlicher zu gestalten. Grund sind die jüngsten negativen Berichte, wie sie etwa das Wochenmagazins Die Zeit veröffentlicht hat. Diese zeigen, dass offenbar über Jahre hinweg Millionen von CO2-Zertifikaten verkauft wurden, die es gar nicht hätte geben dürfen. Vor allem Waldschutzprojekte sollen um ein Vielfaches überbewertet worden sein.

 

Denis Machnik von der Berliner Firma Adelphi, die Unternehmen und Politiker in Klimafragen berät, versteht die Kritik. Es gebe tatsächlich viel Intransparenz und häufige irreführende Kommunikation bei den Labels, teils seien auch falsche Bilanzen herangezogen worden, um die Zahl der Zertifikate zu berechnen. Waldprojekte seien, so notwendig sie eigentlich seien, häufig ineffektiv, weil zum Beispiel ein Brand oder Trockenheit Neuanpflanzungen schnell kaputtmachten. Daneben sehen viele in der Kompensation grundsätzlich eine Art Ablasshandel, weil eine Firma klimaneutral werden könnte, ohne selbst etwas dafür zu tun.

Der Endkunde hat keine Chance, die Qualität selbst zu überprüfen

Tatsächlich sei es für den Endverbraucher fast unmöglich, die Standards und Labels selbst auf Qualität zu prüfen. Da müssten bessere Kontrollen eingeführt werden. Und klar sei natürlich auch, das Kompensieren nur der dritte Schritt sein könne, wenn Vermeiden und Reduzieren von CO2-Emissionen nicht funktionierten.

Machnik warnt allerdings davor, das Kind mit dem Bade auszuschütten: „Es ist immer noch besser zu kompensieren, als gar nichts zu tun.“ In der Kritik habe zuletzt vor allem der Verra-Standard gestanden, assistiert Julia Kovar-Mühlhausen von der Klimaschutzstiftung Baden-Württemberg in Stuttgart. Dagegen habe man beim sogenannten Gold-Standard die Gewähr einer guten Qualität. Auch das Umweltbundesamt sieht im Gold-Standard eine „wichtige Orientierung“.

Manche wollen auch weiter Waldschutzprojekte unterstützen

Daneben rät Kovar-Mühlhausen nach den jüngsten Enthüllungen ganz vom CO2-Ausgleich über Waldschutzprojekte ab. Die Klimaschutzstiftung, deren Aufgabe es unter anderem ist, alle Flüge der Landesregierung und der angeschlossenen Universitäten zu kompensieren, wickelt dies über die Firmen Atmosfair und Myclimate ab. Beide haben den Verra-Standard nach eigenen Angaben nicht genutzt. Atmosfair steht Waldschutzprojekten kritisch gegenüber. Stattdessen unterstütze man Projekte, bei denen weniger Holz geschlagen wird, etwa durch effizientere Öfen oder Mini-Biogasanlagen.

Myclimate finanziert dagegen weiter auch Waldprojekte; man achte aber sehr auf Qualität: „Eine pauschale Verurteilung aller Waldschutzprojekte wäre sachlich falsch und ließe viele positive Aspekte außer Acht, wie beispielsweise Verbesserungen für die lokale Bevölkerung und die Biodiversität“, heißt es in einer Stellungnahme von Myclimate. Die Klimaschutzstiftung wählt solche Projekte für sich aber nicht aus.

Wie auch immer, der gestiegenen Verunsicherung steht eine gestiegene Nachfrage nach einem freiwilligen CO2-Ausgleich gegenüber. Das hat eine – allerdings nicht repräsentative – Umfrage von Adelphi im Auftrag der Klimaschutzstiftung ergeben. Danach wollen 59 Prozent der 433 befragten Unternehmen, Behörden und Verbänden in Baden-Württemberg künftig mehr Emissionen kompensieren.

Nur zehn Prozent der Firmen gleichen alle Emissionen aus

Ein Drittel tut dies bereits heute zumindest bei einem Teil des ausgestoßenen Kohlendioxids – meist geht es um einen Ausgleich für Flugreisen oder für die Nutzung von Strom oder Wärme aus nicht erneuerbaren Quellen. Lediglich zehn Prozent der Befragten kompensierten aber alle ihre nicht vermeidbaren Emissionen, so Katrin Schambil von Adelphi.

Ein Wunsch vieler Unternehmen ist laut der Umfrage auch, bevorzugt Klimaschutzprojekte in Deutschland zu unterstützen. Doch das ist nicht möglich, weil es sonst zu einer Doppelzählung käme. Dies ist ein grundsätzliches Problem. Wenn etwa ein Projekt für sauberes Trinkwasser in Uganda unterstützt wird, so kann Uganda bestimmen, ob es die eingesparten Emissionen in seine nationale Klimabilanz aufnimmt oder ob das kompensierende Unternehmen es auf sein Klimaschutzkonto setzen darf.

Kompensation durch deutsche Klimaschutzprojekte ist nicht möglich

Deutschland nun hat grundsätzlich entschieden, alle im Inland laufenden Projekte in der eigenen Klimabilanz zu verrechnen. Ein Unternehmen kann solche regionalen Projekte natürlich trotzdem mitfinanzieren; anrechnen darf es sich den Klimaschutz aber nicht. Wo auch immer ein Unternehmen für eine Kompensation bezahlt, sollte es deshalb prüfen, ob eine Anrechenbarkeit möglich ist oder nicht, zumal wenn man damit einer Klimaneutralität der eigenen Produkte näherkommen will.

Julia Kovar-Mühlhausen empfiehlt den Firmen trotzdem, auch den lokalen Klimaschutz zu fördern: „Das erhöht schließlich die Biodiversität und die Lebensqualität direkt in Baden-Württemberg.“

Wie funktioniert die Kompensation?

Ausgleich
Bürger und Betriebe bezahlen freiwillig einen Betrag, um das ausgestoßene Kohlendioxid bei einem Flug, einer Kreuzfahrt, einer Veranstaltung oder bei der Produktion von Waren zu kompensieren. Der Betrag hängt in der Regel von der Höhe des ausgestoßenen Kohlendioxids ab. Die Anbieter investieren dieses Geld direkt oder indirekt in weltweite Klimaschutzprojekte, etwa in die Renaturierung von Mooren, den Bau von Windrädern oder auch in Umweltbildung.

Anbieter
Es gibt sehr viele Anbieter auf dem Markt. Einige bieten Zertifikate für eigene Klimaschutzprojekte an. Andere kaufen und verkaufen Zertifikate von bereits existierenden Projekten. Fluggesellschaften und Reiseportale bieten CO2-Kompensation teils auch direkt beim Kauf an. fal