Rutesheim möchte entlang der Autobahn A 8 Energie gewinnen, bekam von der Autobahn GmbH aber eine Absage. Jetzt bekommt die Stadt politische Unterstützung.

Mit dem „Rutesheimer Weg“ hat sich die Stadt längst aufgemacht, um die Energiewende in Angriff zu nehmen. So ist sie dem Klimaschutzpakt des Landes Baden-Württemberg beigetreten und hat einen Klimabeirat ins Leben gerufen. Ein weiteres Mosaikteilchen wird im Zuge des neuen Wohnbauprojektes auf dem ehemaligen Bosch-Areal die Errichtung eines Nahwärmenetzes mit einer eigenen Heizzentrale sein. Hier sind vor allem erneuerbare Energiequellen gefragt. Eine davon sollen Solarthermie- und Photovoltaikanlagen sein. Die Stadt Rutesheim hat hierfür unter anderem Flächen auf dem südlichen Wall der Autobahn A 8 ausgemacht – und bekam unlängst nach einem Antrag an die Autobahn GmbH des Bundes eine Absage. Mit der Begründung, dass die Verantwortlichkeit der Verkehrssicherungspflicht nicht eindeutig zuzuordnen sei. Von dieser Absage lässt sich die Rutesheimer Bürgermeisterin Susanne Widmaier nicht entmutigen. Und sie bekommt politische Unterstützung.

 

Ministerin lässt Kontakte nach Berlin spielen

Nach einem Besuch von Nicole Razavi, der CDU-Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen des Landes Baden-Württemberg, im vergangenen Jahr im Zuge des Wohnbauprojektes auf dem Boschareal hat diese ihr Versprechen gehalten und ihre Kontakte nach Berlin gleich zu Beginn des Jahres spielen lassen. Adressiert ist das Schreiben an Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen), an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) und an Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP). Darin bittet Razavi die Politiker, die Kommunen bei der Umsetzung der Energiewende, speziell was das Vorantreiben der Freiflächensolaranlage an Bundesautobahnen und Bundesfernstraßen betrifft, erfolgreich voranzutreiben. „Das ist eine der dringlichsten politischen Aufgaben unserer Zeit“, sagt Razavi.

Einzelfallentscheidungen müssen schnell getroffen werden

Löblich sei, so die Ministerin, dass der Bundestag am 9. November in erster Lesung den von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf „zur sofortigen Verbesserung der Rahmenbedingungen für die erneuerbaren Energien im Städtebaurecht“ beraten habe. Auch begrüßt sie es, dass die zuständige Autobahn GmbH des Bundes sich der Sache angenommen habe. Doch Razavi sieht es als dringend erforderlich an, in dieser Arbeitsphase „bereits Einzelfallentscheidungen schnell und zielorientiert zugunsten der Kommunen zu treffen.“

Derweil hat auch Hans Dieter Scheerer, der FDP-Landtagsabgeordnete aus dem Wahlkreis Leonberg, Herrenberg und Weil der Stadt, sich an die Autobahn GmbH gewandt. Er unterstützt ausdrücklich die Solarthermie- und Photovoltaikvorhaben der Stadt Rutesheim. „Das Vorhaben in Rutesheim ist eine großartige Initiative für den Klimaschutz und den Aufbau erneuerbarer Energien“, erklärt Scheerer, der Mitglied im Verkehrsausschuss des Landtags ist. „Mir ist dabei nicht klar, weshalb die Autobahn GmbH den Antrag aus Rutesheim mit Verweis auf nicht eindeutig zuzuordnende Verantwortlichkeiten im Rahmen der Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflichten ablehnt. Aus meiner Sicht ist das recht einfach herauszufinden mit einem Blick in das Grundbuch, um die Verantwortlichen zu identifizieren und alles Weitere steht dann im Bundesfernstraßengesetz.“ Die Stadt Rutesheim habe sich außerdem bereits bereit erklärt, die Verkehrssicherungspflichten zu übernehmen. „Vonseiten der Stadt ist der wirkliche Wille da, den Aufbau eines Nahwärmenetzes voranzutreiben und damit aktiv Klimaschutz zu betreiben. Das darf nicht in den bürokratischen Mühlen und in einem Hin- und Hergeschiebe von Kompetenzen zum Erliegen gebracht werden. Denn mit den Planfeststellungsverfahren und möglichen Einmischungen von Umweltverbänden liegen noch genug Herausforderungen vor dem Projekt“, gibt Scheerer zu bedenken.

Beschleunigung? Am Anfang steht die Ermittlung des Potenzials

„Es ist deshalb entscheidend, dass zügig die notwendigen nächsten Schritte eingeleitet und die Verantwortungen klargestellt werden, damit Rutesheim mit dem Bau der Photovoltaikanlagen an der A 8 und dem Nahwärmenetz beginnen kann.“

Eine Antwort hat Scheerer von der Autobahn GmbH des Bundes bereits erhalten. Darin heißt es, dass es auch im Interesse der Bundesregierung sei, den Ausbau erneuerbarer Energien zu beschleunigen und damit verbundene Hemmnisse und Hürden zu beseitigen. Erster Beschleunigungsschritt: Momentan ermittelt die Autobahn GmbH das Potenzial autobahneigener Flächen.

Susanne Widmaier ist fest davon überzeugt, dass das Solarpark-Projekt entlang der Autobahn ein positives Ende findet und übt sich in Geduld. „Wenn wir unsere Heizzentrale verwirklichen, werden wir erst einmal auf andere möglichst grüne Energiequellen zurückgreifen, unter anderem auf Holzhackschnitzel aus unserem Wald.“

Mehr Chancen für erneuerbare Energien

Gesetzesentwurf
 Der Ausbau von Windenergie- und Photovoltaik-Anlagen soll beschleunigt und die Nutzung von Windkraft und Biomasse verbessert werden. Das wurde mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Die Linke am 1. Dezember des vergangenen Jahres auf den Weg gebracht. Schwerpunkte bilden dabei die Abstände von Windkraft- und Biogasanlagen. Zum Beispiel: Künftig soll der Abstand eines Windrads zu einem Wohnhaus mindestens zweimal so groß sein, wie das Windrad hoch ist („2h-Regelung“).

Autobahn
 Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg hat eine Studie veröffentlicht, wonach sich vier große Kohlekraftwerke ersetzen ließen, wenn man den Lärmschutz an Straße und Schiene überall mit Photovoltaik kombinieren würde. Eine weitere Variante wäre, Solardächer über Straßen aufzuspannen – vor allem über Autobahnen. Auf der Raststätte Hegau-Ost an der A 81 in Baden-Württemberg entsteht derzeit eine erste PV-Pilotbrücke.