Die Landtagsfraktion plädiert für Tempo 130 auf Autobahnen und Tempo 30 innerorts. Von „Benzin im Blut“, von dem der frühere Wirtschaftsminister Nils Schmid einst sprach, ist inzwischen keine Rede mehr.

Stuttgart - Die SPD in Baden-Württemberg heizt die die Debatte über ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen an. Mit großer Mehrheit hat sich die Landtagsfraktion auf ihrer Klausur in Bad Mergentheim für eine Höchstgeschwindigkeit von 130 Stundenkilometern ausgesprochen. Andreas Stoch, Vorsitzender von Landespartei und Landtagsfraktion, verwies auf den Handlungsdruck durch den Klimawandel. Das Tempolimit auf den Autobahnen werde den Kohlendioxid-Ausstoß um etwa zwei Millionen Tonnen verringern. Er führte auch die Verkehrssicherheit ins Feld. „Wir wissen aus Ländern, die schon lange ein Tempolimit auf Autobahnen haben, dass es dort anteilig weniger Verkehrstote gibt.“

 

Stoch und seine Fraktion halten eine Neuordnung der Regelungen zu den Höchstgeschwindigkeiten „für dringend geboten“. So sollen leichte Nutzfahrzeuge auf Autobahnen nur noch maximal 100 Stundenkilometer fahren dürfen. Darunter fallen für Gütertransporte genutzte Fahrzeuge bis zu 3,5 Tonnen (Sprinter). Bislang bestehen für diese Fahrzeuge keine spezifischen Lenkzeitenbeschränkungen und Tempolimits. Innerorts soll eine Höchstgeschwindigkeit von 30 Stundenkilometern gelten – bei Tempo 50 auf Durchgangsstraßen. Dies dämpfe den Verkehrslärm und diene dem Schutz von schwächeren Verkehrsteilnehmern. Für Bundesstraßen ist weiterhin außerorts Tempo 100 als Maximum vorgesehen.

Kretschmann ist auch für ein Tempolimit, tut aber nichts mehr dafür

Programmatisch sind die Sozialdemokraten schön länger mit der Forderung nach einem allgemeinen Tempolimit vertraut, nur bei der operativen Umsetzung zucken sie regelmäßig zurück. Zuständig ist der Bund. Als der Bundestag im vergangenen Oktober auf Initiative der Grünen über ein Tempolimit abstimmte, blieb die SPD mehrheitlich auf Koalitionslinie mit CDU und CSU, die eine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen ablehnen. Auf dem SPD-Bundesparteitag Anfang Dezember in Berlin wurde hingegen die Forderung nach einem Tempolimit bekräftigt. Sie ist Bestandteil des Auftrags, den Koalitionsvertrag mit der Union nachzuverhandeln.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte anlässlich der Abstimmung im Bundestag ein Tempolimit befürwortet: „Es spricht quasi alles dafür.“ Man fahre stressfreier, die Unfallgefahr sinke, der Spritverbrauch verringere sich; zugleich steigere es die Kapazität der Infrastruktur. Jedoch wolle er sich nach langem vergeblichem Bemühen nicht mehr dafür verkämpfen. SPD-Landeschef Nils Schmid hatte zu Beginn der 2011 bis 2016 regierenden grün-roten Koalition im Land in Abgrenzung zu Kretschmann („Weniger Autos sind besser als mehr Autos“) postuliert, jede Landesregierung habe „Benzin im Blut“. Vorstöße für ein Tempolimit wehrte er als Wirtschaftsminister ab; inzwischen äußert er sich differenzierter.