Die Ausstiegsstrategie aus der Atomkraft muss nachgebessert werden. Umweltministerin Gönner will schnell auf erneuerbare Energien setzen.    

Stuttgart - Brandneu und doch schon überholt: das Klimaschutzkonzept 2020 plus ist jetzt vom Kabinett gebilligt worden. Das hat die Umweltministerin Tanja Gönner bekanntgegeben. Gleichzeitig musste sie aber einräumen, dass das mehr als 200 Seiten umfassende Werk bereits bei Erscheinen veraltet ist. Denn das Konzept geht noch von der im Herbst beschlossenen Laufzeitverlängerung der Atommeiler aus. Deshalb sah Gönner darin „richtungweisende Entscheidungen“ bezüglich eines Umbaus der Stromversorgung auf erneuerbare Energien auch nur „innerhalb der nächsten zehn Jahre“ vor.

 

Dennoch wollte sie bis 2020, einem ersten „Meilenstein“ ihrer Vision 2050 von einer CO2-freien Stromversorgung, die Treibhausgase um mindestens 30 Prozent reduzieren, und zwar bezogen auf das Jahr 1990. Bis 2008 allerdings wurden nur acht Prozent Reduzierung erreicht. Jetzt, nach dem verheerenden Atomunfall in Japan und dem Abschalten der beiden Kernkraftwerke NeckarwestheimI und Philippsburg I, will die Umweltministerin beim Ausbau der erneuerbaren Energien „noch mehr aufs Tempo drücken“.

„Wir müssen noch einen Zahn zulegen, wenn wir beim Klimaschutz nicht zurückfallen und den Übergang weg von der Kernenergie hin zu den Erneuerbaren beschleunigen wollen“, erklärte sie. Ihr neues Konzept sei deshalb aber keinesfalls „Makulatur“. Allerdings müsse „nachjustiert werden“, wenn es zu einem früheren Abschalten der Kernkraftwerke kommt.

Klimakonzept als "inhaltsleere Munition im Wahlkampfgetöse"?

Der Landesnaturschutzverband (LNV) begrüßt den Erkenntnisgewinn der Ministerin nach dem Reaktorunglück. Wenn Gönner aber beim Klimaschutz „auf die Tube drücken möchte“, müsse sie noch „einige Überzeugungsarbeit in den eigenen Reihen leisten“, mahnt der LNV-Chef Reiner Ehret. Die Landesvorsitzende des Bundes für Umwelt und Natur (BUND), Brigitte Dahlbender, hingegen vermisst eine „ehrliche Politik“. Die Landesregierung hätte besser das überholte Klimaschutzkonzept zurückgestellt.

„Wenn die derzeitige Landesregierung tatsächlich einen neuen Kurs in der Energie- und Klimaschutzpolitik einschlägt, dann muss sie diesen auch mit einem solchen Konzept belegen“, sagt Dahlbender. In der Mitteilung der Umweltministerin fehlten jegliche konkrete Aussagen zum schnellen Ausstieg aus der Atomkraft. Kritik übt auch Andre Baumann, der Landesvorsitzendes des Naturschutzbundes (Nabu), „Frau Gönner und Herr Mappus schauen anscheinend lieber in den Rückspiegel als nach vorne“, sagte Baumann. Wenn der Ministerrat dieses veraltete Konzept trotzdem verabschiedet habe, könne dies nur zweierlei bedeuten: Entweder plane Mappus weiter „mit der Atomkraft nach altem Muster“ oder er benutze das Klimakonzept nur als „inhaltsleere Munition im Wahlkampfgetöse“.