Nach dem ersten Applaus für die Klimaschutzziele im grün-schwarzen Koalitionsvertrag kommen Naturschützern Zweifel beim Ausbau der Windkraft. Die bisherigen Pläne reichen nicht aus, geben sie zu Bedenken. Sie zeigen sich aber auch offen beim Artenschutz.

Stuttgart - Die grün-schwarze Landesregierung kann ihre ehrgeizigen Windenergie-Ziele im Koalitionsvertrag nach Ansicht von Naturschützern nicht ohne weitere Ausbaupläne erreichen. Es sei kaum zu schaffen, bis zu 1000 Windräder allein auf Staatswald- und Landesflächen aufzustellen, sagte die neue BUND-Landesvorsitzende Sylvia Pilarsky-Grosch der Deutschen Presse-Agentur. „Das halte ich für unrealistisch, solange man sich auf Landesflächen beschränkt.“

 

Im Koalitionsvertrag sieht Pilarsky-Grosch zudem keinen Ansatz, wie sich das Ziel bereits in den kommenden Jahren erreichen lasse. „Das Ausweisen von Flächen und der Landesentwicklungsplan sind zeitraubende Vorgänge und Abläufe. Wenn es gelingt, in fünf Jahren einen guten Schritt zu gehen, dann ist das schnell gewesen.“

Landesregierung will in kommenden Jahren bis zu 1000 Windräder aufstellen

Die Landesregierung hat sich im Koalitionsvertrag vorgenommen, in den kommenden Jahren bis zu 1000 Windräder aufzustellen. Dazu soll der Staatswald stärker für den Ausbau geöffnet und dort bis zu 500 Anlagen errichtet werden. „Bei der Windkraft haben wir die Möglichkeit, schnell Flächen im Staatswald auszuweisen und dafür eine Vermarktungsoffensive zu starten“, hatte Walker zuletzt auch in einem Gespräch mit den „Stuttgarter Nachrichten“ und der „Stuttgarter Zeitung“ (Mittwoch) betont.

Nach Ansicht von Pilarsky-Grosch müssen neben Staatswald- und Landesflächen auch weitere Gebiete stärker in den Blick genommen werden, um möglichst viele Räder aufstellen zu können. „Es gibt ja auch private Flächen außerhalb des Staatsforsts und andere Flächen ohne Bewaldung, wie zum Beispiel Felder“, sagte sie. „Mir ist egal, wo gebaut wird, ob auf staatlichen oder auf privaten Flächen.“

Ökostrom aus Wind ist zentraler Pfeiler der Energiewende

Ökostrom aus Wind ist ein zentraler Pfeiler der Energiewende, er ist in Baden-Württemberg in den vergangenen Jahren aber stark ins Stocken geraten. Als wesentliche Gründe gelten lange Genehmigungsverfahren, viele Klagen und Vorgaben des Bundes, die Baden-Württemberg im Vergleich zu Norddeutschland benachteiligen. Außerdem müssen Artenschutz und Windkraft kompliziert zusammengedacht werden.

Darauf verweist auch der für den Staatswald verantwortliche Forstminister Peter Hauk (CDU), der sich wegen dieser Frage seit Jahren mit dem Umweltministerium auseinandersetzt. „Wenn es derzeit zu Verboten beim Ausbau der Windkraft kommt, liegt es häufig an Konflikten mit dem Artenschutz, hier müssen Lösungen gefunden werden, denn wir brauchen beides“, sagte er der dpa. „Klar ist aber, wenn schon der Verdacht des Brütens eines Schwarzstorchs ausreicht, um Windräder zu verhindern, werden wir im Klimaschutz nicht weiterkommen.“ Hauk fordert seit längerem eine Reform des Artenschutzes, um den Ausbau der Windkraft zu forcieren.

Energiewende und Artenschutz

Auch die Naturschützer sehen das Problem. Es könnten Ausnahmen vom Artenschutz erteilt werden, um Windenergieanlagen zu erlauben, sagte Pilarsky-Grosch. „Aber dafür braucht es Artenstützungsprogramme, ein Konzept also, wie diese Art außerhalb der Windenergiegebiete gestützt werden kann“, sagte sie weiter. Es könne auf einzelnen Flächen auch Windenergie ermöglicht werden, ohne den Artenschutz aufzugeben. „Wir akzeptieren, wenn das Recht flexibler angewendet wird, wir wollen es aber nicht ändern. Wir sind Artenschützer und nicht Tier-Individuenschützer für jedes einzelne Tier.“

Das sieht der Landesvorsitzende des zweiten großen Naturschutzverbandes NABU, Johannes Enssle, ähnlich. „Wir brauchen klar definierte Vorranggebiete für die Windenergie und gleichzeitig Tabuflächen, in denen der Artenschutz Vorrang hat“, sagte er der dpa. Es werde sonst immer wieder zeitraubende Konflikte mit dem Artenschutz geben. „Die Energiewende wird daher nur mit, nicht gegen den Artenschutz zu schaffen sein“, sagte Enssle.

Im Südwesten waren Ende dieses Jahres 731 Anlagen in Betrieb, das sind gerade mal zwölf mehr als 2019. Zum Vergleich: In Niedersachsen drehen sich mehr als 6350 Windräder. Dabei hatten die Grünen noch 2012 gemeinsam mit der damals mitregierenden SPD das Ziel ausgegeben, 1200 Windanlagen zu bauen, um bis 2020 mindestens zehn Prozent des Energiebedarfs aus heimischer Windenergie zu erzeugen.